Bauschäden erheblichen Umfangs, die zu einer vorübergehenden Unbenutzbarkeit eines Grundstücks führen, rechtfertigen nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Göttingen keinen Grundsteuererlass.

Nach § 33 Abs. 5 GrStG entgegensteht. Nach dieser Vorschrift ist eine Ertragsminderung kein Erlassgrund, wenn sie für den Erlasszeitraum durch Fortschreibung des Einheitswerts berücksichtigt werden kann oder bei rechtzeitiger Stellung des Antrags auf Fortbeschreibung hätte berücksichtigt werden können. Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift liegen vor. Der Wortlaut des § 33 Abs. 5 GrStG ist insofern ungenau, als eine Ertragsminderung zwar ein Erlassgrund ist, niemals aber unmittelbar auch zu einer Wertfortschreibung führen kann, denn die spätere Mietentwicklung ist für die Einheitsbewertung ohne Bedeutung. Allenfalls, und so auch hier, kann eine Beeinträchtigung oder der Wegfall von Bausubstanz sowohl Grund für eine Wertfortschreibung als auch Grund für eine Mietminderung sein1. Zeigen sich Bauschäden und Baumängel, die im bisherigen Einheitswert noch nicht berücksichtigt wurden, so kann das Grund für eine Wertfortschreibung sein. Behebbare Baumängel können im Ertragswertverfahren nach § 82 Abs. 1 Nr. 2 Bewertungsgesetz –BewG- bzw. im Sachwertverfahren nach § 87 BewG berücksichtigt werden. Nicht behebbare Baumängel werden berücksichtigt, indem von einer kürzeren Lebensdauer des Gebäudes ausgegangen wird2. Ertragsminderungen, die ihre Ursache in der Beschaffenheit eines Grundstücks haben, führen also nicht zur Anwendbarkeit des § 33 GrStG; ihnen muss vielmehr auf der Bewertungsebene Rechnung getragen werden3.
In dem vorliegend entschiedenen Fall war das streitbefangene Objekt, eine ehemalige Kurklinik, in all ihren Gebäudeteilen durch einen Frostschaden erheblich geschädigt. Da die Schädigung die Heizungsanlage und die Wasserversorgung des Gebäudes betrifft, ist sie allumfassend. Darüber hinaus handelte es sich nicht um einen Bagatellschaden handelt, bei dem von vornherein ausgeschlossen erscheint, dass er den Einheitswert beeinflusst. Allein die Schadenssumme, die von der Öffentlichen Versicherung und deren Sachverständigen festgestellt worden ist, erreicht mit 1, 5 Millionen einen Umfang, der nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes Berücksichtigung bei der Bewertung des Grundstückswertes finden muss. Eine Wertfortschreibung im Sinne von § 22 Abs. 1 BewG liegt daher nahe. Dies umso mehr, als der festgestellte Schaden voraussichtlich einen noch viel höheren Umfang erreichen wird und möglicherweise sogar die 3-Millionen-Euro-Grenze übersteigen wird.
Hiergegen wendet der Grundstückseigentümer zu Unrecht ein, er habe eine derartige Fortschreibung nicht beantragen können, weil ihm die hierfür erforderlichen tatsächlichen Angaben für das Finanzamt nicht zur Verfügung gestanden hätten und er auch keine konkrete Angabe zum Umfang des Schadens habe machen können. Gemäß § 22 Abs. 4 BewG ist eine Fortschreibung vorzunehmen, wenn dem Finanzamt bekannt wird, dass die Voraussetzungen für sie vorliegen. Hieraus folgt, dass es eines expliziten Antrags auf Wertfortschreibung nicht bedarf; der Grundstückseigentümer muss lediglich Tatsachen bekannt geben, die eine Fortschreibung rechtfertigen könnten; hierzu hätte schon der bekannte Schadensumfang ausgereicht. Es wäre gemäß § 88 AO sodann Aufgabe der Finanzbehörde gewesen, den Sachverhalt im Einzelnen von Amts wegen zu ermitteln.
Selbst wenn bezogen auf die Vergangenheit konkrete Angaben zur Art und vor allem zum Umfang des Schadens nicht gemacht werden konnten, so ist dem Grundstückseigentümer auch heute der Weg zu einer Wertfortschreibung nach § 22 BewG nicht versperrt. Gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Da die durchgeführte Beweisaufnahme ergeben hat, dass der tatsächliche Schadensumfang erst nach und nach feststellbar war und diese Feststellung erst in der Gegenwart abgeschlossen sein wird und ebenso feststeht, dass den Grundstückseigentümer hieran eine persönliche Schuld nicht trifft, dürften die Voraussetzungen für eine Aufhebung des Grundsteuermessbescheides wegen Vorliegens neuer Tatsachen ohne weiteres vorliegen. Damit steht fest, dass die vorhandene Ertragsminderung für den Erlasszeitraum 2011 bis 2012 durch Fortschreibung des Einheitswertes berücksichtigt werden kann oder jedenfalls bei rechtzeitiger Stellung des Antrags auf Fortschreibung, bzw. Bekanntgabe der Fortschreibungstatsachen hätte berücksichtigt werden können.
Verwaltungsgericht Göttingen, Urteil vom 18. März 2014 – 2 A 308/13