Schaumweinsteuer – und ihre Nacherhebung

Ein Steuerbescheid ist wegen fehlender hinreichender Bestimmtheit nichtig, wenn er für einen Veranlagungszeitraum ergeht, für den bereits ein -wirksamer- Steuerbescheid (hier: Steueranmeldungen) gegenüber demselben Adressaten besteht, ohne dass sich nach dem Wortlaut des Bescheids oder im Wege der Auslegung ergibt, in welchem Verhältnis der zuletzt ergangene zu dem zuvor ergangenen Bescheid steht.

Schaumweinsteuer – und ihre Nacherhebung

Nach § 119 Abs. 1 AO muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein, d.h. ihm muss der Regelungsinhalt eindeutig zu entnehmen sein. Der Verwaltungsakt ist nichtig und damit nach § 124 Abs. 3 AO unwirksam, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist (§ 125 Abs. 1 AO). Ein Verwaltungsakt leidet an schweren und offenkundigen Mängeln und ist deshalb nichtig, wenn er inhaltlich nicht so bestimmt ist, dass ihm hinreichend sicher entnommen werden kann, was von wem verlangt wird1.

Erforderlich ist u.a. die Bezeichnung der festgesetzten Steuer nach Art und Betrag (§ 157 Abs. 1 Satz 2 AO). Ein Änderungsbescheid muss zudem grundsätzlich den geänderten Bescheid erkennen lassen2. Hierzu genügt es, dass aus dem gesamten Inhalt des Bescheids, aus dem Zusammenhang, aus der von der Behörde gegebenen Begründung oder aus den den Beteiligten bekannten näheren Umständen des Erlasses im Wege einer am Grundsatz von Treu und Glauben orientierten Auslegung hinreichende Klarheit gewonnen werden kann3.

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Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist über den bloßen Wortlaut hinaus im Wege der Auslegung zu ermitteln, wobei die §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auch für öffentlich-rechtliche Willensbekundungen geltende Auslegungsregeln enthalten4.

Entscheidend ist danach, wie der Betroffene nach den ihm bekannten Umständen -seinem „objektiven Verständnishorizont“5- den materiellen Gehalt der Erklärung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte6. Bei der Auslegung ist nicht allein auf den Tenor des Bescheids abzustellen, sondern auch auf den materiellen Regelungsgehalt einschließlich der für den Bescheid gegebenen Begründung7. Es kommt somit weder darauf an, was die Finanzbehörde mit ihrer Erklärung gewollt hat8, noch darauf, wie ein außenstehender Dritter die Erklärung der Behörde auffassen konnte bzw. musste9. Da der Verwaltungsakt nur mit dem bekanntgegebenen Inhalt wirksam wird, muss aber die Auslegung zumindest einen Anhalt in der bekanntgegebenen Regelung haben10. Im Zweifel ist das den Betroffenen weniger belastende Auslegungsergebnis vorzuziehen, da er als Empfänger einer auslegungsbedürftigen Willenserklärung der Verwaltung durch etwaige Unklarheiten aus deren Sphäre nicht benachteiligt werden darf11.

Die Frage, welchen Inhalt ein Verwaltungsakt hat, ist vom Revisionsgericht in eigener Zuständigkeit zu beantworten und ggf. zu korrigieren, wenn die tatsächlichen Feststellungen des Finanzgericht hierzu ausreichen12.

Nach § 15 Abs. 1 (und § 29 Abs. 3) des Schaumwein- und Zwischenerzeugnissteuergesetzes hat der Steuerschuldner in der Regel am zehnten Tag des auf die Entstehung der Steuer folgenden Monats eine Steueranmeldung abzugeben und die Steuerschuld spätestens am fünften Tag des zweiten auf die Steuerentstehung folgenden Monats zu entrichten. Die Einzelheiten der Steueranmeldung ergeben sich aus § 30 der Verordnung zur Durchführung des Schaumwein- und Zwischenerzeugnissteuergesetzes. Eine Steueranmeldung steht nach § 168 Satz 1 AO einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich.

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Im hier entschiedenen Fall bedeutet dies: Die Steueranmeldungen der Kommanditgesellschaft für die Monate Januar bis Juni 2015 stellen nach §§ 167, 168, 164 AO wirksame Verwaltungsakte dar. Anders als das Hauptzollamt meint, sind die Steueranmeldungen nicht unwirksam, weil sie unter der Verbrauchsteuernummer des vormaligen Einzelunternehmers abgegeben wurden und deshalb nicht zuordenbar und widersprüchlich gewesen seien oder weil die Kommanditgesellschaft für den Zeitraum vom 14.04.2015 bis 29.07.2015 nicht im Besitz einer Steuerlagererlaubnis gewesen sein soll.

Nach § 125 Abs. 1 AO ist ein Verwaltungsakt, dem die in der Anmeldung liegende Festsetzung der Schaumweinsteuer gleichzuachten ist, nur dann nichtig, wenn er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Ist der Inhaltsadressat im Verwaltungsakt nicht hinreichend bestimmt angegeben, ist der Verwaltungsakt nichtig, ohne dass er in der Einspruchsentscheidung geheilt werden könnte13.

Im Streitfall lässt sich den Steueranmeldungen zweifelsfrei entnehmen, wer Inhaltsadressat sein soll, denn als Steuerschuldner/Antragsteller ist in den Formularen die Kommanditgesellschaft angegeben. Dass die Verbrauchsteuernummer des (in die Kommanditgesellschaft eingebrachten) Einzelunternehmens angegeben wurde, ist dagegen unschädlich. Der Bundesfinanzhof kann dahinstehen lassen, ob die Kommanditgesellschaft in dem vom Hauptzollamt benannten Zeitraum über eine Steuerlagererlaubnis verfügte, denn auch ein Fehlen derselben hätte keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der Steueranmeldungen, sondern allenfalls auf deren Rechtmäßigkeit.

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Der Steuerbescheid vom 04.08.2016 lässt nicht deutlich erkennen, in welchem Verhältnis er zu den genannten Steueranmeldungen der Kommanditgesellschaft für die Monate Januar bis Juni 2015 steht. Dieser wesentliche Mangel führt zur Nichtigkeit des Steuerbescheids14.

Zudem deutet die Verwendung der Formulierung „Nacherhebung“ darauf hin, dass es sich aus Sicht des Hauptzollamtes um einen Ergänzungs- oder Nachforderungsbescheid handeln sollte. Einen solchen Nachforderungsbescheid kennt die AO -im Gegensatz zum Zollkodex (ZK) und zum Unionszollkodex- jedoch nicht. Vielmehr hat die Finanzbehörde die jeweilige Steuer für einen Besteuerungszeitraum in einem einzigen Bescheid festzusetzen. Eine entsprechende Anwendung von Art. 105 Abs. 4 des Unionszollkodex (vorher Art. 220 ZK) kommt nicht in Betracht, weil im Verbrauchsteuerrecht die AO anzuwenden ist und diese die Steuerfestsetzung abschließend regelt.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 18. April 2023 – VII R 59/20

  1. vgl. BFH, Urteil vom 13.10.2016 – IV R 20/14, BFH/NV 2017, 475, Rz 42, m.w.N.[]
  2. vgl. BFH, Urteile vom 06.07.1994 – II R 126/91, BFH/NV 1995, 178; vom 24.04.2013 – II R 53/10, BFHE 241, 63, BStBl II 2013, 755, Rz 34; und vom 17.12.2014 – II R 2/13, BFHE 248, 238, BStBl II 2015, 557, Rz 13[]
  3. BFH, Urteil in BFHE 241, 63, BStBl II 2013, 755, Rz 34, m.w.N.[]
  4. BFH, Urteil vom 10.05.2012 – IV R 34/09, BFHE 239, 485, BStBl II 2013, 471[]
  5. vgl. BFH, Urteil vom 08.11.1995 – V R 64/94, BFHE 179, 211, BStBl II 1996, 256[]
  6. BFH, Urteile vom 18.04.1991 – IV R 127/89, BFHE 164, 185, BStBl II 1991, 675; und vom 11.07.2006 – VIII R 10/05, BFHE 214, 18, BStBl II 2007, 96[]
  7. ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. BFH, Urteile in BFHE 214, 18, BStBl II 2007, 96, unter II. 3.b aa; und vom 26.11.2009 – III R 87/07, BFHE 227, 466, BStBl II 2010, 429, unter II. 2.a.; jeweils m.w.N.[]
  8. BFH, Urteil vom 11.05.1999 – IX R 72/96, BFH/NV 1999, 1446[]
  9. BFH, Urteil vom 30.09.1988 – III R 218/84, BFH/NV 1989, 749[]
  10. BFH, Urteil vom 28.11.1985 – IV R 178/83, BFHE 145, 226, BStBl II 1986, 293, m.w.N.; BFH, Beschlüsse vom 16.03.2001 – IV B 17/00, BFH/NV 2001, 1103; und vom 12.05.2022 – V R 31/20, BFH/NV 2022, 1153, Rz 29, jeweils m.w.N.[]
  11. BFH, Urteil in BFHE 214, 18, BStBl II 2007, 96[]
  12. ständige Rechtsprechung, vgl. BFH, Urteile in BFHE 239, 485, BStBl II 2013, 471, Rz 38, m.w.N.; in BFH/NV 2017, 475, Rz 50; vom 21.06.2017 – V R 3/17, BFHE 259, 140, BStBl II 2018, 372, Rz 18; und vom 11.11.2020 – XI R 11/18, BFHE 271, 41, BStBl II 2021, 415, Rz 26, m.w.N.[]
  13. vgl. BFH, Urteil vom 06.05.2021 – II R 34/18, BFHE 272, 521, BStBl II 2022, 712, Rz 31, m.w.N.[]
  14. vgl. BFH, Urteil vom 23.08.2000 – X R 27/98, BFHE 193, 19, BStBl II 2001, 662, unter II. 2.a, m.w.N.; Seer in Tipke/Kruse, § 125 AO Rz 7 und § 119 AO Rz 8; Rozek in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 125 AO Rz 58[]
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Beendigung des Einspruchsverfahrens durch Zustimmung des Finanzamts zu einer Steueranmeldung

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