Das Antragsrecht für die Gewährung kraftfahrzeugsteuerrechtlicher Vergünstigungen für Schwerbehinderte steht -entgegen Ziff. 8.7 DV-KraftSt1- nach dem Tod des Berechtigten seinen Erben zu.

Mit dem Tod einer Person (Erbfall) geht deren Vermögen als Ganzes auf den oder die Erben über (§ 1922 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 AO gehen bei der Gesamtrechtsnachfolge die Forderungen und Schulden aus dem Steuerschuldverhältnis auf den Rechtsnachfolger über. Nach ständiger Rechtsprechung tritt danach der Erbe als Gesamtrechtsnachfolger in einem umfassenden Sinne sowohl in materieller als auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht in die abgabenrechtliche Stellung des Erblassers ein2. Ausgenommen davon sind lediglich höchstpersönliche Verhältnisse und unlösbar mit der Person des Rechtsvorgängers verknüpfte Umstände3. Ob und in welchem Umfang der Erbe in steuerrechtliche Positionen eintritt oder ob diese wegen ihres höchstpersönlichen Charakters und ihrer unlösbaren Verknüpfung mit der Person ihres Inhabers nicht auf den Gesamtrechtsnachfolger übergehen können, ist unter Heranziehung der für die betreffende Rechtsbeziehung einschlägigen materiell-rechtlichen Normen und Prinzipien des jeweiligen Einzelsteuergesetzes zu entscheiden4, im Streitfall also nach den Regelungen des Kraftfahrzeugsteuerrechts.
§ 3a Abs. 3 Satz 1 KraftStG macht die Gewährung der Steuerbefreiung für Schwerbehinderte von der Stellung eines schriftlichen Antrags abhängig. Bei diesem handelt es sich um eine Steuererklärung i.S. des § 150 AO (vgl. § 7 Abs. 1 und Abs. 4 der Kraftfahrzeugsteuer-Durchführungsverordnung)5. Bei der Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung und dem Recht zur Geltendmachung von Begünstigungen im Rahmen einer solchen Erklärung handelt es sich um verfahrensrechtliche Positionen, die mit dem Tod des Erblassers auf seine Erben als Gesamtrechtsnachfolger übergehen, und nicht um die Ausübung höchstpersönlicher Rechte. Davon zu unterscheiden ist, ob dem Erblasser die Begünstigungen, die mit bzw. in der Steuererklärung geltend gemacht werden, auch materiell-rechtlich zustanden. Dies hängt davon ab, ob er -und nicht seine Erben- in dem Zeitraum, für den die Steuererklärung abzugeben ist, die Voraussetzungen erfüllt hat, die das materielle Recht an die Gewährung der beantragten Begünstigungen stellt. Insoweit unterscheidet sich der Streitfall, anders als das Hauptzollamt meint, nicht von dem Fall, in dem die Erben als Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers ihrer Pflicht zur Abgabe der Einkommensteuererklärung für den Erblasser nachkommen und darin den Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b EStG geltend machen. Als Gesamtrechtsnachfolger sind die Erben zur Abgabe der Steuererklärung verpflichtet und zur Geltendmachung von Wahlrechten und Anträgen berechtigt. Ob die beantragten Begünstigungen zu gewähren sind, hängt hingegen davon ab, ob der Erblasser zu seinen Lebzeiten die Voraussetzungen für die Gewährung der beantragten Begünstigungen erfüllt hat. Diese können von Umständen abhängen, die in der Person des Erblassers selbst begründet sind. Daraus folgt aber nicht, dass auch der Antrag auf Gewährung der Begünstigung nur vom materiell Berechtigten gestellt werden kann.
Dem Antragsrecht der Erben des Behinderten steht auch weder entgegen, dass nach dem Tod des Behinderten die mit der Steuerbefreiung bezweckte Förderung der Mobilität Schwerbehinderter nicht mehr erreicht werden kann, noch, dass sich die Steuerbefreiung vermögensrechtlich nicht mehr zugunsten des Behinderten auswirken kann. Eine entsprechende Einschränkung lässt sich dem KraftStG nicht entnehmen. Abgesehen davon geht auch das Hauptzollamt davon aus, dass die Steuerbefreiung nach § 3a KraftStG noch zu gewähren ist, wenn der Schwerbehinderte den Antrag erst nach Abmeldung seines Fahrzeugs stellt oder noch vor Gewährung der beantragten Befreiung verstirbt. Insoweit kann es aber keinen Unterschied machen, ob der Schwerbehinderte den Antrag noch selbst gestellt hat, aber vor der Gewährung der Steuerbefreiung verstorben ist, oder ob erst die Erben den Antrag gestellt haben.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 10. Februar 2021 – IV R 38/19
- Dienstvorschrift des BMF vom 06.12.2018 – III B 5-S 6010/16/10002:004 zur Anwendung des Kraftfahrzeugsteuerrechts[↩]
- z.B. BFH, Beschluss vom 17.12.2007 – GrS 2/04, BFHE 220, 129, BStBl II 2008, 608, unter D.I. 1.; BFH, Urteil vom 20.03.2002 – II R 53/99, BFHE 199, 19, BStBl II 2002, 441, unter II. 1.a, jeweils m.w.N.[↩]
- z.B. BFH (GrS), Beschluss in BFHE 220, 129, BStBl II 2008, 608, unter D.I. 2., m.w.N.[↩]
- z.B. BFH (GrS), Beschluss in BFHE 220, 129, BStBl II 2008, 608, unter D.I. 1.; BFH, Urteile in BFHE 199, 19, BStBl II 2002, 441, unter II. 1.a; und vom 13.01.2010 – V R 24/07, BFHE 229, 378, BStBl II 2011, 241, Rz 23[↩]
- ebenso Strodthoff, Kraftfahrzeugsteuer, § 3a Rz 4[↩]