Grundsteuer – Wertverzerrungen bei der Einheitsbewertung

Ein Grundsteuererlass ist nicht wegen Wertverzerrungen bei der Einheitsbewertung geboten.

Grundsteuer – Wertverzerrungen bei der Einheitsbewertung

Die Entscheidung über den Erlass von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis nach § 227 AO ist eine Ermessensentscheidung der Behörde. Sachlich unbillig ist die Geltendmachung eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis vor allem dann, wenn sie im Einzelfall zwar dem Wortlaut einer Vorschrift entspricht, aber nach dem Zweck des zugrunde liegenden Gesetzes nicht zu rechtfertigen ist und dessen Wertungen zuwiderläuft. Bei der Prüfung der sachlichen Unbilligkeit müssen grundsätzlich solche Erwägungen unbeachtet bleiben, die der gesetzliche Tatbestand typischerweise mit sich bringt. Die Billigkeitsprüfung darf nicht dazu führen, die generelle Geltungsanordnung des den Steueranspruch begründenden Gesetzes zu unterlaufen. Andererseits darf sich eine Billigkeitsprüfung nicht in Überlegungen zur richtigen Rechtsanwendung erschöpfen1. Ein Erlass aus sachlichen Gründen kommt danach in Betracht, wenn die Einziehung der Steuer zwar dem Gesetz entspricht, aber infolge eines Gesetzesüberhangs den Wertungen des Gesetzgebers derart zuwiderläuft, dass sie unbillig erscheint2.

Aus den lange zurückliegenden Hauptfeststellungszeitpunkten des 1.01.1964 bzw. im Beitrittsgebiet des 1.01.1935 ergeben sich bei der Einheitsbewertung Wertverzerrungen. Diese Wertverzerrungen, die der Gesetzgeber durch die langen Hauptfeststellungszeiträume in Kauf genommen hat, sind nach der Rechtsprechung des BFH jedenfalls für Bewertungsstichtage bis zum 1.01.2007 hinzunehmen3.

Ein Anspruch auf teilweisen Erlass der Grundsteuer aus sachlichen Billigkeitsgründen kann aus den Wertverzerrungen ebenfalls nicht abgeleitet werden. Es handelt sich dabei um Umstände, die die gesetzlichen Regelungen typischerweise mit sich bringen, die den Wertungen des Gesetzgebers nicht zuwiderlaufen und jedenfalls für den genannten Zeitraum hinzunehmen sind.

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Dies gilt auch, soweit die Anwendbarkeit der bewertungsrechtlichen Vorschriften für das Beitrittsgebiet einschließlich der Anknüpfung an die am 1.01.1935 bestehenden Wertverhältnisse (§§ 129 bis 133 BewG) in dem zu diesem Gebiet gehörenden Teil von Berlin und die Maßgeblichkeit der Wertverhältnisse zum 1.01.1964 im übrigen Bundesgebiet einschließlich des ehemaligen Westberlin (Art. 2 des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung bewertungsrechtlicher Vorschriften und des Einkommensteuergesetzes vom 22.07.19704) bei vergleichbaren Grundstücken in Berlin zu unterschiedlich hohen Einheitswerten führen. Solche Wertunterschiede bringen die unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen für die Einheitsbewertung typischerweise mit sich; sie können daher einen Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen nicht rechtfertigen. Aus Gründen der Typisierung, die zur Gewährleistung eines praktikablen Verwaltungsvollzugs unabdingbar ist, kommt es dabei nicht auf den Umfang der Wertunterschiede an.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 7. Februar 2013 – II B 109/12

  1. BFH, Urteile vom 11.07.1996 – V R 18/95, BFHE 180, 524, BStBl II 1997, 259; und vom 26.08.2010 – III R 80/07, BFH/NV 2011, 401, Rz 17[]
  2. BFH, Urteile vom 04.02.2010 – II R 25/08, BFHE 228, 130, BStBl II 2010, 663; und vom 28.03.2012 – II R 42/11, BFH/NV 2012, 1486, Rz 33[]
  3. BFH, Urteile vom 30.06.2010 – II R 60/08, BFHE 230, 78, BStBl II 2010, 897; und vom 30.06.2010 – II R 12/09, BFHE 230, 93, BStBl II 2011, 48[]
  4. BGBl I 1970, 1118; vgl. dazu BFH, Urteil vom 02.02.2005 – II R 36/03, BFHE 209, 138, BStBl II 2005, 428[]
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