Treuhänderischer Auftragserwerb – und die Grunderwerbsteuer

Nach § 1 Abs. 2 GrEStG unterliegen Rechtsvorgänge der Grunderwerbsteuer, die es ohne Begründung eines Anspruchs auf Übereignung einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen, ein inländisches Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten.

Treuhänderischer Auftragserwerb – und die Grunderwerbsteuer

Durch diese Vorschrift sollen Sachverhalte erfasst werden, bei denen es zwar nicht -wie in den Fällen des § 1 Abs. 1 GrEStG- zu einem Rechtsträgerwechsel, d.h. zu einer Änderung der Rechtszuständigkeit im Außenverhältnis kommt, bei denen der Eigentümer einem anderen aber im Innenverhältnis so weitgehende Möglichkeiten zur Einflussnahme hinsichtlich des Grundstücks einräumt, dass dieser und nicht mehr der Eigentümer über die Verwertung des Grundstücks entscheiden kann1.

Durch einen Geschäftsbesorgungsvertrag i.S. von § 675 BGB, der sich auf den Erwerb mehrerer Grundstücke durch den Verpflichteten im eigenen Namen richtet, erlangt der Geschäftsherr -wie generell beim sog. Auftragserwerb- die Rechtsmacht, von dem Beauftragten die Auflassung des Grundstücks (§ 925 BGB) zu verlangen (§ 667 BGB i.V.m. § 675 BGB) oder es -bei entsprechender Ausgestaltung des Vertrags- durch andere Maßnahmen der Substanz nach auf eigene Rechnung zu verwerten2. Diese Rechtsmacht begründet eine Verwertungsbefugnis i.S. von § 1 Abs. 2 GrEStG. Beim Erwerb eines Grundstücks durch einen entgeltlich tätigen Geschäftsbesorger (oder unentgeltlich tätigen Beauftragten) im eigenen Namen unterliegt nicht nur dieser Erwerbsvorgang der Grunderwerbsteuer, sondern gemäß § 1 Abs. 2 GrEStG auch die damit dem Geschäftsherrn (oder Auftraggeber) verschaffte Rechtsmacht3.

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Eine Geschäftsbesorgung kann auch Inhalt einer Treuhandvereinbarung sein4. Bezieht sich die Treuhandabrede darauf, dass der Treuhänder im eigenen Namen Grundstücke für den Treugeber erwirbt, ergibt sich daraus -vorbehaltlich entgegenstehender Vereinbarungen- regelmäßig das nach § 1 Abs. 2 GrEStG der Besteuerung unterliegende Recht des Treugebers, die Verwertung der Grundstücke aufgrund des ihm nach § 667 i.V.m. § 675 BGB zustehenden Herausgabeanspruchs herbeizuführen.

Die fehlende Beurkundung des Treuhandvertrags (vgl. § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB) steht einer Verwirklichung des Tatbestands des § 1 Abs. 2 GrEStG nicht entgegen, sofern die in einem (möglicherweise) formunwirksamen Vertrag getroffenen Vereinbarungen nachweislich in vollem Umfang tatsächlich durchgeführt werden5. Nach § 41 Abs. 1 Satz 1 AO ist die Unwirksamkeit eines Rechtsgeschäfts für die Besteuerung unerheblich, soweit und solange die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis dieses Rechtsgeschäfts gleichwohl eintreten und bestehen lassen.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 22. Oktober 2014 – II R 41/13

  1. vgl. BFH, Urteile vom 26.07.2000 – II R 33/98, BFH/NV 2001, 206; und vom 24.04.2013 – II R 32/11, BFHE 242, 165, BStBl II 2013, 962, Rz 11, jeweils m.w.N.[]
  2. vgl. BFH, Urteile in BFH/NV 2001, 206; und vom 08.11.2000 – II R 55/98, BFHE 194, 245, BStBl II 2001, 419, m.w.N.[]
  3. vgl. BFH, Urteil in BFHE 194, 245, BStBl II 2001, 419, m.w.N.[]
  4. Palandt/Sprau, Bürgerliches Gesetzbuch, 73. Aufl., § 675 Rz 27[]
  5. BFH, Urteile in BFH/NV 2001, 206; und vom 06.10.2009 – IX R 14/08, BFHE 228, 10, BStBl II 2010, 460[]
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