Eine Auflassungsvormerkung steht der Rückgängigmachung eines Kaufvertrags i.S. des § 16 Abs. 1 GrEStG dann entgegen, wenn der Erwerber dem Notar im notariellen Kaufvertrag lediglich die -unwiderrufliche- Vollmacht erteilt hat, die Löschung einer Auflassungsvormerkung bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen selbst zu bewilligen; denn vor Erstellung der entsprechenden Urkunde durch den Notar liegt noch keine Löschungsbewilligung in grundbuchrechtlich gebotener Form vor.

Eine Abtretungsanzeige, die eingeht, bevor der abzutretende Anspruch auf Erstattung von Grunderwerbsteuer nach Rücktritt vom Kaufvertrag gemäß § 16 Abs. 1 GrEStG entstanden ist, ist unwirksam.
Gemäß § 218 Abs. 2 AO entscheidet die Finanzbehörde über Streitigkeiten, die die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis nach § 37 AO betreffen, durch Abrechnungsbescheid. Bei einem mit der Aufhebung des Grunderwerbsteuerbescheids nach § 16 Abs. 1 GrEStG entstehenden Anspruch des Steuerpflichtigen auf Rückzahlung der bereits entrichteten Grunderwerbsteuer handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung um einen eigenständigen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis i.S. von § 37 Abs. 1 AO1.
Durch einen Abrechnungsbescheid entscheidet die Behörde auch, wenn unentschieden und zwischen den Beteiligten streitig ist, ob und inwieweit die Pfändung eines Erstattungsanspruchs des Steuerpflichtigen zugunsten eines Dritten wegen vorgehender Rechte weiterer Dritter bzw. anderer Pfändungsgläubiger und etwaiger Aufrechnungen durch das Finanzamt zum Erfolg geführt hat. Bescheide nach § 218 Abs. 2 AO können demnach nicht nur bei Streitigkeiten im unmittelbaren Verhältnis zwischen dem Finanzamt und dem Steuerpflichtigen (Erstattungsgläubiger), sondern auch bei Streitigkeiten über die Verwirklichung eines Erstattungsanspruchs im Verhältnis zwischen dem Finanzamt und einem Dritten, wie z.B. dem Pfändungsgläubiger, ergehen2. In einem solchen Bescheid kann dann zu klären sein, ob eine vor Zugang der Pfändungs- und Überweisungsverfügung erfolgte Abtretung eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis -wie vorliegend ein Anspruch aus § 16 GrEStG- wirksam war oder die gepfändete Geldforderung dem Pfändungsgläubiger nach § 835 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) zur Einziehung oder an Zahlungs statt zum Nennwert zu überweisen ist.
Nach § 46 Abs. 1 AO können Ansprüche auf Erstattung von Steuern, Haftungsbeträgen, steuerlichen Nebenleistungen und auf Steuervergütungen u.a. abgetreten werden. Die Abtretung wird nach § 46 Abs. 2 AO jedoch erst wirksam, wenn sie der Gläubiger der zuständigen Finanzbehörde nach Entstehung des Anspruchs anzeigt. Damit ist für eine wirksame Abtretung eines Anspruchs auf Erstattung von Grunderwerbsteuer nach § 16 Abs. 1 GrEStG maßgeblich, ob dieser Anspruch vor oder nach Anzeige der Abtretung entstanden ist. Im Streitfall ist die Abtretungsanzeige vor Entstehung des Anspruchs aus § 16 Abs. 1 GrEStG beim Finanzamt eingegangen, so dass die Abtretung nicht nach § 46 Abs. 2 AO wirksam geworden ist und damit der nach Entstehung des Erstattungsanspruchs erlassene Pfändungs- und Überweisungsbeschluss der Veräußerin vom Finanzamt zu beachten war.
Nach § 16 Abs. 1 GrEStG wird eine Steuerfestsetzung auf Antrag aufgehoben, wenn ein Erwerbsvorgang unter den in Nr. 1 oder Nr. 2 aufgestellten -im vorliegenden Fall unstreitig gegebenen- Voraussetzungen rückgängig gemacht wird, bevor das Eigentum am Grundstück auf den Erwerber übergegangen ist.
Zur Erfüllung des Tatbestands des § 16 Abs. 1 GrEStG reicht allein die zivilrechtliche (formale) Aufhebung des den Steuertatbestand erfüllenden Rechtsgeschäfts nicht aus3. „Rückgängig gemacht“ i.S. des § 16 Abs. 1 GrEStG ist ein Erwerbsvorgang vielmehr erst dann, wenn sich die Vertragspartner über die zivilrechtliche Aufhebung des den Steuertatbestand erfüllenden Rechtsgeschäfts hinaus derart aus ihren vertraglichen Bindungen entlassen haben, dass die Möglichkeit zur Verfügung über das Grundstück nicht beim Erwerber verbleibt, sondern der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtsstellung wiedererlangt4.
Die tatsächliche und vollständige Rückgängigmachung i.S. des § 16 Abs. 1 GrEStG setzt demnach voraus, dass die Vertragsparteien sämtliche Wirkungen aus dem Erwerbsvorgang aufheben und sich gegenseitig so stellen, als wäre dieser nicht zustande gekommen. Eine dem Erwerber verbliebene Rechtsposition kann auch unabhängig von dem zivilrechtlich beseitigten Anspruch auf Grundstücksübereignung bestehen geblieben sein, so etwa im Zusammenhang mit einer fehlenden vollständigen Rückabwicklung des Rechtsgeschäfts. Diese erfordert grundsätzlich die Löschung einer zugunsten des Erwerbers eingetragenen Auflassungsvormerkung5. Denn eine Auflassungsvormerkung beeinträchtigt die Verkehrsfähigkeit eines Grundstücks unabhängig vom Fortbestand des zivilrechtlichen Übereignungsanspruchs6. Diese Rechtsprechung hat das Finanzamt nicht in den Blick genommen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs entfällt die durch die Auflassungsvormerkung bestehende Beeinträchtigung, wenn der Erwerber des Grundstücks dem Veräußerer eine Löschungsbewilligung gemäß § 19 der Grundbuchordnung (GBO) in grundbuchrechtlich gebotener Form erteilt hat und der Veräußerer frei und ohne Einflussnahme seitens des Erwerbers über sie verfügen kann. Der Erwerber hat dann keine Rechtsposition mehr, die es ihm ermöglichte, auf die nachfolgende Veräußerung des Grundstücks einzuwirken7. Denn vor Eintragung des Löschungsvermerks im Grundbuch ist der Berechtigte an seine Aufgabeerklärung gemäß § 875 Abs. 2 BGB nur gebunden, wenn er die Erklärung dem Grundbuchamt gegenüber abgegeben oder der Erklärende dem Begünstigten eine Löschungsbewilligung in einer den Vorschriften der GBO entsprechenden Form ausgehändigt hat. Damit erlangt die Löschungsbewilligung Wirksamkeit, wenn die Ausfertigung der sie enthaltenden Urkunde mit dem Willen des Erklärenden dem Adressaten, also dem Grundbuchamt, oder demjenigen, zu dessen Gunsten auf ihrer Grundlage eine Eintragung vorgenommen werden soll, in der in § 29 GBO festgelegten Form zugeht8.
Eine solche Sachlage ist nicht gegeben, wenn der Erwerber dem Notar eine unwiderrufliche Vollmacht zur Bewilligung und Beantragung der Löschung einer Auflassungsvormerkung erteilt hat, gegen die innerhalb einer bestimmten Frist Einwendungen erhoben werden können.
Die zivilrechtliche Rechtsprechung und Literatur unterscheiden hierbei klar zwischen der Bewilligung, die der Erwerber bereits im Zeitpunkt der notariellen Beurkundung des Kaufvertrags mitbeurkunden lässt9, und der -unwiderruflichen- Vollmachtserteilung an den Notar, die Löschung bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen selbst zu bewilligen10. Lediglich im ersten Fall der Beurkundung der Löschungsbewilligung durch den Erwerber bereits im notariellen Kaufvertrag liegt danach eine Bewilligung entsprechend der §§ 19, 29 GBO vor. Im zweiten Fall hingegen erklärt der Notar die Löschungsbewilligung im Namen des Käufers erst durch die Eigenurkunde, nachdem die vertraglich geregelten Voraussetzungen vorliegen.
Die vom Finanzamt angeführten Entscheidungen führen zu keiner anderen Einschätzung.
Im BFH-Beschluss in BFH/NV 2015, 1668 ging es um den Billigkeitserlass von Säumniszuschlägen und die Frage, ab welchem Zeitpunkt die Verwirkung von Säumniszuschlägen sachlich unbillig sein kann, wenn die Festsetzung der Grunderwerbsteuer später nach § 16 Abs. 1 GrEStG aufgehoben wird. Der BFH führte dazu aus, dass dem Steuerpflichtigen mit dem wirksam erklärten Rücktritt ein Anspruch auf Aufhebung der Grunderwerbsteuerfestsetzung zusteht; der Antrag auf Aufhebung der Steuerfestsetzung ist nicht Voraussetzung für das Entstehen des Anspruchs, sondern lediglich Verfahrensvoraussetzung für dessen Realisierung. Ab der wirksamen Erklärung des Rücktritts vom Kaufvertrag war im dortigen Fall die Einziehung der verwirkten Säumniszuschläge unbillig11. In dieser Entscheidung war jedoch unstreitig, wann die Voraussetzung des § 16 Abs. 1 GrEStG „Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs“ vorlag und damit der Rücktritt erfolgt war. Im Tatbestand des dem Bundesfinanzhof, Beschluss zugrunde liegenden finanzgerichtlichen Urteils heißt es dazu dementsprechend lediglich, der Notar habe mitgeteilt, dass der Rücktritt vom Vertrag wirksam erklärt worden sei12. Um die Aufhebung einer Auflassungsvormerkung oder andere Modalitäten der Rückgängigmachung ging es nicht. Folglich kam es lediglich auf das zeitliche Verhältnis von wirksamem Rücktritt und Antragstellung auf Aufhebung der Steuerfestsetzung nach § 16 Abs. 1 GrEStG an, nicht aber auf die Frage, ob für eine Rückgängigmachung nach § 16 Abs. 1 GrEStG die Löschung einer Auflassungsvormerkung erforderlich ist. Die Ausführungen des II. Senats des Bundesfinanzhofs können daher für die im Streitfall entscheidende Frage nicht herangezogen werden.
Das Urteil des Sächsischen Finanzgericht in EFG 2017, 1465 betraf die Frage, ob ein Grunderwerbsteuererstattungsanspruch, gegen den das dort beklagte Finanzamt aufgerechnet hatte, vor oder nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens entstanden war. Anders als das Finanzamt meint, ging das Sächsische Finanzgericht dabei von den hier dargelegten Grundsätzen aus und führte aus, für den Anspruch auf Erstattung der Grunderwerbsteuer gemäß § 16 GrEStG sei entscheidend, ob bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens sämtliche materiell-rechtlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift vollständig verwirklicht waren. Die Vorschrift setze sowohl die zivilrechtliche Aufhebung des den Steuertatbestand erfüllenden Rechtsgeschäfts als auch die Wiederherstellung der ursprünglichen Rechtsstellung des Veräußerers voraus13. Damit äußerte sich das Sächsische Finanzgericht gerade nicht dahingehend -und damit anders als vom Finanzamt dargelegt-, dass nur entscheidend wäre, wann der zugrunde liegende zivilrechtliche Sachverhalt, der zur Entstehung des Steueranspruchs geführt habe, verwirklicht worden sei.
Nach diesen Maßstäben war der Anspruch auf Erstattung der Grunderwerbsteuer am 23.04.2015, dem Tag des Eingangs der Abtretungsanzeige im Original, noch nicht entstanden, weil der Notar die Löschung der Auflassungsvormerkung erst am 24.04.2015 beantragt hatte. Damit war der streitgegenständliche Abrechnungsbescheid des Finanzamtes rechtsfehlerbehaftet. Das Finanzamt hätte dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss der Veräußerin nachkommen müssen.
Rechtsgrund für die Auszahlung einer an sich der Erwerberin zustehenden Steuererstattung an die Veräußerin ist der von dieser erwirkte Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 18.05.2015. Der Beschluss ist dem Finanzamt am 20.05.2015 zugestellt worden, so dass die Pfändung als bewirkt anzusehen ist (§ 829 Abs. 3 ZPO)14. Die Veräußerin ist damit u.a. berechtigt, die Überweisung der gepfändeten Forderung zur Einziehung zu verlangen (§ 835 ZPO).
Die Abtretung steht der Pfändung und Überweisung an die Veräußerin nicht entgegen, da sie verfrüht, nämlich vor Entstehung des Erstattungsanspruchs mit vollständiger Rückabwicklung des Erwerbsvorgangs erfolgt ist: Die Löschungsbewilligung existierte am Tag des Eingangs der Abtretungsanzeige beim Finanzamt deshalb noch nicht, weil der Notar im Kaufvertrag lediglich bevollmächtigt worden ist, die Löschungsbewilligung unter bestimmten Voraussetzungen zu erteilen, nicht hingegen enthält der Kaufvertrag -anders als das Finanzamt ausführt- selbst die Löschungsbewilligung. Auf die im Kaufvertrag genannte Frist von zehn Werktagen, innerhalb derer der Käufer dem Notar die Ausfertigung einer gerichtlichen Entscheidung in Bezug auf die Löschung der Auflassungsvormerkung vorzulegen hatte, kommt es daher ebenso wenig an wie auf die Frage, ob die Übersendung der Abtretungsanzeige im Original eine -nach dem Zugang dieser Anzeige per Fax- Wiederholung der Abtretungsanzeige darstellt.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 21. Dezember 2021 – VII R 5/19
- BFH, Urteil vom 15.01.2019 – VII R 23/17, BFHE 263, 305, BStBl II 2019, 329, Rz 15, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil vom 30.11.1999 – VII R 97/98, BFH/NV 2000, 412[↩]
- BFH, Urteil vom 21.02.2006 – II R 60/04, BFH/NV 2006, 1700, unter II. 1.a[↩]
- ständige Rechtsprechung, vgl. BFH, Urteil in BFHE 263, 305, BStBl II 2019, 329, Rz 17; BFH, Urteil vom 01.07.2008 – II R 36/07, BFHE 220, 555, BStBl II 2008, 882, unter II. 1.; jeweils m.w.N.[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFH/NV 2006, 1700, unter II. 1.b[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 220, 555, BStBl II 2008, 882, unter II. 1., m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 220, 555, BStBl II 2008, 882, unter II. 1.[↩]
- vgl. OLG Celle, Beschluss vom 18.05.2018 – 18 W 18/18, NJW-RR 2018, 980; Vieweg/Egger in: jurisPK-BGB, Aufl.2020, § 875 BGB Rz 24, m.w.N.[↩]
- so z.B. OLG Celle, Beschluss in NJW-RR 2018, 980, m.w.N.[↩]
- vgl. Böttcher, Zeitschrift für Immobilienrecht -ZfIR- 2020, 1; Bomhard/Voßwinkel, ZfIR 2009, 529[↩]
- BFH, Beschluss in BFH/NV 2015, 1668, Rz 6[↩]
- FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23.01.2015 – 11 K 4059/12 Rz 2[↩]
- Sächsisches FG, Urteil in EFG 2017, 1465, Rz 28 f.[↩]
- vgl. auch BFH, Beschluss vom 28.09.1999 – VII B 35/99, BFH/NV 2000, 305, unter 2.a[↩]
Bildnachweis:
- Haustür: pasja1000