Das Prüfungs- und Zeugnisrecht einer staatlich anerkannten Ersatzschule ist öffentlich-rechtlicher Natur. Geht mit der Trägerschaft an einer staatlich anerkannten Ersatzschule auch das Prüfungs- und Zeugnisrecht über, handelt es sich um den Übergang öffentlich-rechtlicher Aufgaben i.S. des § 4 Nr. 1 GrEStG.

Nach § 4 Nr. 1 GrEStG ist von der Besteuerung ausgenommen der Erwerb eines Grundstücks durch eine juristische Person öffentlichen Rechts, wenn das Grundstück aus Anlass des Übergangs von öffentlich-rechtlichen Aufgaben oder aus Anlass von Grenzänderungen von der einen auf die andere juristische Person übergeht und nicht überwiegend einem Betrieb gewerblicher Art dient. Es ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig, dass E und die Klägerin als Veräußerer und Erwerber juristische Personen des öffentlichen Rechts sind1 und dass die Grundstücke und das Erbbaurecht nicht überwiegend einem Betrieb gewerblicher Art dienen.
Der Erwerb erfolgte aber auch aus Anlass des Übergangs von öffentlich-rechtlichen Aufgaben. Ein solcher Übergang liegt vor, wenn die übernehmende juristische Person des öffentlichen Rechts eben die Funktionen wahrnimmt, welche bisher die übergebende juristische Person wahrgenommen hat2.
Es bedarf im Streitfall keiner abschließenden Entscheidung, inwieweit das Merkmal „öffentlich-rechtliche Aufgabe“ in weitem Verständnis auch Aufgaben umfassen kann, die zwar zum öffentlichen Aufgabenspektrum des Staates gehören, aber auch in privatrechtlichem Rechtskleid erfüllt werden können. Seit jeher gehört jedenfalls die hoheitliche Tätigkeit zu den öffentlich-rechtlichen Aufgaben i.S. des früheren § 4 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG 19403 und des heutigen § 4 Nr. 1 GrEStG4. Diese liegt vor, wenn die Beteiligten zueinander in einem hoheitlichen Verhältnis der Über- und Unterordnung stehen und sich der Träger hoheitlicher Gewalt der besonderen Rechtssätze des öffentlichen Rechts bedient5 oder wenn die das Rechtsverhältnis beherrschenden Rechtsnormen überwiegend den Interessen der Allgemeinheit dienen, wenn sie sich nur an Hoheitsträger wenden oder wenn der Sachverhalt einem Sonderrecht der Träger öffentlicher Aufgaben unterworfen ist und nicht Rechtssätzen, die für jedermann gelten6.
Die Trägerschaft einer Privatschule, die als staatlich anerkannte Ersatzschule über das Recht verfügt, staatlich anerkannte Prüfungen abzunehmen und Zeugnisse auszustellen, besitzt einen partiell öffentlich-rechtlichen Charakter in diesem Sinne.
Zwar ist dem Finanzamt insoweit zuzustimmen, als die Errichtung von privaten Schulen sich zunächst als Ausübung eines verfassungsrechtlich verbürgten Rechts aus Art. 7 Abs. 4 GG und als Institutsgarantie für die privaten Schulen im Gegensatz zu einem staatlichen Schulmonopol darstellt7.
Es besteht jedoch keine Staatsfreiheit. Zum einen steht das gesamte Schulwesen nach Art. 7 Abs. 1 GG unter der Aufsicht des Staates. Zum anderen bedürfen private Schulen als Ersatz für öffentliche Schulen der Genehmigung des Staates und unterstehen den Landesgesetzen (Art. 7 Abs. 4 Sätze 2 bis 4 GG). Ersatzschulen sind Privatschulen, die nach dem mit ihrer Errichtung verfolgten Gesamtzweck als Ersatz für eine in dem Land vorhandene oder grundsätzlich vorgesehene öffentliche Schule dienen sollen8. Auf Landesebene bestehen ähnliche Regelungen (Art. 23, 26 der Verfassung des Freistaats Thüringen).
Die Befugnisse, mit öffentlich-rechtlicher Außenwirkung den Bildungsgrad der Schüler festzustellen, öffentlich-rechtliche Zugangsberechtigungen zu vermitteln oder Berechtigungen zur Führung einer Berufsbezeichnung zu erteilen, sind hoheitliche Funktionen, die im Wege der Beleihung übertragen werden müssen9. Eine verbliebene staatliche Aufsicht ändert hieran nichts. Diese Befugnisse ergeben sich allerdings nicht bereits aus dem Recht aus Art. 7 Abs. 4 Satz 2 GG, eine Ersatzschule zu betreiben, sondern sind gesondert zu verleihen. Einzelheiten hat der Landesgesetzgeber zu regeln10. Dies ist für den Freistaat Thüringen in Gestalt des Thüringer Schulgesetzes (ThürSchulG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 30.04.200311 sowie des Thüringer Gesetzes über Schulen in freier Trägerschaft (ThürSchfTG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 05.03.2003, zuletzt geändert durch Gesetz vom 08.07.200912 geschehen.
Nach Thüringer Landesrecht ist für die staatlich anerkannten Ersatzschulen das Prüfungs- und Zeugnisrecht verliehen, das dem Schulträger zuzurechnen ist.
Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 ThürSchulG sind die Schulen des Freistaats Thüringen staatliche Schulen oder Schulen in freier Trägerschaft. Während erstere gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 ThürSchulG nicht rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts sind, werden Schulen in freier Trägerschaft gemäß § 13 Abs. 1 Satz 3 ThürSchulG i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 ThürSchfTG von natürlichen Personen oder juristischen Personen des privaten oder des öffentlichen Rechts (außer Gebietskörperschaften des öffentlichen Rechts) errichtet und betrieben. Das bedeutet, dass die Schule selbst nicht ihr eigener Rechtsträger ist.
Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 ThürSchfTG sind Ersatzschulen solche Schulen in freier Trägerschaft, die in ihren Bildungs- und Erziehungszielen den staatlichen Schulen entsprechen, die in Thüringen bestehen oder grundsätzlich vorgesehen sind. Sie bedürfen nach § 4 Abs. 2 ThürSchfTG der Genehmigung. Diese verleiht der Schule nicht nur gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 ThürSchfTG das Recht, Schüler zur Erfüllung ihrer Schulpflicht aufzunehmen. Bietet sie außerdem die Gewähr dafür, dauernd die Genehmigungsvoraussetzungen zu erfüllen, kann ihr nach § 10 Abs. 1 Satz 1 ThürSchfTG auf Antrag die Eigenschaft einer staatlich anerkannten Ersatzschule verliehen werden. Mit der Anerkennung erhält nach § 10 Abs. 3 ThürSchfTG die Ersatzschule das Recht, nach den für die entsprechenden staatlichen Schulen geltenden Vorschriften und unter einem durch das staatliche Schulamt bestellten Vorsitzenden der Prüfungskommission Prüfungen abzuhalten und Zeugnisse zu erteilen, die die gleichen Berechtigungen verleihen wie die der staatlichen Schulen. Dieses Recht ist jedenfalls im vorliegenden Kontext mangels Rechtsträgereigenschaft der Schule trotz der schulbezogenen Formulierung des § 10 ThürSchfTG dem Schulträger zuzurechnen. Folgerichtig erlischt nach § 6 Abs. 3 ThürSchfTG die Genehmigung der Ersatzschule im Falle des Trägerwechsels, wenn nicht der Trägerwechsel zuvor ausdrücklich genehmigt wurde.
Nach diesen Maßstäben sind die Grundstücke in dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall aus Anlass des Übergangs von öffentlich-rechtlichen Aufgaben von der einen auf die andere juristische Person übergegangen. Die Grundstücksgeschäfte beruhten auf dem durchgeführten Übergang der Schulträgerschaft und dem damit verbundenen Übergang des mit hoheitlichem Charakter ausgestatteten Prüfungs- und Zeugnisrechts.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 27. November 2019 – II R 40/16
- zu dem Erfordernis der juristischen Person des öffentlichen Rechts auf beiden Seiten des Erwerbsgeschäfts vgl. BFH, Urteil vom 09.11.2016 – II R 12/15, BFHE 255, 540, BStBl II 2017, 211[↩]
- BFH, Urteil vom 01.09.2011 – II R 16/10, BFHE 235, 182, BStBl II 2012, 148, Rz 12[↩]
- RGBl I 1940, 585[↩]
- dazu im Einzelnen BFH, Urteil in BFHE 255, 540, BStBl II 2017, 211, Rz 19[↩]
- GmS-OBG, Beschluss vom 29.12.1987 – GmS-OGB 1/86, BGHZ 102, 280, unter III. 1.[↩]
- GmS-OBG, Beschluss vom 10.07.1989 – GmS-OGB 1/88, BGHZ 108, 284, unter 3.[↩]
- vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 14.11.1969 – 1 BvL 24/64, BVerfGE 27, 195, unter D.I. 1.[↩]
- BVerfG, Beschluss in BVerfGE 27, 195, unter D.I. 2.a[↩]
- vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 18.10.1963 – VII C 45.62, BVerwGE 17, 41; BFH, Urteil vom 16.05.1975 – III R 54/74, BFHE 116, 176, BStBl II 1975, 746, unter 5.a der Entscheidungsgründe[↩]
- BVerfG, Beschluss in BVerfGE 27, 195, unter D.I. 2.a, b, 3.[↩]
- GVBl 2003, 238[↩]
- GVBl 2009, 592[↩]