Zur Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer gehören bei der Veräußerung eines Grundstücks an eine Gesellschaft nach § 9 Abs. 2 Nr. 4 des Grunderwerbsteuergesetzes auch Leistungen eines Dritten an den Grundstücksveräußerer für den Erwerb von Anteilen an der künftig grundbesitzenden Gesellschaft, wenn der Hauptzweck dieser Leistungen darin besteht, den Grundstücksveräußerer zur Übertragung des Grundstücks an die Gesellschaft zu veranlassen. Es liegt grunderwerbsteuerrechtlich keine Doppelbesteuerung vor, da es sich bei dem Grundstücks- und Anteilserwerb um verschiedene Erwerbsvorgänge handelt.

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG unterliegt der Grunderwerbsteuer unter anderem ein Kaufvertrag, der den Anspruch auf Übereignung eines inländischen Grundstücks begründet. Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer ist gemäß § 8 Abs. 1 GrEStG die Gegenleistung für das Grundstück.
Bei einem Grundstückskauf gilt nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG als Gegenleistung der Kaufpreis. Zum Kaufpreis gehört alles, was der Käufer vereinbarungsgemäß an den Verkäufer leisten muss, um den Kaufgegenstand zu erhalten1. Auch ein im Verhältnis zum Grundstückswert niedriger Kaufpreis kann als Gegenleistung nach § 8 Abs. 1 GrEStG anzusehen sein. Von einem rein „symbolischen“ Kaufpreis, bei dem § 8 Abs. 1 GrEStG nicht herangezogen wird, sondern sich die Bemessungsgrundlage nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GrEStG bestimmt, kann nur gesprochen werden, wenn der vereinbarte Kaufpreis in einem krassen Missverhältnis zu dem Grundstückswert steht2. Ein rein symbolischer Kaufpreis ist nicht anzunehmen, wenn besondere Umstände vorliegen, aus denen sich die Ernsthaftigkeit der Kaufpreisvereinbarung ergibt3.
Gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG gehören zur Gegenleistung auch Leistungen, die ein anderer als der Erwerber des Grundstücks dem Veräußerer als Gegenleistung dafür gewährt, dass der Veräußerer dem Erwerber das Grundstück überlässt. Die Leistung des Dritten muss demnach in ihrem Hauptzweck darauf gerichtet sein, dass der Verkäufer das Grundstück dem Erwerber überlässt4. Der finale Bezug ist weder aus der Sicht des Veräußerers als Leistungsempfänger noch aus der Sicht des Erwerbers zu beurteilen. Die Zweckrichtung einer Leistung ist vielmehr aus der Sicht des Leistenden (das heißt eines Dritten) zu bestimmen. Das Interesse, das der Dritte mit seiner auf Überlassung des Grundstücks an den Erwerber gerichteten Leistung verfolgt, muss nicht in der Förderung (gleichgerichteter) Interessen des Erwerbers bestehen, sondern kann ausschließlich auf die eigene Person bezogen sein5.
Für die Bestimmung der Gegenleistung ist nicht maßgebend, was die Vertragschließenden als Gegenleistung für das Grundstück bezeichnen, sondern zu welchen Leistungen sie sich tatsächlich verpflichtet haben. Die Auslegung von Verträgen und Willenserklärungen gehört zum Bereich der tatsächlichen Feststellungen und bindet den Bundesfinanzhof gemäß § 118 Abs. 2 FGO, wenn sie den Grundsätzen der §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entspricht und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt, das heißt jedenfalls möglich ist. Das Revisionsgericht prüft, ob das Finanzgericht die gesetzlichen Auslegungsregeln sowie die Denkgesetze und Erfahrungssätze beachtet und die für die Vertragsauslegung bedeutsamen Begleitumstände erforscht und rechtlich zutreffend gewürdigt hat6.
Nach diesen Maßstäben hat das Hessische Finanzgericht im vorliegenden Streitfall in für den Bundesfinanzhof revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise entschieden, dass als Gegenleistung für die Übertragung des Objekts B an die Grundstückserwerberin neben dem im Übertragungsvertrag vom 22.12.2014 vereinbarten Zahlungsanspruch in Höhe von 6.330.000 € gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG der von der C-AG und der D-GmbH an die A-GmbH gezahlte Betrag in Höhe von zumindest 35.870.000 € in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuerfestsetzung einzubeziehen ist7. Das Hessische Finanzgericht ist bei der Auslegung des Anteilskaufvertrags und des Übertragungsvertrags zu dem Schluss gelangt, dass Hauptzweck sämtlicher Leistungen der C-AG und der D-GmbH an die A-GmbH gewesen sei, die A-GmbH zu veranlassen, das Eigentum am Objekt B auf die Grundstückserwerberin zu übertragen. Diese Auslegung ist möglich. Sie verstößt nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze und bindet daher den Bundesfinanzhof nach § 118 Abs. 2 FGO.
Wie das Hessische Finanzgericht zutreffend ausführt, ergibt sich bereits aus Ziff. 1 des Anteilskaufvertrags, dass die C-AG und die D-GmbH ein Immobilienportfolio erwerben wollten, zu dem unter anderem das Objekt B gehörte. Schon im Anteilskaufvertrag hatten die Vertragsparteien den Grundstückswert für das Objekt B mit 42.200.000 € festgelegt. In der Präambel Buchst. E des Übertragungsvertrags wurde dann auch auf den Abschluss des Anteilskaufvertrags am 08.12.2014 hingewiesen. Dem Vorbringen der Grundstückserwerberin, mit der Zahlung des Anteilskaufpreises hätten die C-AG und die D-GmbH lediglich den Erwerb der Anteile der grundbesitzenden A-GmbH an der Grundstückserwerberin und nicht die Übertragung des Grundstücks auf die Grundstückserwerberin bezweckt, ist entgegenzuhalten, dass die Grundstückserwerberin zum Zeitpunkt des Abschlusses des Anteilskaufvertrags noch nicht grundbesitzend war und die C-AG sowie die D-GmbH deshalb sehr wohl das Anliegen hatten, dass die Grundstückserwerberin das Objekt B übertragen erhält.
Auch die Würdigung des Hessischen Finanzgerichts, der Hauptzweck der Zahlung der C-AG und der D-GmbH an die A-GmbH für die Anteile an der Grundstückserwerberin sei in der Übertragung des Objekts B auf die Grundstückserwerberin zu sehen, verstößt bei der Zusammenschau des Anteilskaufvertrags und des Übertragungsvertrags nicht gegen Denkgesetze, sondern ist vertretbar. Sie wird -entgegen der Ansicht der Grundstückserwerberin- zudem von dem Argument getragen, dass für den Fall des Scheiterns des Anteilskaufvertrags eine Pflicht zur Rückabwicklung der Grundstücksübertragung einschließlich eines Antrags auf Aufhebung der Grunderwerbsteuerfestsetzung bestanden hat. Die Verpflichtung der Vertragsparteien zur Zahlung des Umstrukturierungsbeitrags, der insbesondere auch die durch die Übertragung des Grundstücks auf die Grundstückserwerberin anfallende Grunderwerbsteuer abdecken sollte, ist ein weiteres Indiz für das durchschlagende Interesse der C-AG und der D-GmbH an der Übertragung des Grundstücks auf die Grundstückserwerberin.
icht entscheidungserheblich ist entgegen der Auffassung der Grundstückserwerberin, dass als Gegenleistung für einen Rechtsvorgang nach § 1 Abs. 1 GrEStG auch ein ernsthaft vereinbarter Kaufpreis anerkannt werden kann, der unter dem Verkehrswert des übertragenen Grundstücks liegt8. In der zu der Frage eines symbolischen Kaufpreises ergangenen BFH-Rechtsprechung geht es um die Frage, ob ein vereinbarter Kaufpreis Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer nach § 8 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG sein kann. Das betrifft hier den Zahlungsanspruch zwischen der A-GmbH und der Grundstückserwerberin in Höhe von 6.330.000 €. Dessen Anerkennung als Gegenleistung ist aber unstreitig. Streitig ist lediglich die Frage, ob Zahlungen Dritter -der C-AG und der D-GmbH- nach § 9 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG zur Gegenleistung gehören. Dabei kommt es jedoch nicht auf das Verhältnis der Höhe der Zahlungen zu dem Wert des Grundstücks, sondern darauf an, zu welchem Zweck die Dritten die Leistung erbringen.
Die Würdigung des Finanzgericht missachtet auch nicht die zivilrechtliche Selbständigkeit des Anteilskaufvertrags und des Übertragungsvertrags. Die in die Bemessungsgrundlage für die Übertragung eines Grundstücks einzubeziehende Leistung eines Dritten nach § 9 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG muss sich nicht aus dem Übertragungsvertrag selbst, sondern kann sich -wie im Streitfall- auch aus einer anderen vertraglichen Vereinbarung -hier dem Anteilskaufvertrag- ergeben. Die zeitliche Abfolge der Vertragsschlüsse -zunächst der Anteilskaufvertrag und im Anschluss der Übertragungsvertrag- ist -entgegen der Auffassung der Grundstückserwerberin- ein weiteres Indiz für die Richtigkeit der finanzgerichtlichen Auslegung.
Anders als die Grundstückserwerberin meint, kommt es nicht darauf an, dass die A-GmbH aufgrund ihrer kontinuierlichen Beteiligung an der Grundstückserwerberin das Objekt B nur für eine Gegenleistung in Höhe von 15 % seines Verkehrswerts übertragen habe. Dies würde lediglich ein Motiv der A-GmbH als Verkäuferin darstellen. Im Rahmen der Bestimmung der Gegenleistung nach § 9 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG kommt es aber nicht auf die Motivation der Verkäuferin, sondern nur auf die der C-AG und der D-GmbH als Dritte an.
Es liegt entgegen dem Vorbringen der Grundstückserwerberin auch keine unzulässige Doppelbesteuerung vor. Die Besteuerung der Übertragung des Grundstücks (Objekt B) von der A-GmbH auf die Grundstückserwerberin nach § 1 Abs. 1 GrEStG und die Übertragung der Anteile an der Grundstückserwerberin von der A-GmbH auf die D-GmbH und C-AG nach § 1 Abs. 3 GrEStG -wenn der Anteilserwerb steuerbar wäre- stehen eigenständig nebeneinander, sodass die jeweiligen Gegenleistungen im Sinne des § 8 GrEStG gesondert zu ermitteln wären.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 25. April 2023 – II R 19/20
- BFH, Urteil vom 10.05.2017 – II R 16/14, BFHE 258, 92, BStBl II 2017, 964, Rz 9[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 07.12.1994 – II R 9/92, BFHE 176, 456, BStBl II 1995, 268, unter II. 1.b[↩]
- vgl. BFH, Beschluss vom 02.11.2010 – II B 61/10, Rz 8[↩]
- BFH, Urteil vom 18.09.1985 – II R 168/82, BFH/NV 1986, 698, unter 2.[↩]
- BFH, Beschluss vom 22.10.2003 – II B 158/02, BFH/NV 2004, 228, unter II. 1.[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 05.12.2019 – II R 37/18, BFHE 267, 524, BStBl II 2020, 236, Rz 15[↩]
- Hess. FG, Urteil vom 17.06.2020 – 5 K 2191/15[↩]
- vgl. auch BFH, Beschluss vom 26.02.2003 – II B 54/02, BFHE 201, 326, BStBl II 2003, 483, im Tatbestand und unter II. 1. der Entscheidungsgründe[↩]