Kraftfahrzeugsteuer – als Masseverbindlichkeit in der Insolvenz

Die nach Insolvenzeröffnung entstandene Kraftfahrzeugsteuer ist eine Masseverbindlichkeit i.S. von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, wenn das Fahrzeug, für dessen Halten die Kraftfahrzeugsteuer geschuldet wird, Teil der Insolvenzmasse ist1. Ein Fahrzeug, das bereits vor Insolvenzeröffnung untergegangen ist, fällt nicht unter den Insolvenzbeschlag gemäß § 35 Abs. 1 InsO.

Kraftfahrzeugsteuer – als Masseverbindlichkeit in der Insolvenz

Masseverbindlichkeiten sind gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO die Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören.

Im vorliegenden Fall liegt zwar eine nach Insolvenzeröffnung entstandene Verbindlichkeit vor. Denn Steuergegenstand der Kraftfahrzeugsteuer ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG) das Halten von inländischen Fahrzeugen zum Verkehr auf öffentlichen Straßen2. Die Steuerpflicht dauert gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG bei einem inländischen Fahrzeug -auch im Falle der Insolvenz des Halters- so lange an, wie das Fahrzeug zum Verkehr zugelassen ist3.

Die nach der Insolvenzeröffnung entstandene Kraftfahrzeugsteuer ist als Abgabenforderung i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 zweite Tatbestandsalternative InsO den „in anderer Weise“ durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Masse begründeten Verbindlichkeiten aber nur zuzuordnen, soweit sie die Insolvenzmasse betrifft4. Dies ist der Fall, wenn die Abgabenforderung selbst einen Bezug zur Insolvenzmasse aufweist und erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet wurde5. Maßgebend ist daher, ob das Fahrzeug (tatsächlich/körperlich) Teil der Insolvenzmasse ist6.

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Gemäß § 35 Abs. 1 InsO wird das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt, als Insolvenzmasse definiert. Die Insolvenzmasse umfasst die Soll- und die Istmasse. Die Sollmasse stellt die Summe einzelner geldwerter (körperlicher und unkörperlicher) Rechtsgegenstände dar7, die von Rechts wegen vom Insolvenzbeschlag erfasst und den Gläubigern haftungsrechtlich zugewiesen sind8. Die Istmasse umfasst alle Gegenstände, die der Insolvenzverwalter tatsächlich in Besitz nimmt (vgl. §§ 80, 81 InsO – Leithaus in Andres/Leithaus, Insolvenzordnung, 4. Aufl., § 35 Rz 2). Beiden gemeinsam ist das Vermögenswert-Erfordernis. Denn nach dem Sinn und Zweck des § 35 InsO wird den Insolvenzgläubigern nur der Teil des Vermögens des Schuldners zugewiesen, der für dessen Schulden haftet, also Zugriffsobjekt in der Zwangsvollstreckung ist9. Zwar spielt die Verwertbarkeit des Gegenstands für die Feststellung der Massezugehörigkeit keine Rolle10. Dementsprechend können auch wertlose Gegenstände als Vermögensgegenstände zur Insolvenzmasse gehören. Ist der Gegenstand hingegen verbraucht oder veräußert, so ist er dem Gläubigerzugriff -vorbehaltlich der Gläubigeranfechtung- entzogen11. Dasselbe gilt, wenn die Sache vollständig zerstört und nicht mehr existent ist, da sie dann keine Haftungsfunktion mehr erfüllen kann.

Nach diesen Grundsätzen war im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall die Kraftfahrzeugsteuer für das untergegangene Fahrzeug keine Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Das Finanzgericht hatte insoweit aufgrund der vorgelegten Nachweise (Anlageverzeichnis, Schriftverkehr mit der Versicherung, Zahlung der Entschädigungszahlung) festgestellt, dass das Fahrzeug im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bereits völlig zerstört und physisch nicht mehr existent war. Die Bewertung des Sachverhalts durch das Finanzgericht, dass das Fahrzeug aufgrund seiner vollständigen Zerstörung tatsächlich nicht mehr existent sei, ist -wenn auch nicht zwingend- zumindest möglich.

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Die Frage, ob ggf. ein Ersatzanspruch für ein zerstörtes Fahrzeug noch einen ausreichenden Bezug zur Insolvenzmasse begründen kann, konnte der Bundesfinanzhof hier dahinstehen lassen, da im Streitfall der Ersatzanspruch schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch Erfüllung erloschen ist.

Entgegen der Ansicht des Hauptzollamtes kann auch allein die vom Insolvenzverwalter erfolgte tatsächliche Abmeldung des Fahrzeugs eine Massezugehörigkeit nicht bewirken.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 21. März 2019 – III R 30/18

  1. Anschluss an BFH, Urteile vom 13.04.2011 – II R 49/09, BFHE 234, 97, BStBl II 2011, 944; und vom 08.09.2011 – II R 54/10, BFHE 235, 1, BStBl II 2012, 149[]
  2. BFH, Urteil vom 08.09.2011 – II R 54/10, BFHE 235, 1, BStBl II 2012, 149, Rz 13[]
  3. Strodthoff, Kraftfahrzeugsteuergesetz, § 5 Rz 26[]
  4. vgl. allgemein zu Abgabenforderungen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts -BVerwG- vom 16.12 2009 8 C 9/09, Neue Juristische Wochenschrift -NJW- 2010, 2152[]
  5. BVerwG, Urteil in NJW 2010, 2152; BFH, Urteil vom 13.04.2011 – II R 49/09, BFHE 234, 97, BStBl II 2011, 944, Rz 13[]
  6. BFH, Urteile in BFHE 234, 97, BStBl II 2011, 944, Rz 15; in BFHE 235, 1, BStBl II 2012, 149, Rz 14; und vom 01.08.2012 – II R 28/11, BFHE 238, 319, BStBl II 2013, 131, Rz 16[]
  7. Hirte/Praß in Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 15. Aufl., § 35 Rz 1[]
  8. MünchKommInsO/Peters, 3. Aufl., § 35 Rz 19[]
  9. Hirte/Praß in Uhlenbruck, a.a.O., § 35 Rz 13, 7[]
  10. Lüdtke in Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, 7. Aufl., § 35 Rz 12; Windel in Jaeger, Insolvenzordnung, 2007, § 80 Rz 28; Urteil des Bundesgerichtshofs vom 01.02.2007 – IX ZR 178/05, Wertpapier-Mitteilungen 2007, 977, unter III. 3.a bb[]
  11. Henckel in Jaeger, Insolvenzordnung, 2004, § 35 Rz 5[]
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