Der Bundesfinanzhof beurteilt die rückwirkende Neuregelung der Besteuerung von Wohnmobilen über 2,8 t durch das Dritte Kraftfahrzeugsteueränderungsgesetz als verfassungsgemäß.

Durch das Dritte Kraftfahrzeugsteueränderungsgesetz vom 21. Dezember 2006 hat der Gesetzgeber die Besteuerung von Wohnmobilen mit Rückwirkung auf den 1. Januar 2006 neu geregelt. Die rückwirkende Inkraftsetzung dieser Neuregelungen verstößt nach Ansicht des Bundesfinanzhofs nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot. Der Halter eines Wohnmobils, dessen zulässiges Gesamtgewicht mehr als 2,8 t betrug, hatte sich gegen die Zulässigkeit dieser Rückwirkungsanordnung gewandt. Dieses Wohnmobil war bis zum 31. Dezember 2005 als LKW nach dem zulässigen Gesamtgewicht und ab 1. Januar 2006 nach dem nunmehr geltenden neuen Tarif besteuert worden.
Der Bundesfinanzhof hat es ausdrücklich offen gelassen, ob die Rückwirkung der neuen Bestimmungen zur Wohnmobilbesteuerung überhaupt eine belastende Wirkung entfaltet. Aufgrund des mit Ablauf des 30. April 2005 aufgehobenen § 23 Abs. 6a der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung wären Wohnmobile mit einem zulässigen Gesamtgewicht von über 2,8 t ohnehin als PKW zu besteuern gewesen, so der Bundesfinanzhof. Insofern haben die zum 1. Januar 2006 in Kraft getretenen Neuregelungen zu einer Entlastung der Halter von Wohnmobilen geführt. Halter solcher Fahrzeuge waren jedenfalls nicht über den 1. Mai 2005 hinaus in ihrem Vertrauen geschützt, ihre Wohnmobile würden bei der Kraftfahrzeugsteuer weiterhin als LKW behandelt werden.
Die durch das 3. KraftÄndG vom 21. Dezember 2006 mit Rückwirkung auf den 1. Januar 2006 geschaffenen Neuregelungen für die Wohnmobilbesteuerung verstoßen nicht gegen das Rückwirkungsverbot, weil diese ausschließlich begünstigende Wirkung haben.
Die Halter von Wohnmobilen mit einem zulässigen Gesamtgewicht von über 2,8 t konnten über den 1. Mai 2005 hinaus mit der Behandlung ihrer Fahrzeuge als LKW in keinem Falle rechnen. Ein schutzwürdiges Vertrauen in den Fortbestand dieser Rechtslage lag nicht vor.
Die Neuregelungen des 3. KraftStÄndG, wonach sich für Wohnmobile (§ 2 Abs. 2b KraftStG) die Steuer nach der Übergangszeit (§ 18 Abs. 5 KraftStG) ab 1. Januar 2006 gemäß § 8 Nr. 1a i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 2a KraftStG nach Gesamtgewicht und Schadstoffemissionen richtet, sind rückwirkend zum 1. Mai 2005 in Kraft getreten (Art. 2 des 3. KraftStÄndG). Ausgehend vom Entrichtungszeitraum der Kraftfahrzeugsteuer (§§ 6 und 11 KraftStG) liegt daher eine echte Rückwirkung (Rückbewirkung von Rechtsfolgen) des 3. KraftStÄndG insoweit vor, als auch für alle am Tag der Verkündung dieses Gesetzes abgeschlossenen Entrichtungszeiträume eine Neufestsetzung der Kraftfahrzeugsteuer zu erfolgen hatte1. Darüber hinaus erfasst die gesetzliche Neuregelung auch alle nach dem Tag der Verkündung bereits begonnenen und noch nicht abgeschlossenen Besteuerungssachverhalte, so dass auch insoweit eine sogenannte unechte Rückwirkung (tatbestandliche Rückanknüpfung) vorliegt.
Es bedarf keiner abschließenden Entscheidung, ob es sich bei dieser rückwirkenden Inkraftsetzung um eine (echte bzw. unechte) Rückwirkung mit belastender Wirkung handelt. Nur in diesem Fall wären die für die Rückwirkung von Gesetzen mit belastender Wirkung geltenden Grundsätze anzuwenden. Rückwirkende Gesetze mit nur begünstigender Wirkung sind hingegen grundsätzlich unbegrenzt zulässig2.
Die durch das 3. KraftStÄndG geschaffenen Neuregelungen für die Wohnmobilbesteuerung haben ausschließlich begünstigende Wirkung. Ohne diese Vorschriften wären Wohnmobile als PKW zu besteuern gewesen. Diese Steuer wäre höher ausgefallen als diejenige, die sich für Wohnmobile aufgrund der durch das 3. KraftStÄndG eingefügten Vorschriften zur Wohnmobilbesteuerung ergibt.
Bis zum Ablauf des 30. April 2005 war weder im KraftStG noch in verkehrsrechtlichen Vorschriften eine Regelung dazu getroffen, wie als Wohnmobile genutzte Fahrzeuge –d.h. Fahrzeuge, die nach Bauart und Zweck geeignet und bestimmt sind, Personen nicht nur zu befördern, sondern ihnen auch das (vorübergehende) Wohnen im Fahrzeug und damit eine besondere Art des Reisens zu ermöglichen– kraftfahrzeugsteuerrechtlich einzustufen waren. Diese Gesetzeslücke hat der Bundesfinanzhof, ausgehend von der Einstufung von Wohnmobilen als PKW, im Wege der Analogie dahingehend geschlossen, dass die kraftfahrzeugsteuerrechtliche Behandlung dieser Fahrzeuge entsprechend der für sog. Kombinationskraftwagen geltenden Regelung des § 23 Abs. 6a StVZO bzw. der entsprechenden Vorgängernormen erfolgte3. Wohnmobile mit einem zulässigen Gesamtgewicht bis 2,8 t, die außer dem Führersitz Plätze für nicht mehr als acht Personen hatten, waren kraftfahrzeugsteuerrechtlich als PKW zu beurteilen4. Wohnmobile mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 2,8 t waren hingegen wie LKW zu behandeln und als anderes Fahrzeug i.S. des § 8 Nr. 2 KraftStG zu besteuern5.
Mit der ersatzlosen Aufhebung des § 23 Abs. 6a StVZO war die Grundlage dafür entfallen, Wohnmobile mit einem zulässigen Gesamtgewicht von über 2,8 t kraftfahrzeugsteuerrechtlich entsprechend dieser verkehrsrechtlichen Regelung als LKW zu behandeln. Ab 1. Mai 2005 galt daher –zunächst– auch für diese Fahrzeuge der von der Rechtsprechung des BFH entwickelte Grundsatz, dass anhand von Bauart und Einrichtung des Kfz zu beurteilen ist, ob ein PKW oder ein LKW vorliegt6. Demgemäß waren alle Wohnmobile entsprechend der unter der Geltung des § 23 Abs. 6a StVZO ergangenen Rechtsprechung ab 1. Mai 2005 als PKW zu besteuern. Von dieser Rechtslage ist auch die Besteuerungspraxis7 ausgegangen. Die Neuregelung der Wohnmobilbesteuerung durch das 3. KraftStÄndG hat daher –im Vergleich zu der für PKW geltenden Hubraumbesteuerung– nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers8 aufgrund der Besteuerung nach zulässigem Gesamtgewicht und zusätzlich nach den Schadstoffemissionen eine Entlastung der Halter von Wohnmobilen bewirkt.
Selbst wenn man der Einschätzung, mit der Aufhebung des § 23 Abs. 6a StVZO seien alle Wohnmobile, also auch diejenigen mit einem zulässigen Gesamtgewicht von über 2,8 t als PKW zu besteuern gewesen, nicht folgen würde, enthalten die Vorschriften des 3. KraftStÄndG keine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung. Denn das Rückwirkungsverbot tritt insbesondere dann zurück, wenn sich kein schützenswertes Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte9. Davon ist auszugehen, wenn der Betroffene schon im Zeitpunkt, auf den die Rückwirkung bezogen war, nicht mit dem Fortbestand der Regelung rechnen durfte10. Lediglich aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip können sich Grenzen der Zulässigkeit ergeben. Diese sind erst überschritten, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen11.
Die Halter von Wohnmobilen mit einem zulässigen Gesamtgewicht von über 2,8 t konnten über den 1. Mai 2005 hinaus mit der Behandlung ihrer Fahrzeuge als LKW in keinem Falle rechnen. Ein schutzwürdiges Vertrauen in den Fortbestand dieser Rechtslage lag entgegen der Auffassung des Klägers nicht vor. Denn nach der rechtlichen Lage in dem Zeitpunkt, auf den der Eintritt der nachteiligen Rechtsfolge vom Gesetz zurückbezogen wird, musste mit einer entsprechenden Neuregelung gerechnet werden12. Denn nach der Aufhebung des § 23 Abs. 6a StVZO bedurfte es offensichtlich einer gesetzlichen Neuregelung der Wohnmobilbesteuerung. Mit der Aufhebung des § 23 Abs. 6a StVZO war nämlich die Grundlage dafür entfallen, diese Bestimmung zur Ausfüllung der für diese Fahrzeuge bestehenden kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Gesetzeslücke heranzuziehen. Schon in dem Gesetzesantrag des Landes Nordrhein-Westfalen vom 13. April 200513 wurde unter Hinweis auf den Wegfall des § 23 Abs. 6a StVZO auch für Wohnmobile auf die Notwendigkeit hingewiesen, die Besteuerung dieser Fahrzeuge „sachgerecht anzupassen“.
Zudem waren die steuerlichen Folgen der Aufhebung des § 23 Abs. 6a StVZO für die im Gesetz genannten Fahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht über 2,8 t seit Verkündung der Verordnung zur Änderung der StVZO im November 2004 allgemein bekannt14. Die im Verlauf des Gesetzgebungsverfahren des 3. KraftStÄndG geäußerten und für die Beschlussfassung dieses Gesetzes nicht maßgeblichen Rechtsauffassungen sowie das vom objektiven Aussagegehalt der BFH-Urteile15 abweichende Rechtsverständnis des Klägers begründen keine hinreichende Vertrauensgrundlage in den Fortbestand der bisherigen Rechtslage.
Es bestehen auch keine sonstigen Anhaltspunkte dafür, dass das Interesse der Halter von Wohnmobilen an einer Fortgeltung der Besteuerung nach Maßgabe des § 8 Nr. 2 KraftStG die Gründe für die Neuregelung der Wohnmobilbesteuerung durch das 3. KraftStÄndG überwogen haben könnte. Einem Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot steht insbesondere entgegen, dass die rückwirkende Neuregelung der Wohnmobilbesteuerung aufgrund der durch § 18 Abs. 5 KraftStG geschaffenen Übergangsregelung für die Zeit vom 1. Mai 2005 bis zum 31. Dezember 2005 in differenzierter Weise erfolgte. Die Steuerpflichtigen wurden damit, dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügend, schrittweise an die ab 1. Januar 2006 maßgebliche Besteuerung der Wohnmobile nach Gesamtgewicht und Schadstoffemissionen herangeführt.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 24. Februar 2010 – II R 44/09
- Roth, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht 2007, 313; insoweit unklar Zens, NWB Fach 8 S. 1551, 1560[↩]
- vgl. nur Robbers in: Dolzer/Vogel/Graßhof (Hg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 Rz 2372[↩]
- BFH, Urteile vom 22.06.1983 – II R 64/82, BFHE 138, 493, BStBl II 1983, 747; vom 28.07.1992 – VII R 118/91, BFHE 169, 468, BStBl II 1993, 250[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 169, 468, BStBl II 1993, 250[↩]
- BFH, Urteil vom 01.02.1984 – II R 144/81, BFHE 140, 474, BStBl II 1984, 461[↩]
- BFH, Urteil vom 09.04.2008 – II R 62/07, BFHE 221, 252, BStBl II 2008, 691, m.w.N.[↩]
- vgl. z.B. Finanzministerium Hessen, Erlass vom 17.03.2005 – S 6104 A-1- St III 3.07, Steuer-Eildienst 2005, 285 ff.[↩]
- vgl. Bundesratsentwurf eines Gesetzes zur Änderung kraftfahrzeugsteuerlicher Vorschriften auch hinsichtlich der Wohnmobilbesteuerung, BR-Drs. 229/05; Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, BT-Drs. 16/3314[↩]
- BVerfG, Beschluss vom 23.11.1999 – 1 BvF 1/94, BVerfGE 101, 239, 263[↩]
- BVerfG, Beschluss vom 15.10.1996 – 1 BvL 44/92 und 1 BvL 48/92, BVerfGE 95, 64, 86 f.[↩]
- vgl. BVerfG, Beschluss in BVerfGE 101, 239, 263, m.w.N., ständige Rechtsprechung[↩]
- BVerfG, Beschluss vom 10.03.1971 – 2 BvL 3/68, BVerfGE 30, 272, 286, m.w.N.[↩]
- BR-Drs. 229/05[↩]
- vgl. die Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung kraftfahrzeugsteuerlicher Vorschriften auch hinsichtlich der Wohnmobilbesteuerung, BT-Drs. 16/519, 8[↩]
- in BFHE 138, 493, BStBl II 1983, 747, und in BFHE 140, 474, BStBl II 1984, 461[↩]