Persönliche Steuerbefreiung von der Grunderwerbsteuer

Über die Auswirkung einer persönlichen Steuerbefreiungsvorschrift auf den weiteren grunderwerbsteuerrechtlichen Gesamtschuldner ist allein durch Auslegung dieser Vorschrift zu entscheiden.

Persönliche Steuerbefreiung von der Grunderwerbsteuer

In dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall erwarb eine Internationale Organisation (IO), deren Mitglied auch die Bundesrepublik Deutschland ist, m Jahre 2015 Grundstücke. Das Finanzamt setzte nach Einspruch die Grunderwerbsteuer gegenüber der IO auf 0 € fest. Der Erwerb sei aufgrund des entsprechenden Vertrags betreffend die Vorrechte und Befreiungen der IO (Immunitätsvertrag) steuerfrei. Mit Vertrag aus dem Jahre 2019 (Kaufvertrag) veräußerte die IO die Grundstücke an die Grundstückskäuferin und Beschwerdeführerin (Grundstückskäuferin). Nach dem Kaufvertrag hatte für den Fall, dass das Finanzamt trotz des Immunitätsvertrags Grunderwerbsteuer festsetze, diese die Grundstückskäuferin zu tragen. Das Finanzamt setzte Grunderwerbsteuer gegenüber der Grundstückskäuferin fest.

Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg hat die Klage abgewiesen1. Der Immunitätsvertrag gewähre der IO Steuerbefreiung, nicht aber dem Erwerber. Die IO und die Grundstückskäuferin seien zwar nach § 13 Nr. 1 GrEStG i.V.m. § 44 Abs. 1 Satz 1 AO Gesamtschuldner. Tatsächlich habe das Finanzamt aber nicht die IO in Anspruch genommen. Die IO sei auch nicht zum Gesamtschuldnerausgleich aus § 426 Abs. 1 BGB verpflichtet. Abgesehen davon, dass § 44 AO keine zivilrechtliche Gesamtschuld begründe, habe im Innenverhältnis nach § 448 Abs. 2 BGB der Erwerber die Grunderwerbsteuer zu tragen. Dem entspreche der vorliegende Vertrag. Der wirtschaftliche Einfluss der Steuer auf den Kaufpreis sei ohne Bedeutung. Der Immunitätsvertrag sehe die Befreiung der IO von staatlichen Abgaben vor, nicht aber von jeglichen wirtschaftlichen Folgen staatlichen Handelns.

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Die hiergegen gerichtete Nichtzulassungbeschwerde der Grundstückskäuferin wies der Bundesfinanzhof nun als unbegründet zurück:

Wie mit der steuerrechtlichen Gesamtschuld aus § 44 Abs. 1 Satz 1 AO umzugehen ist, wenn die Steuererhebung bei einem Gesamtschuldner zu einer mindestens wirtschaftlichen Belastung eines anderen Gesamtschuldners führt, der seinerseits eine persönliche Steuerbefreiung genießt, ist eine nicht allgemein klärungsfähige Frage. Ihre Beantwortung kann nur Ergebnis einer Auslegung der individuellen Befreiungsvorschrift sein.

Das GrEStG sieht keine allgemeingültige Lösung für das Problem vor. Einer solchen bedarf es auch nicht, da diesem Gesetz eine persönliche Steuerbefreiung unbekannt ist. Die Befreiungsvorschriften der §§ 3 bis 7 GrEStG knüpfen zwar teilweise tatbestandlich an persönliche Verhältnisse eines am Erwerbsvorgang Beteiligten an, stellen jedoch auf Rechtsfolgenseite den Erwerbsvorgang frei, nicht allein einen Steuerschuldner.

Eine persönliche Befreiung von der Grunderwerbsteuer kann nur auf einer besonderen Vorschrift außerhalb des GrEStG beruhen. Die Behandlung einer so entstehenden gestörten Gesamtschuld richtet sich nach dem Inhalt der jeweiligen Vorschrift und ist nicht verallgemeinerbar. Es bestehen verschiedene Möglichkeiten, Privilegien gegenüber dem Zugriff der Finanzbehörden zu gestalten. Eine abstrakte Aussage, wie weit Lösungsmodelle anderer Rechtsgebiete, namentlich des Zivilrechts, auf bestimmte Befreiungen übertragen werden könnten, ist nicht möglich.

Wie eine derartige spezielle Vorschrift, hier die entsprechende Klausel des Immunitätsvertrags, auszulegen ist, ist keine Rechtsfrage von allgemeinem Interesse. Der Vertrag betrifft ausschließlich die Rechtsverhältnisse der IO, die Partei des hier streitigen Erwerbsvorgangs war. Ungeachtet der Frage, ob damit eine grundsätzliche Bedeutung der Sache begründet werden könnte, ist auch nicht ersichtlich, dass die IO regelmäßig am Grundstücksmarkt im Inland in Erscheinung tritt und sich die aufgeworfene Rechtsfrage in einer nicht übersehbaren Anzahl von Fällen stellen könnte. Es handelt sich um eine Rechtsanwendung im Einzelfall.

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Das Finanzgericht hat seine Entscheidung in erster Linie darauf gestützt, dass die von der Steuer befreite IO nicht in Anspruch genommen wurde und die in Anspruch genommene Grundstückskäuferin nicht von der Steuer befreit ist. Es bewegt sich innerhalb des normalen Auslegungsspektrums, die Reichweite der Steuerbefreiung in dieser Weise formell zu verstehen. Auch mit Blick auf die allein verbindliche englische und französische Fassung des Immunitätsvertrags ist diese Lesart nicht unvertretbar.

Dasselbe gilt im Ergebnis für die Ausführungen zu etwaigen Rückgriffsansprüchen der Grundstückskäuferin gegen die IO aus § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB. Es begegnet zwar Bedenken, wenn das Finanzgericht die Anwendung der zivilrechtlichen Regelungen zur Gesamtschuld insgesamt nicht für anwendbar erachtet. Auch stünde die Steuerpflicht sachwidrig zur Disposition der Vertragsparteien, wenn die Besteuerung allein von den vertraglichen Bestimmungen dazu abhinge, wer im Innenverhältnis die Grunderwerbsteuer zu tragen hat. Im Wesentlichen hat sich das Finanzgericht in diesem Zusammenhang jedoch darauf gestützt, dass nach § 448 Abs. 2 BGB der Käufer verpflichtet ist, die Grunderwerbsteuer zu tragen2. Es ist nicht sachwidrig, sich typisierend am gesetzlichen Modell zu orientieren, auch wenn dieses dispositiv ist.

Schließlich vertritt das Finanzgericht die Rechtsauffassung, dass ein wirtschaftlicher Einfluss der Grunderwerbsteuerbelastung auf den Kaufpreis und damit auch auf die IO aus Rechtsgründen unbeachtlich sei. Dies ist Ausfluss der formell geprägten Auslegung und rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 FGO. In welchem Umfang im Allgemeinen unabhängig von den zivilrechtlichen Vereinbarungen die Grunderwerbsteuer auch den Veräußerer wirtschaftlich trifft und inwieweit im vorliegenden Fall das Risiko der Grunderwerbsteuerpflicht im Kaufpreis Niederschlag gefunden hat, musste das Finanzgericht folgerichtig nicht mehr erörtern.

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Bundesfinanzhof, Beschluss vom 23. Februar 2022 – II B 26/21

  1. FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 04.03.2021 – 12 K 12015/21[]
  2. BGH, Urteil vom 11.06.2010 – V ZR 85/09, NJW 2010, 2873, Rz 21[]