Grunderwerbsteuer – und die Baukosten

Ist der Erwerber eines Grundstücks beim Abschluss des Grundstückskaufvertrags hinsichtlich des „Ob“ und „Wie“ der Bebauung gebunden, wird das erworbene Grundstück erst dann im bebauten Zustand Gegenstand des Erwerbsvorgangs, wenn der Bauerrichtungsvertrag geschlossen wird. Der Abschluss des Bauerrichtungsvertrags ist ein nachträgliches Ereignis, welches die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer auf den Zeitpunkt des Grundstückserwerbs dahingehend verändert, dass zu den Kosten des Grundstückserwerbs nunmehr auch die Baukosten hinzutreten.

Grunderwerbsteuer – und die Baukosten

Mit diesem Urteil hat der Bundesfinanzhof eine weitere Entscheidung zu dem Themenkomplex des einheitlichen Erwerbsgegenstands im Grunderwerbsteuerrecht getroffen. Danach kann für den Fall, dass ein Bauerrichtungsvertrag zeitlich nach dem Grundstückskaufvertrag und nach der Festsetzung der Grunderwerbsteuer geschlossen wird, die Finanzbehörde berechtigt sein, im Wege der Änderung der ursprünglichen Steuerfestsetzung die Bauerrichtungskosten zusätzlich zu den Kosten des Grundstückserwerbs mit Grunderwerbsteuer zu belasten.

Im hier entschiedenen Urteilsfall erwarb der Erwerber von einer Stadt ein Grundstück, welches mit einem Reihenhaus bebaut werden sollte. Im Grundstückskaufvertrag, der sowohl von der Stadt (Verkäuferin) als auch von dem zu beauftragenden Bauunternehmen unterzeichnet wurde, war u.a. festgelegt, nach welchen architektonischen Plänen das Haus errichtet werden sollte. Das Finanzamt setzte kurze Zeit später die Grunderwerbsteuer fest und bezog lediglich die Kosten für den Grundstückskauf in die Bemessungsgrundlage für die Steuer ein. Nach der Steuerfestsetzung schloss der Erwerber einen Bauerrichtungsvertrag mit dem Bauunternehmen. Daraufhin änderte das Finanzamt die ursprüngliche Steuerfestsetzung und bezog die sich aus diesem Vertrag ergebenden Baukosten mit ein.

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Dagegen wehrte sich der Erwerber zunächst mit Erfolg vor dem Niedersächsichen Finanzgericht1. Der Bundesfinanz hingegen entschied nun, dass das Finanzamt die Baukosten nachträglich in die Bemessungsgrundlage für die Steuer miteinbeziehen durfte: Ist der Erwerber eines Grundstücks beim Abschluss des Grundstückskaufvertrags hinsichtlich des „Ob“ und „Wie“ der Bebauung gebunden, wird das erworbene Grundstück erst dann in bebautem Zustand erworben, wenn auch der Bauerrichtungsvertrag geschlossen ist. Mit dieser Entscheidung stellt der Bundesfinanzhof im Rahmen einer weiteren Fallgruppe aus dem Bereich des einheitlichen Erwerbsgegenstands klar, dass der Abschluss des Bauerrichtungsvertrags das zunächst unbebaute Grundstück rückwirkend auf den Zeitpunkt des Grundstückskaufvertrags zu einem bebauten werden lässt und die Baukosten nachträglich im Rahmen der Änderung der ursprünglichen Steuerfestsetzung zusätzlich zu den Kosten für den Grundstückskauf bei der Festsetzung der Grunderwerbsteuer zu berücksichtigen sind.

Der Gegenstand des Erwerbsvorgangs, nach dem sich gemäß § 8 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) die als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer anzusetzende Gegenleistung richtet, wird zunächst durch das den Steuertatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfüllende zivilrechtliche Verpflichtungsgeschäft bestimmt. Ergibt sich jedoch aus weiteren Vereinbarungen, die mit diesem Rechtsgeschäft in einem rechtlichen oder zumindest objektiv sachlichen Zusammenhang stehen, dass der Erwerber das beim Abschluss des Kaufvertrags unbebaute Grundstück in bebautem Zustand erhält, bezieht sich der grunderwerbsteuerrechtliche Erwerbsvorgang auf diesen einheitlichen Erwerbsgegenstand2.

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Von einem solchen Zusammenhang zwischen dem Grundstückskaufvertrag und den Verträgen, die der Bebauung des Grundstücks dienen, ist auszugehen, wenn der Erwerber beim Abschluss des Grundstückskaufvertrags gegenüber der Veräußererseite in seiner Entscheidung über das „Ob“ und „Wie“ der Baumaßnahme nicht mehr frei war und deshalb feststand, dass er das Grundstück nur in einem bestimmten (bebauten) Zustand erhalten werde3. Eine derartige Einschränkung der sonst für einen Grundstückserwerber bestehenden Entscheidungsfreiheit kann sich aus vorherigen Absprachen oder aus faktischen Zwängen ergeben4.

Der objektiv sachliche Zusammenhang wird ebenfalls indiziert, wenn der Veräußerer dem Erwerber vor Abschluss des Kaufvertrags über das Grundstück aufgrund einer in bautechnischer und finanzieller Hinsicht konkreten und bis (annähernd) zur Baureife gediehenen Vorplanung ein bestimmtes Gebäude zusammen mit dem Grundstück zu einem im Wesentlichen feststehenden Preis angeboten hatte und der Erwerber dieses Angebot später unverändert oder mit geringen Abweichungen, die den Charakter der Baumaßnahmen nicht verändert haben, angenommen hat5.

Dabei können auf der Veräußererseite mehrere Personen als Vertragspartner auftreten, so dass sich die Ansprüche des Erwerbers auf Übereignung des Grundstücks und auf Errichtung des Gebäudes zivilrechtlich gegen verschiedene Personen richten6.

Ob ein objektiv sachlicher Zusammenhang zwischen dem Grundstückskaufvertrag und weiteren Vereinbarungen besteht, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu ermitteln7. Dabei ist grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags abzustellen. Wird der Grundstückskaufvertrag durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht abgeschlossen, ist für die Beurteilung, ob ein sachlicher Zusammenhang zwischen dem Grundstückskaufvertrag und dem Bauerrichtungsvertrag besteht, der Zeitpunkt der Genehmigung maßgebend8. Zu dem jeweils maßgebenden Zeitpunkt muss der Erwerber entweder an das „Ob“ und „Wie“ der Bebauung gebunden sein oder die Veräußererseite dem Erwerber ein bestimmtes Gebäude auf einem bestimmten Grundstück zu einem im Wesentlichen feststehenden Preis angeboten haben.

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Das erworbene Grundstück wird jedoch erst dann im bebauten Zustand Gegenstand des Erwerbsvorgangs, wenn die auf der Veräußererseite handelnden Personen auch zur Veränderung des körperlichen Zustands des Grundstücks verpflichtet sind9. Dies setzt den Abschluss eines entsprechenden Bauerrichtungsvertrags voraus.

Bei einem Angebot der Veräußererseite, ein bestimmtes Gebäude auf dem erworbenen Grundstück zu errichten, ist der sachliche Zusammenhang von Grundstückskaufvertrag und Bauerrichtungsvertrag nur gegeben, wenn der Erwerber das Angebot annimmt, also den Bauerrichtungsvertrag abschließt. Ist der Grundstückserwerber aufgrund von Absprachen oder aus faktischen Zwängen an das „Ob“ und „Wie“ der Bebauung gebunden, ist das Grundstück ebenfalls erst mit dem Abschluss des Bauerrichtungsvertrags in bebautem Zustand Erwerbsgegenstand. Wird nach dem Kauf eines unbebauten, zur Bebauung vorgesehenen Grundstücks ein Bauerrichtungsvertrag nicht oder noch nicht geschlossen, ist Erwerbsgegenstand nur das unbebaute Grundstück, selbst wenn beim Abschluss des Grundstückskaufvertrags eine Bindung des Erwerbers an das „Ob“ und „Wie“ der Bebauung vorgelegen haben sollte.

Mit Abschluss des Bauerrichtungsvertrags steht fest, dass das Grundstück in bebautem Zustand Erwerbsgegenstand ist und damit die Baukosten in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer einzubeziehen sind. Vor Abschluss des Bauerrichtungsvertrags kommt eine Erhöhung der Bemessungsgrundlage für den Kauf des Grundstücks um die Baukosten nicht in Betracht. Bis dahin ist das Grundstück in seinem tatsächlichen, unbebauten Zustand Gegenstand des Erwerbsvorgangs. Erst mit Abschluss des Bauerrichtungsvertrags verändert sich der Gegenstand des Erwerbsvorgangs nachträglich, und zwar i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO rückwirkend auf den Zeitpunkt des Erwerbs10.

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Da das Finanzgericht von einer anderen Ansicht ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif.

Das Grundstück war sowohl beim Wirksamwerden des Kaufvertrags durch Erteilung der erforderlichen Genehmigungen als auch beim Erlass der Bescheide vom 23.08.2012 in seinem tatsächlichen, unbebauten Zustand Gegenstand des Erwerbsvorgangs. Die Erwerber waren zwar nach den vom Finanzgericht getroffenen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) beim Wirksamwerden des Kaufvertrags gegenüber der Veräußererseite an das „Ob“ und „Wie“ der Bebauung gebunden. Dies genügte aber nicht für die Annahme, das Grundstück sei bereits in bebautem Zustand Gegenstand des Erwerbsvorgangs gewesen. Die auf der Veräußererseite handelnden Personen waren nämlich noch nicht zur Veränderung des körperlichen Zustands des Grundstücks verpflichtet.

Vielmehr haben sich die Vertragsparteien in dem Grundstückskaufvertrag lediglich verpflichtet, einen entsprechenden Bauerrichtungsvertrag zu schließen, und Schadenersatz, Rücktritts- und Eintrittsrechte/-pflichten vereinbart, falls es nicht zum Abschluss dieses Vertrags kommen würde. Die endgültige zivilrechtliche Verpflichtung der X-GmbH zur Bebauung des Grundstücks und damit zur körperlichen Veränderung des unbebauten Grundstücks trat erst durch den Abschluss des Bauerrichtungsvertrags am 29.09.2012 ein. Erst in diesem Vertrag wurde vereinbart, dass die X-GmbH das Grundstück mit der Reihenhauszeile zu dem von den Erwerbern zu entrichtenden Festpreis von 211.635 EUR bebauen werde. Mit Abschluss dieses Vertrags veränderte sich der Gegenstand des Erwerbsvorgangs dahingehend, dass das Grundstück nunmehr in bebautem Zustand Gegenstand des Erwerbsvorgangs war, und zwar rückwirkend auf den Zeitpunkt der Steuerentstehung (§ 14 Nr. 2 GrEStG).

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Die Klage war somit abzuweisen. Die angefochtenen Änderungsbescheide sind sowohl in materiell-rechtlicher als auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht rechtmäßig. Das Finanzamt hat in den Bescheiden die Baukosten zu Recht in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer einbezogen.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 25. Januar 2017 – II R 19/15

  1. Nds. FG, Urteil vom 13.10.2014 – 7 K 158/14[]
  2. ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH, Urteil vom 06.07.2016 – II R 5/15, BFHE 254, 77, BStBl II 2016, 895, Rz 12, m.w.N.[]
  3. ständige Rechtsprechung, z.B. BFH, Urteile vom 28.03.2012 – II R 57/10, BFHE 237, 460, BStBl II 2012, 920, Rz 12; vom 19.06.2013 – II R 3/12, BFHE 242, 173, BStBl II 2013, 965, Rz 11; und vom 03.03.2015 – II R 22/14, BFH/NV 2015, 1270, Rz 14, jeweils m.w.N.[]
  4. BFH, Urteile vom 06.03.1991 – II R 133/87, BFHE 164, 117, BStBl II 1991, 532; und vom 13.08.2003 – II R 52/01, BFH/NV 2004, 663[]
  5. BFH, Urteile vom 27.09.2012 – II R 7/12, BFHE 239, 154, BStBl II 2013, 86, Rz 10; in BFHE 242, 173, BStBl II 2013, 965, Rz 11; und vom 26.02.2014 – II R 54/12, BFH/NV 2014, 1403, Rz 10, jeweils m.w.N.[]
  6. vgl. BFH, Urteil in BFHE 254, 77, BStBl II 2016, 895, Rz 13, m.w.N.[]
  7. vgl. BFH, Urteil in BFH/NV 2015, 1270, Rz 14, m.w.N.[]
  8. vgl. BFH, Urteil vom 29.03.1995 – II R 13/94, BFHE 177, 217, BStBl II 1995, 542[]
  9. vgl. BFH, Urteile vom 27.11.2013 – II R 56/12, BFHE 243, 415, BStBl II 2014, 534, Rz 12, und in BFHE 254, 77, BStBl II 2016, 895, Rz 15, m.w.N.[]
  10. BFH, Urteil in BFHE 237, 460, BStBl II 2012, 920, Rz 22[]
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