Für Zwecke der Grundsteuer ist das Grundstück gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO ausnahmsweise dem wirtschaftlichen Eigentümer zuzurechnen.

Gemäß § 19 Abs. 4 BewG werden Einheitswerte für inländischen Grundbesitz nur festgestellt, wenn und soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind. Einheitswerte haben lediglich für die Grundsteuer Relevanz. Die Vorschriften über die Einheitsbewertung dürfen nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 10.04.2018 – 1 BvL 11/14 u.a.1 weiter angewandt werden2.
Nach § 22 Abs. 2 BewG wird über die Art (§ 19 Abs. 3 Nr. 1 BewG) oder die Zurechnung des Gegenstands (§ 19 Abs. 3 Nr. 2 BewG) eine neue Feststellung getroffen (Artfortschreibung oder Zurechnungsfortschreibung), wenn sie von der zuletzt getroffenen Feststellung abweicht und es für die Besteuerung von Bedeutung ist. Fortschreibungszeitpunkt ist der Beginn des Kalenderjahres, das auf die Änderung folgt (§ 22 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BewG).
Schuldner der Grundsteuer ist derjenige, dem der Steuergegenstand bei der Feststellung des Einheitswerts zuzurechnen ist (§ 10 Abs. 1 GrStG).
Grundsätzlich ist der Gegenstand dem bürgerlich-rechtlichen Eigentümer zuzurechnen (§ 39 Abs. 1 AO). Übt ein anderer als der Eigentümer die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut in der Weise aus, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann, ist ihm das Wirtschaftsgut ausnahmsweise zuzurechnen (sog. wirtschaftlicher Eigentümer; vgl. § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO). Eine Zurechnungsfortschreibung ist auch dann vorzunehmen, wenn das wirtschaftliche Eigentum übergeht3.
Ein Wirtschaftsgut kann nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO ausnahmsweise einem anderen als dem Eigentümer zugerechnet werden, wenn dieser die tatsächliche Herrschaft ausübt und den nach bürgerlichem Recht Berechtigten auf Dauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut auszuschließen vermag, sodass der Herausgabeanspruch des bürgerlich-rechtlichen Eigentümers keine wirtschaftliche Bedeutung mehr hat4.
Der Erwerber eines Grundstücks erlangt wirtschaftliches Eigentum regelmäßig ab dem Zeitpunkt, ab dem er nach dem Willen der Vertragspartner wirtschaftlich über das Grundstück verfügen kann, sodass er den nach bürgerlichem Recht Berechtigten im Regelfall, d.h. in dem für die Situation typischen Fall, auf die Dauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut ausschließen kann, der Herausgabeanspruch des Eigentümers also keine wirtschaftliche Bedeutung mehr hat. Das ist der Fall, sobald Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten auf den Erwerber übergegangen sind5. Dahinter steht die Überlegung, dass der wirtschaftliche Eigentümer objektiv diejenige wirtschaftliche Herrschaft ausübt, deren gewöhnlicher Ausdruck das Eigentum ist6. Ausgehend davon, dass Eigentum neben der Sachherrschaft, d.h. der Befugnis zum Besitz und zur Verwaltung, das Recht auf die Erträge und die Substanzbeteiligung, also das Recht zur Belastung und Veräußerung auf eigene Rechnung als wesentliche Merkmale umfasst, sind Sachherrschaft und Nutzungsrecht, also das Recht auf den Ertrag einschließlich eines Gebrauchsvorteils, wesentliche Merkmale des wirtschaftlichen Eigentums7. Insofern kommt im Rahmen einer Gesamtwürdigung der Verfügungsbefugnis über das Wirtschaftsgut, dem Ziehen der Nutzungen und dem Tragen der Lasten wesentliche Bedeutung zu8.
Der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums richtet sich nach dem Gesamtbild der Verhältnisse. Danach kann wirtschaftliches Eigentum unter Umständen auch dann anzunehmen sein, wenn einzelne seiner Merkmale nicht in vollem Umfang vorliegen9. Allerdings sind für das Vorliegen wirtschaftlichen Eigentums jedenfalls der Besitz des Erwerbers bzw. dessen Recht, die Nutzungen zu ziehen -vor allem im Vorstadium eines geplanten zivilrechtlichen Eigentumserwerbs- unerlässlich10.
Mit der Ausübung eines Vorkaufsrechts kommt der Kauf zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten unter den Bestimmungen zustande, welche der Verpflichtete mit dem Dritten vereinbart hat (§ 464 Abs. 2 BGB). Die Bestimmungen des Kaufvertrags, der durch die Abgabe der Vorkaufserklärung zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten zustande kommt, werden nicht zwischen diesen beiden ausgehandelt, sondern dem Vertrag des Verpflichteten mit dem Dritten entnommen11. Allerdings wird die Vertragsfreiheit durch § 464 Abs. 2 BGB nicht eingeschränkt12. Grundstückseigentümer und Vorkaufsrechtsberechtigter können vereinbaren, dass für das Kaufverhältnis zwischen diesen beiden Personen andere Bestimmungen als für das ursprünglich mit dem Dritten geschlossene Geschäft gelten sollen. Das gilt z.B. für Vereinbarungen über die Fälligkeit des Kaufpreises, die ungeachtet der Bestimmungen im ursprünglichen Vertrag immer erst nach der Ausübung des Vorkaufsrechts eintreten kann13.
Diese Grundsätze können auf eine von dem ursprünglichen Vertrag abweichende Vereinbarung über den Übergang von Besitz, Nutzen und Lasten übertragen werden. Insbesondere, wenn aufgrund des ursprünglich zwischen dem Grundstückseigentümer und dem Dritten geschlossenen Vertrags Besitz, Nutzen und Lasten bereits vor der Ausübung des Vorkaufsrechts auf den Dritten übergegangen sind, können der Grundstückseigentümer und der Vorkaufsberechtigte den Übergang abweichend von dem in dem ursprünglichen Kaufvertrag festgelegten Bedingungen auf einen späteren Zeitpunkt festlegen.
Die Auslegung von Verträgen und Willenserklärungen gehört zum Bereich der tatsächlichen Feststellungen und bindet den BFH gemäß § 118 Abs. 2 FGO. Auch die Feststellung wirtschaftliches Eigentum ist Gegenstand der tatrichterlichen Würdigung und daher wegen § 118 Abs. 2 FGO nur eingeschränkt revisibel14. Das Revisionsgericht prüft lediglich, ob das Finanzgericht die gesetzlichen Auslegungsregeln sowie die Denkgesetze und Erfahrungssätze beachtet und die für die Vertragsauslegung bedeutsamen Begleitumstände erforscht und rechtlich zutreffend gewürdigt hat15.
Unerheblich ist, dass die Erwerberin ihre Rechte durch Eintragung einer Eigentumsübertragungsvormerkung hat sichern lassen. Die Eigentumsübertragungsvormerkung allein verschaffte ihr nicht die Stellung einer wirtschaftlichen Eigentümerin. Die Wirkung der Vormerkung war vielmehr nach § 883 Abs. 2 BGB darauf beschränkt, dass Verfügungen, die nach der Eintragung der Vormerkung erfolgten, insoweit unwirksam waren, als sie den durch die Vormerkung gesicherten Anspruch vereitelten oder beeinträchtigten.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 23. Februar 2021 – II R 44/17
- BVerfGE 148, 147[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 18.09.2019 – II R 15/16, BFHE 266, 57, BStBl II 2021, 64, Rz 16[↩]
- so bereits BFH, Urteil vom 12.12.1952 – III 47/51 S, BFHE 57, 157, BStBl III 1953, 62; Bruschke in Stenger/Loose, Bewertungsrecht, § 22 BewG Rz 149[↩]
- ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH, Urteile vom 15.12.1999 – I R 29/97, BFHE 190, 446, BStBl II 2000, 527, unter B.II. 1.b, m.w.N.; und vom 12.12.2007 – X R 17/05, BFHE 220, 107, BStBl II 2008, 579, unter II. 2.b bb aaa[↩]
- BFH, Urteile vom 02.05.1984 – VIII R 276/81, BFHE 141, 498, BStBl II 1984, 820, unter II. 2.a; vom 12.09.1991 – III R 233/90, BFHE 166, 49, BStBl II 1992, 182, unter 2.; und vom 12.10.2006 – II R 26/05, BFH/NV 2007, 386, unter II. 2.a aa, jeweils m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil vom 12.04.2000 – X R 20/99, BFH/NV 2001, 9, unter II. 2.e[↩]
- detaillierte Darstellung: Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler -HHSp-, § 39 AO Rz 75, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil in BFH/NV 2007, 386, unter II. 2.a aa, m.w.N.[↩]
- ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH, Urteil in BFHE 220, 107, BStBl II 2008, 579, unter II. 2.b bb aaa, m.w.N.; vgl. Drüen in Tipke/Kruse, § 39 AO Rz 29; Klein/Ratschow, AO, 15. Aufl., § 39 Rz 15; Fu in Gosch, AO, § 39 Rz 51[↩]
- Fischer in HHSp, § 39 AO Rz 103; Halaczinsky in Rössler/Troll, BewG, § 22 Rz 41a[↩]
- Staudinger/Schermaier [2013] § 464 BGB Rz 14[↩]
- vgl. Staudinger/Schermaier [2013] § 464 BGB Rz 18, m.w.N.[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 08.10.1982 – V ZR 147/81, NJW 1983, 682, unter 1.; und vom 05.05.1988 – III ZR 105/87, NJW 1989, 37, unter II. 1.c[↩]
- vgl. Drüen in Tipke/Kruse, § 39 AO Rz 29; Klein/Ratschow, a.a.O., § 39 Rz 15[↩]
- ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH, Urteile vom 11.07.2019 – II R 4/17, BFHE 265, 447, BStBl II 2020, 319, Rz 13; und vom 05.12.2019 – II R 37/18, BFHE 267, 524, BStBl II 2020, 236, Rz 15, jeweils m.w.N.[↩]