Korrektur eines Einheitswertbescheids nach Ablauf der Feststellungsfrist

Ein Einheitswertbescheid kann gemäß § 181 Abs. 5 AO nach Ablauf der Feststellungsfrist insoweit erlassen oder korrigiert werden, als die Festsetzungsfrist für die Grundsteuer noch nicht abgelaufen ist. § 25 BewG ermöglicht nicht nur die Nachholung erstmaliger gesonderter Feststellungen mit Wirkung auf einen späteren Feststellungszeitpunkt, sondern auch die Berichtigung, Änderung und Aufhebung solcher Feststellungen.

Korrektur eines Einheitswertbescheids nach Ablauf der Feststellungsfrist

Dies entschied jetzt der Bundesfinanzhof in einem Fall, in dem dem Finanzamt beim Erlass des Einheitswertbescheids eine offenbare Unrichtigkeit (§ 129 AO) unterlaufen ist, indem es eine Grundstücksfläche von 2 280 qm anstatt 228 qm zugrunde gelegt hat, das Finanzamt eine Änderung jedoch mit der Begründung ablehnte, die Feststellungsfrist für den Einheitswert sei bereits abgelaufen.

Zu Unrecht, wie jetzt der Bundesfinanzhof entschied: Im Zeitpunkt der Antragstellung im Jahre 2004 war die –auch für die Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten zu beachtende (§ 169 Abs. 1 Satz 2 AO)– Frist für die Korrektur der gesonderten Feststellung des Einheitswerts bereits abgelaufen. Sie begann mit Ablauf des Kalenderjahres, auf dessen Beginn die Nachfeststellung vorzunehmen ist (§ 181 Abs. 3 Satz 1 AO i.V.m. § 23 Abs. 2 Satz 2 BewG) und endete nach vier Jahren (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO)..

Der Einheitswertbescheid kann jedoch auch dann noch berichtigt werden, wenn die Festsetzungsfrist für die Grundsteuer (wie im vom BFH entschiedenen Fall für die Jahre 2000 bis 2003) noch nicht abgelaufen ist.

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Nach § 181 Abs. 5 Satz 1 AO kann eine gesonderte Feststellung auch nach Ablauf der für sie geltenden Feststellungsfrist insoweit erfolgen, als die gesonderte Feststellung für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung ist, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist; hierbei bleibt § 171 Abs. 10 AO außer Betracht. Die Vorschrift trägt dem Umstand Rechnung, dass die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nur eine Vorstufe der Steuerfestsetzung ist, d.h. nur eine dienende Funktion hat. Aus der Technik der getrennten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen sollen dem Steuerpflichtigen keine Nachteile, aber auch keine Vorteile entstehen1. Die Vorschrift gilt nicht nur für den erstmaligen Erlass, sondern ihrem Sinn und Zweck entsprechend auch für die Änderung oder Berichtigung von Feststellungsbescheiden2.

Das Verfahren zur Festsetzung der Grundsteuer vollzieht sich in drei Stufen3. Auf der ersten Stufe stellt das Finanzamt im Einheitswertbescheid den Einheitswert für die wirtschaftliche Einheit des Grundbesitzes fest (§ 180 Abs. 1 Nr. 1 AO, § 19 Abs. 1 BewG). Auf der zweiten Stufe setzt das Finanzamt im Grundsteuermessbescheid den Steuermessbetrag durch Multiplikation der Steuermesszahl mit dem Einheitswert fest (§ 184 Abs. 1 AO, § 13 Abs. 1 GrStG). Auf der dritten Stufe schließlich setzt die Gemeinde die Grundsteuer fest, wobei sie den Grundsteuermessbetrag mit ihrem Hebesatz multipliziert (§ 27 Abs. 1 GrStG).

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Im Verhältnis von Einheitswertbescheid und Grundsteuermessbescheid ist § 181 Abs. 5 Satz 1 AO mit der Maßgabe anwendbar, dass anstelle der „Steuerfestsetzung“ die „Messbetragsfestsetzung“ auf der zweiten Stufe tritt, so dass es auf den Ablauf der Festsetzungsfrist für die zweite Stufe ankommt4. Denn nach § 184 Abs. 1 Satz 3 AO gelten für die Festsetzung von Steuermessbeträgen die Vorschriften über die Durchführung der Besteuerung sinngemäß. Die Feststellung des Einheitswerts auf der ersten Stufe hat für die Festsetzung des Grundsteuermessbetrags auf der zweiten Stufe die gleiche dienende Funktion wie bei einem einfachen Feststellungsverfahren die Feststellung für die Steuerfestsetzung.

Eine Berichtigung des Einheitswertbescheids auf der ersten Stufe ist aber nach § 181 Abs. 5 Satz 1 AO auch zulässig, wenn die Festsetzung der Grundsteuer auf der dritten Stufe noch möglich ist. Zwar ist der Einheitswertbescheid Grundlagenbescheid nur für den Grundsteuermessbescheid, letzterer wiederum alleiniger Grundlagenbescheid für den Grundsteuerbescheid5 und damit der Einheitswertbescheid kein Grundlagenbescheid für den Grundsteuerbescheid.

Die dienende Funktion sowohl der Feststellung des Einheitswerts als auch der Festsetzung des Grundsteuermessbetrags letztlich für die Grundsteuerfestsetzung rechtfertigt aber eine entsprechende Anwendung des § 181 Abs. 5 Satz 1 AO. Dem Steuerpflichtigen sollen aus der Technik der getrennten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen keine Nachteile entstehen. Der Steuerpflichtige wäre aber durch die Auftrennung des Verfahrens zur Festsetzung der Grundsteuer in drei Stufen benachteiligt. Hätte der Gesetzgeber nämlich ein bloß zweistufiges Verfahren vorgesehen, könnte der Feststellungsbescheid, der dann sowohl den Einheitswert als auch den Grundsteuermessbetrag enthielte, korrigiert werden, solange die Festsetzung der Grundsteuer möglich ist.

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Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 BewG kann u.a. eine Nachfeststellung nach Ablauf der Feststellungsfrist unter Zugrundelegung der Verhältnisse vom Nachfeststellungszeitpunkt mit Wirkung für einen späteren Feststellungszeitpunkt vorgenommen werden, für den diese Frist noch nicht abgelaufen ist. § 181 Abs. 5 AO bleibt unberührt (§ 25 Abs. 1 Satz 2 BewG). Der Anwendungsbereich des § 25 BewG umfasst nicht nur die erstmalige Nachfeststellung des Einheitswerts, sondern gleichermaßen die Änderung und Berichtigung einschließlich der Aufhebung (vgl. §§ 129, 172 ff. AO) von Nachfeststellungsbescheiden6.

Die Berichtigung des Einheitswertbescheids mit Wirkung auf den 1. Januar 2000 kann ohne den Rückgriff auf § 25 BewG nicht erreicht werden. Die Korrekturvorschriften der AO sehen für sich genommen die Rechtsfolge, einen Bescheid mit Wirkung für einen späteren Zeitpunkt zu ändern, nicht vor. Denn sie ermöglichen lediglich die Fehlerbeseitigung, nicht aber eine Änderung der übrigen im Bescheid getroffenen Regelungen wie etwa des Feststellungszeitpunkts 1. Januar 1998. Die entsprechende Anwendung des § 25 BewG erlaubt es jedoch, die Berichtigung des Einheitswertbescheids mit Wirkung für einen späteren Feststellungszeitpunkt insoweit vorzunehmen, als die Festsetzungsfrist für den Grundsteuermessbetrag oder die Grundsteuer noch nicht abgelaufen ist (Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 181 Abs. 5 Satz 1 AO).

Im Streitfall war zum Zeitpunkt des von den Klägern gestellten Antrags auf Änderung des Einheitswertbescheids am 27. September 2004 die Festsetzungsfrist für die Grundsteuer der Jahre 2000 bis 2003 noch nicht abgelaufen. Diese beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, zu dessen Beginn die Grundsteuer entsteht (§ 170 Abs. 1 AO i.V.m. § 9 Abs. 2 GrStG), und endet nach vier Jahren (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO). Somit begann die Festsetzungsfrist für die Grundsteuer 2000 mit Ablauf des Jahres 2000 und endete mit Ablauf des Jahres 2004. Die Festsetzungsfrist für die Grundsteuer 2001 bis 2003 endete jeweils ein Jahr später. Das Finanzamt wird im Berichtigungsbescheid darauf hinzuweisen haben, dass die getroffene Feststellung für die Festsetzung der Grundsteuer 2000 bis 2003 von Bedeutung ist (§ 181 Abs. 5 Satz 2 AO).

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Bundesfinanzhof, Urteil vom 11. November 2009 – II R 14/08

  1. BFH, Urteile vom 10.12.1992 – IV R 118/90, BFHE 170, 336, BStBl II 1994, 381; vom 13.07.1999 – VIII R 76/97, BFHE 189, 309, BStBl II 1999, 747; und vom 12.06.2002 – XI R 26/01, BFHE 198, 395, BStBl II 2002, 681; BT-Drs. VI/1982, S. 157[]
  2. BFH, Urteile in BFHE 170, 336, BStBl II 1994, 381; vom 31.10.2000 – VIII R 14/00, BFHE 193, 392, BStBl II 2001, 156; und vom 06.07.2005 – XI R 27/04, BFH/NV 2006, 16[]
  3. vgl. BFH, Urteil vom 24.07.1985 – II R 227/82, BFHE 144, 201, BStBl II 1986, 128[]
  4. vgl. FG Köln, Urteil vom 21.11.2001 – 6 K 1134/01, EFG 2002, 1245; zum zweistufigen Feststellungsverfahren: BFH, Urteil in BFHE 189, 309, BStBl II 1999, 747[]
  5. Gürsching/Stenger, Bewertungsrecht, § 19 BewG Rz 108; Troll/ Eisele, Grundsteuergesetz, Kommentar, 9. Aufl. 2006, § 16 Rz 3[]
  6. BFH, Urteil vom 16.10.1991 – II R 23/89, BFHE 166, 168, BStBl II 1992, 454 zum früheren § 21 Abs. 3 BewG i.d.F. des Art. 2 des Vermögensteuerreformgesetzes vom 17. April 1974, BGBl I 1974, 949[]