Der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG ist verwirklicht, wenn das Fahrzeug nach den verkehrsrechtlichen Vorschriften zum Verkehr zugelassen worden ist, unabhängig davon, ob das Fahrzeug auch tatsächlich im Straßenverkehr genutzt wird oder genutzt werden darf. Durch die Zuteilung eines Saisonkennzeichens wird die Befugnis zum Betrieb des Fahrzeugs, nicht dagegen die Geltung der Zulassung zeitlich begrenzt.

Steuergegenstand der Kraftfahrzeugsteuer ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG das Halten von inländischen Fahrzeugen zum Verkehr auf öffentlichen Straßen. Die Merkmale dieses Tatbestandes sind nicht erst dann verwirklicht, wenn mit dem Fahrzeug eine öffentliche Straße tatsächlich befahren wird, sondern schon dann, wenn das Fahrzeug nach den verkehrsrechtlichen Vorschriften über das Zulassungsverfahren für Kraftfahrzeuge (§§ 1 ff. FZV) „zum Verkehr zugelassen“ worden ist1. Denn mit der Zulassung hat der Halter das Recht erlangt, das Fahrzeug „auf öffentlichen Straßen … in Betrieb“ zu setzen (§ 3 Abs. 1 FZV). An dieses Recht knüpft das Gesetz die Steuer. Das ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift („Halten zum …“) und ihrem Zusammenhang mit § 1 Abs. 1 Nr. 4 KraftStG2, wonach –ausnahmsweise– auch die widerrechtliche Benutzung des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen den Steuertatbestand erfüllt.
Die Zulassungsbehörde hat das Fahrzeug ordnungsgemäß zum Straßenverkehr zugelassen. Die Halterin war damit berechtigt, das angemeldete Fahrzeug zum Verkehr auf öffentlichen Straßen i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG zu nutzen. Dies allein ist maßgeblich für die Besteuerung.
Dass der Nutzungszeitraum im Streitfall auf die Kalendermonate Oktober und November des Jahres 2008 beschränkt war, steht der Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG nicht entgegen.
Durch die 23. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 12.11.19963 wurde mit Wirkung ab dem 1.03.1997 das sog. Saisonkennzeichen eingeführt. Nach dem neu eingefügten § 23 Abs. 1b Satz 1 der Straßenverkehrszulassungsordnung a.F. wurde auf Antrag für ein Fahrzeug ein auf einen nach vollen Monaten bemessenen Zeitraum (Betriebszeitraum) befristetes amtliches Kennzeichen zugeteilt, das jedes Jahr in diesem Zeitraum auch wiederholt verwendet werden durfte. Durch die Regelung sollten die Fahrzeughalter von den früher notwendigen Behördengängen und den Kosten für eine vorübergehende Stilllegung des Fahrzeugs und die anschließende Wiederanmeldung entlastet werden4. Seit dem 1.03.2007 ist das Saisonkennzeichen in § 9 Abs. 3 FZV geregelt. Nach § 9 Abs. 3 Satz 5 FZV dürfen Fahrzeuge mit Saisonkennzeichen auf öffentlichen Straßen nur während des angegebenen Betriebszeitraums in Betrieb genommen oder abgestellt werden.
Durch die Zuteilung eines Saisonkennzeichens wird die Befugnis zum Betrieb des Fahrzeugs, nicht dagegen die Geltung der Zulassung zeitlich begrenzt. Ein Fahrzeug mit Saisonkennzeichen ist daher ununterbrochen zugelassen, also auch während des jeweiligen negativen Betriebszeitraums5.
Die Rechtslage ist vergleichbar mit dem zeitlichen Verbot, das für den öffentlichen Straßenverkehr zugelassene Fahrzeug zu nutzen, z.B. aufgrund eines Fahrverbotes für LKW an Sonn- und Feiertagen6 oder aufgrund eines generellen Fahrverbotes für alle Kfz7. In diesen Fällen besteht die Steuerpflicht auch in dem Zeitraum fort, in dem der Fahrzeughalter tatsächlich und/oder rechtlich zeitweilig gehindert ist, das Fahrzeug im Straßenverkehr zu nutzen. Solange das Fahrzeug für den Verkehr auf öffentlichen Straßen zugelassen ist, handelt es sich um ein „Halten“ i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG. Der Begriff des Haltens knüpft bei zulassungspflichtigen Fahrzeugen allein an das Innehaben der Zulassung an8, durch die auch die Person des Steuerschuldners bestimmt wird (§ 7 Nr. 1 KraftStG)9.
Zutreffend ist die Steuer gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG für den Mindestzeitraum von einem Monat in –unstreitiger– Höhe von 17 EUR festgesetzt worden.
Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG dauert die Steuerpflicht bei einem inländischen Fahrzeug, solange das Fahrzeug zum Verkehr zugelassen ist, mindestens jedoch einen Monat. Der Begriff der „Zulassung zum Verkehr“ wird im KraftStG nicht definiert, sondern richtet sich wiederum gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 KraftStG nach den jeweils geltenden verkehrsrechtlichen Vorschriften10.
Die Halterin hat das Fahrzeug nach den verkehrsrechtlichen Vorschriften für einen Tag angemeldet. Im Streitzeitraum gab es keine spezielle Regelung für die Dauer der Steuerpflicht bei Saisonkennzeichen. Nach dem Wortlaut der allgemeinen Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG war die Steuer für einen Mindestzeitraum von einem Monat festzusetzen. Die Mindestbesteuerung für einen Monat bei Zulassung eines Fahrzeugs nur für einen Tag ist weder verfassungs- noch unionsrechtswidrig11.
Der Besteuerung für einen Monat steht nicht entgegen, dass die Halterin das Fahrzeug bereits vor dem Saisonzeitraum wieder abgemeldet hat und infolgedessen das Fahrzeug zu keinem Zeitpunkt im öffentlichen Straßenverkehr nutzen konnte. § 5 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG knüpft wie § 1 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG allein an die Zulassung und nicht an die Berechtigung zur Nutzung an.
Unbeachtlich ist, dass die Finanzverwaltung erst ab Beginn des Jahres 2008 bei Tageszulassungen in Verbindung mit dem Antrag auf einen Saisonzeitraum außerhalb der tatsächlichen Zulassung die einmonatige Mindeststeuer nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG festgesetzt hat12. Durch die bis Ende 2007 übliche Verwaltungspraxis, in diesen Fällen von einer Steuerfestsetzung abzusehen, ist ein im Streitzeitraum andauernder Vertrauenstatbestand nicht geschaffen worden. Maßgeblich für die Besteuerung ist allein das Gesetz und nicht die Auslegung desselben durch die Finanzverwaltung. Steuerpflichtige durften nicht darauf vertrauen, dass das Gesetz über die ausdrücklich aufgegebene Verwaltungspraxis hinaus nicht weiter angewandt werde.
Etwas anderes folgt auch nicht aus der mit Wirkung ab 5. November 2008 erfolgten Änderung des § 5 Abs. 1 Nr. 4 KraftStG und der späteren Einführung des inhaltsgleichen § 5 Abs. 1 Nr. 5 KraftStG. Dadurch hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass bei Zuteilung eines Saisonkennzeichens die Kraftfahrzeugsteuer ebenfalls für mindestens einen Monat festzusetzen und zu erheben ist. Es handelt sich um eine gesetzliche Klarstellung13 und nicht um eine Änderung der bis dahin bestehenden Rechtslage.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 18. April 2012 – II R 32/10
- BFH, Beschluss vom 20.04.2006 – VII B 332/05, BFH/NV 2006, 1519[↩]
- BFH, Urteil vom 07.03.1984 – II R 40/80, BFHE 140, 480, BStBl II 1984, 459[↩]
- BGBl I 1996, 1738[↩]
- vgl. Recktenwald, UVR 1997, 225, 234; Bruschke, UVR 2001, 324[↩]
- BFH, Urteil vom 13.01.2005 – VII R 12/04, BFHE 208, 315, BStBl II 2005, 365; Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 14.08.2001 3 Bf 385/00, Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht 2002, 150; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl., § 9 FVZ Rz 6[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 06.08.1958 – II 109/57 U, BFHE 67, 332, BStBl III 1958, 402; Thüringer FG, Urteil vom 27.04.1994 – I K 131/93, EFG 1994, 982[↩]
- Nds. FG, Urteil vom 23.04.1974 – III 26/74, EFG 1974, 387: Fahrverbot an drei Sonntagen während der sog. „Ölkrise“ im Herbst 1973[↩]
- BFH, Urteile vom 04.03.1986 – VII R 166/83, BFHE 146, 282, 285, 287, BStBl II 1986, 531; vom 13.01.1987 – VII R 150/84, BFHE 148, 542, BStBl II 1987, 272[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 148, 542, BStBl II 1987, 272[↩]
- Strodthoff, Kraftfahrzeugsteuer, § 5 Rz 6[↩]
- vgl. FG Münster, Urteil vom 06.03.2001 – 13 K 6759/00 Kfz, EFG 2001, 925[↩]
- vgl. Strodthoff, a.a.O., § 5 Rz 52 ff.[↩]
- vgl. BT-Drs. 16/10930, S. 10; Strodthoff, a.a.O., § 5 Rz 54[↩]