Bei einer Besteuerung gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG kommt einer Anzeige nach § 18 Abs. 1 Satz 1 GrEStG oder nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GrEStG jedenfalls dann keine die Anlaufhemmung (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO) beendende Wirkung für die Feststellungs- und für die Festsetzungsfrist der zu erlassenden Bescheide zu, wenn die nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG erforderlichen Angaben in Bezug auf ein Grundstück vollständig fehlen.

Die Festsetzungsfrist beträgt vier Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO) und beginnt gemäß § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist. Abweichend hiervon bestimmt § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO unter anderem für Fälle, in denen eine Anzeige zu erstatten ist, dass die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten auf die Steuerentstehung folgenden Kalenderjahres. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO soll verhindern, dass die Festsetzungsfrist schon beginnt, bevor die Finanzbehörde etwas vom Entstehen des Steueranspruchs erfahren hat. Der Steuerpflichtige soll nicht durch einen Verstoß gegen seine Anzeigepflicht die der Finanzbehörde zur Verfügung stehende Zeit zur Prüfung des Steuerfalls verkürzen können1.
Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 GrEStG müssen die beurkundenden Notare, nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und 5 GrEStG müssen Steuerschuldner über die Rechtsvorgänge nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GrEStG Anzeige erstatten. Die Anzeigen sind innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von dem anzeigepflichtigen Vorgang vorzunehmen, und zwar auch dann, wenn der Vorgang von der Besteuerung ausgenommen ist (§§ 18 Abs. 3, 19 Abs. 3 GrEStG). Die Anzeigen sind an das für die Besteuerung, in den Fällen des § 17 Abs. 2 und 3 GrEStG an das für die gesonderte Feststellung zuständige Finanzamt zu richten (§§ 18 Abs. 5, 19 Abs. 4 Satz 1 GrEStG). Die Anzeigen der Steuerschuldner sind Steuererklärungen im Sinne der Abgabenordnung (§ 19 Abs. 5 Satz 1 GrEStG).
In dem mehrstufigen Verfahren der Festsetzung der Grunderwerbsteuer haben die Anzeigen in Bezug auf die Beendigung der Anlaufhemmung sowohl für die Feststellungsfrist als auch für die Festsetzungsfrist Bedeutung. Durch den Feststellungbescheid nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG werden unter anderem die Steuerpflicht des Erwerbsvorgangs dem Grunde nach, die Steuerschuldner und die Grundstücke, die von dem Erwerbsvorgang betroffen sind, festgestellt. Erst aufgrund dieses Bescheids kann die gesonderte Wertfeststellung gemäß § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Bewertungsgesetzes für die betroffenen Grundstücke erfolgen, weil vorher nicht feststeht, dass und für welche Grundstücke Werte festzustellen sind. Der Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts für Grunderwerbsteuerzwecke ist dann auch (bindender) Grundlagenbescheid im Sinne des § 171 Abs. 10 AO für den Grunderwerbsteuerbescheid als Folgebescheid2. Durch die Anzeigen sollen daher sowohl die für die Feststellungen der Besteuerungsgrundlagen zuständigen Finanzämter als auch das für die Festsetzung der Grunderwerbsteuer zuständige Finanzamt in die Lage versetzt werden, die mögliche Grunderwerbsteuerbarkeit des angezeigten Rechtsvorgangs zu prüfen. Dem Feststellungsfinanzamt soll durch die Angaben in der Anzeige ermöglicht werden, die Besteuerungsgrundlagen festzustellen, die das für die Festsetzung der Grunderwerbsteuer zuständige Finanzamt benötigt. Das Festsetzungsfinanzamt ist unabhängig davon nach § 162 Abs. 1, 5 i.V.m. § 155 Abs. 2 AO berechtigt, aufgrund der Anzeige vor Erlass des Feststellungsbescheids einen Grunderwerbsteuerbescheid im Wege der Schätzung zu erlassen. Wenn das Festsetzungsfinanzamt einzelne von dem Rechtsvorgang betroffene Grundstücke aufgrund der unvollständigen Angabe der Grundstücke in der Anzeige aber gar nicht kennt, fehlt es bereits an einer verwendbaren Schätzungsgrundlage.
Der notwendige Inhalt der Anzeigen ergibt sich aus § 20 GrEStG. Unter anderem verlangen § 20 Abs. 1 Nr. 2 und 3 GrEStG die Bezeichnung des Grundstücks nach Grundbuch, Kataster, Straße und Hausnummer sowie die Größe des Grundstücks und bei bebauten Grundstücken die Art der Bebauung. Gehören zum Vermögen der Gesellschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG mehrere Grundstücke, gelten diese Anforderungen für jedes einzelne Grundstück.
Danach kommt einer Anzeige nach § 18 Abs. 1 Satz 1 GrEStG oder nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GrEStG bei einer Besteuerung gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GrEStG jedenfalls dann keine die Anlaufhemmung (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO) beendende Wirkung für die Feststellungs- und für die Festsetzungsfrist der zu erlassenden Bescheide zu, wenn die nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG erforderlichen Angaben in Bezug auf ein Grundstück vollständig fehlen3. Diese Rechtsfolge erstreckt sich auf alle von dem Rechtsvorgang der Anteilsvereinigung im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GrEStG betroffenen Grundstücke und nicht nur auf die nicht angegebenen Grundstücke, da die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen nach § 17 Abs. 3 GrEStG bei einem Erwerbsvorgang im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG für alle zum Vermögen der Gesellschaft gehörenden Grundstücke in nur einem Feststellungsbescheid zu erfolgen hat4. Seiner Pflicht zur einheitlichen Feststellung kann das Feststellungsfinanzamt nur dann ordnungsgemäß nachkommen, wenn in der Anzeige alle betroffenen Grundstücke vollständig aufgelistet sind. Dasselbe gilt für die Pflicht aller Festsetzungsfinanzämter zur Festsetzung der Grunderwerbsteuer. Fehlt in der Anzeige ein Grundstück, ist weder das für die Feststellung zuständige Finanzamt in der Lage, die Besteuerungsgrundlagen für alle von dem Rechtsvorgang erfassten Grundstücke zutreffend festzustellen, noch kann das Festsetzungsfinanzamt die Grunderwerbsteuer gegebenenfalls schätzen, da es die von dem Rechtsvorgang der Anteilsvereinigung betroffenen Grundstücke nicht kennt.
Dem steht nicht die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs entgegen, nach der die Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO auch durch eine unvollständige Anzeige beendet werden kann. Ob eine unvollständige Anzeige die Anlaufhemmung des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO beendet, ist entsprechend dem Normzweck dieser Vorschrift danach zu beurteilen, ob insoweit die der Finanzbehörde zur Verfügung stehende Bearbeitungszeit verkürzt wurde. Entscheidend ist, ob die Anzeige derart lückenhaft ist, dass dies praktisch auf das Nichteinreichen der Anzeige hinausläuft5.
Danach mag im Einzelfall eine unvollständige oder unrichtige Anzeige den Anlauf der Festsetzungsfrist dann nicht hemmen, wenn alle von dem Erwerbsvorgang betroffenen Grundstücke in der Anzeige aufgelistet wurden, aber beispielsweise eine der Pflichtangaben nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 und 3 GrEStG wie die Katasterbezeichnung oder die Angabe von Straße und Hausnummer des aufgelisteten Grundstücks unvollständig oder unrichtig sind. In solchen Fällen ist es ohne weiteres möglich, das Grundstück zu identifizieren und in das Feststellungs- sowie Festsetzungsverfahren einzutreten. Davon zu unterscheiden ist die Ausgangssituation, in der einzelne Grundstücke in der Auflistung vollständig fehlen. In einem solchen Fall ist es ungewiss, ob und wann das Finanzamt von den fehlenden betroffenen Grundstücken Kenntnis erlangt. Das gilt umso mehr, wenn sich die fehlenden Grundstücke nicht im Bezirk des Finanzamts befinden, sondern sich über mehrere Finanzamtsbezirke verteilen, sodass sie auch in den Datensätzen des Finanzamts nicht aufzufinden sind.
Schließlich ist auch der Anlauf der Festsetzungsfrist nicht zu Lasten des Steuerpflichtigen unendlich gehemmt. Denn nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO beginnt die Festsetzungsfrist spätestens mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist. Hierdurch wird ein fairer Ausgleich zwischen dem Interesse der Finanzverwaltung hinsichtlich einer angemessenen Bearbeitungszeit und dem Interesse des Steuerpflichtigen an Bestandskraft und Rechtsfrieden erreicht.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 25. April 2023 – II R 10/21
- BFH, Urteil vom 23.05.2012 – II R 56/10, Rz 10[↩]
- BFH, Urteil vom 15.03.2017 – II R 36/15, BFHE 257, 482, BStBl II 2017, 1215[↩]
- vgl. BFH, Beschlüsse vom 17.08.2009 – II B 172/08, BFH/NV 2009, 1970, unter II. 2.b cc; und vom 26.01.2012 – II B 98/11, Rz 5[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 14.12.2022 – II R 40/20, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, Rz 15[↩]
- vgl. BFH, Beschluss vom 17.08.2009 – II B 172/08, BFH/NV 2009, 1970, unter II. 2.b bb[↩]
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