Grunderwerbsteuer – und das fehlerhafte Datum im Feststellungsbescheid

Hat das Finanzamt aufgrund irriger Beurteilung des Sachverhalts in einem Feststellungsbescheid den Zeitpunkt des grunderwerbsteuerbaren Erwerbsvorgangs fehlerhaft angegeben und wurde der Feststellungsbescheid deshalb in der Folge wegen Rechtswidrigkeit gerichtlich aufgehoben, kann es nach § 174 Abs. 4 Satz 1 und 3 der Abgabenordnung in einem weiteren Feststellungsbescheid die richtigen steuerlichen Folgerungen aus der Aufhebung innerhalb eines Jahres nach Aufhebung des Feststellungsbescheides ziehen.

Grunderwerbsteuer – und das fehlerhafte Datum im Feststellungsbescheid

In diesem Fall steht dem neuen Feststellungsbescheid nach § 174 Abs. 4 Satz 3 AO nicht der Ablauf der Feststellungsfrist entgegen.

Ist aufgrund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der aufgrund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerbescheid durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden (§ 174 Abs. 4 Satz 1 bis 3 AO). Die Regelung findet nach § 181 Abs. 1 Satz 1 AO sinngemäß auch auf Feststellungsbescheide Anwendung. Eine irrige Beurteilung eines Sachverhalts im Sinne der genannten Vorschrift liegt vor, wenn sich die Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts nachträglich als unrichtig erweist. Sachverhalt im Sinne des § 174 Abs. 4 Satz 1 AO ist der einzelne Lebensvorgang, an den das Gesetz steuerliche Folgen knüpft. Der Begriff des „bestimmten Sachverhalts“ ist dabei nicht auf eine einzelne steuererhebliche Tatsache oder ein einzelnes Merkmal beschränkt, sondern erfasst den einheitlichen, für diese Besteuerung maßgeblichen Sachverhaltskomplex. Unerheblich ist, ob der für die rechtsirrige Beurteilung ursächliche Fehler im Tatsächlichen oder im Rechtlichen lag. Der Steuerpflichtige soll im Falle seines Obsiegens mit einem gewissen Rechtsstandpunkt an seiner Auffassung festgehalten werden, soweit derselbe Sachverhalt zu beurteilen ist1. Eine Korrekturmöglichkeit ist im Rahmen der Ertragsteuer danach etwa dann zu bejahen, wenn ein bestimmter Sachverhalt in einem anderen Besteuerungszeitraum als bisher geschehen zu erfassen ist und einem Rechtsbehelf aus diesem Grund stattgegeben wird2.

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Hat das Finanzamt aufgrund der irrigen Beurteilung des Stichtags, an dem die Grunderwerbsteuer entsteht, in einem Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer den Zeitpunkt, auf den der Grundbesitz der Gesellschaft nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GrEStG zu bewerten ist, fehlerhaft angegeben und wurde der Feststellungsbescheid deshalb in der Folge wegen Rechtswidrigkeit gerichtlich aufgehoben, ist der Ablauf der Feststellungsfrist nach § 174 Abs. 4 Satz 3 AO unbeachtlich, wenn das Finanzamt innerhalb eines Jahres nach Aufhebung des Feststellungsbescheids die Besteuerungsgrundlagen auf den zutreffenden Steuerstichtag feststellt.

Nach diesen Grundsätzen konnte das Finanzamt den Feststellungsbescheid vom 27.08.2020 erlassen. Die Voraussetzungen des § 174 Abs. 4 Satz 1 bis 3 AO waren erfüllt:

Das Finanzamt hatte ursprünglich irrig angenommen, dass die Vereinigung von mindestens 95 % der Anteile der grundbesitzenden GmbHs bereits am Tag der Unterzeichnung der Errichtungsurkunde (XX. XX. XXXX) verwirklicht wurde. Diesen Bescheid hat der Bundesfinanzhof aufgrund der Revision der Klägerin in dem Verfahren II R 35/17 der Klägerin am 04.03.2020 aufgehoben, da die unmittelbare Vereinigung aller Anteile der F-GmbH und die dadurch bedingte mittelbare Vereinigung aller Anteile der F-Krankenhaus-GmbH bei der Klägerin erst mit dem Tag der staatlichen Anerkennung am YY.YY.YYYY wirksam wurde3. In dem nunmehr angefochtenen Feststellungsbescheid hat das Finanzamt die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen und mit dem YY.YY.YYYY den zutreffenden Steuerstichtag angegeben. Der Ablauf der Feststellungsfrist stand dem nicht entgegen. Das Finanzamt hat ihn am 27.08.2020 erlassen, somit innerhalb eines Jahres nach Aufhebung des Feststellungsbescheids vom 18.04.2013 durch den Bundesfinanzhof am 04.03.2020.

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Bundesfinanzhof, Urteil vom 10. Mai 2023 – II R 24/21

  1. BFH, Urteil vom 20.11.2019 – XI R 49/17, Rz 17 f.[]
  2. vgl. BFH, Urteil vom 19.05.2005 – IV R 17/02, BFHE 209, 384, BStBl II 2005, 637, unter I. 2.a, zur Erfassung der einkommensteuerrechtlichen Betriebsveräußerung im Ganzen in einem anderen Streitjahr[]
  3. BFH, Urteil vom 04.03.2020 – II R 35/17, BFHE 268, 545, BStBl II 2020, 514, Rz 17[]