Für sogenannte technische Betriebsverbräuche, die für einen dauerhaften und störungsfreien Betrieb der Umspannanlagen eines Netzbetreibers notwendig sind, entsteht die Stromsteuer gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 StromStG durch Entnahme aus dem Versorgungsnetz. Der Verbrauch von Strom durch einen Netzbetreiber in seinen Umspannanlagen ist nicht nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG steuerfrei.

Zwar gehören Umspannanlagen zum Versorgungsnetz; bei den dort erfolgten technischen Verbräuchen liegt jedoch eine Entnahme von Strom vor.
Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 StromStG entsteht die Steuer dadurch, dass vom im Steuergebiet ansässigen Versorger geleisteter Strom durch Letztverbraucher im Steuergebiet aus dem Versorgungsnetz entnommen wird, oder dadurch, dass der Versorger dem Versorgungsnetz Strom zum Selbstverbrauch entnimmt. In beiden Alternativen setzt die Tatbestandserfüllung den Realakt der Entnahme der verbrauchsteuerpflichtigen Ware aus dem Transportmedium voraus1.
Der Begriff des Versorgungsnetzes ist im Stromsteuerrecht weder im Stromsteuergesetz noch in der Stromsteuer-Durchführungsverordnung definiert. Das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) unterscheidet zwar zwischen Verteilernetzen (§ 3 Nr. 3 EnWG) und Übertragungsnetzen (§ 3 Nr. 10 EnWG) und erwähnt als Oberbegriff für diese beiden Netzarten die Energieversorgungsnetze. Aufgrund der unterschiedlichen Zielsetzung verbietet sich jedoch eine Übertragung der Begrifflichkeiten des Energiewirtschaftsgesetzes auf das Stromsteuerrecht2.
In seiner Entscheidung vom 24.02.20163 hat sich der Bundesfinanzhof -im Kern- mit der räumlichen Ausdehnung des Versorgungsnetzes befasst. Auszugehen ist danach vom Bestehen eines einzigen Versorgungsnetzes; nach einzelnen Teilen oder mit einer Stromleitung verbundenen Betriebsstätten wird nicht unterschieden. Zwar hat der Bundesfinanzhof ausgeführt, dass zum Versorgungsnetz alle Leitungen und Umspannvorrichtungen gehören, jedoch hat er keine Aussage zu dem Stromverbrauch in den zu den Umspannvorrichtungen gehörenden Anlagen (im vorliegenden Streitfall: unter anderem Trafolüfter, Ölpumpen, Heizungen, Licht- und Steuerungstechnik, USV-Batterien, Leistungsschalter sowie Hebel- und Scherentrenner) getroffen. Dass diesbezüglich eine Entnahme von Strom aus dem Versorgungsnetz möglich ist, ergibt sich inzident aus mehreren weiteren Entscheidungen, in denen sich der Bundesfinanzhof mit der Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG befasst hat4. Denn die Frage, ob der Stromverbrauch in Wechselrichtern und Transformations- und Umspannanlagen steuerfrei ist, setzt denknotwendig voraus, dass eine Entnahme nach § 5 Abs. 1 Satz 1 StromStG vorliegt, anderenfalls käme es auf die Steuerbefreiung mangels Steuerentstehung nicht an.
Eine Entnahme aus dem Versorgungsnetz im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 StromStG liegt nur dann vor, wenn der Steuergegenstand Strom (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 StromStG) zugleich einer eliminierenden Nutzung zugeführt wird. Erforderlich ist eine von einem entsprechenden Willen getragene menschliche Handlung, weshalb keine Entnahme des Stroms vorliegt, wenn dieser ohne menschliches Zutun -zum Beispiel infolge einer Beschädigung des Versorgungsnetzes- in den steuerrechtlich freien Verkehr tritt und damit verlustig geht5.
Auch Umspann- und Leitungsverluste entstehen ohne menschliches Zutun. Denn diese beruhen auf physikalischen Gründen6, genauer auf dem sogenannten Ohmschen Widerstand der Übertragungsleitungen. Zudem führen sie nicht zu einer eliminierenden Nutzung des Stroms im Sinne einer zielgerichteten und auf ein tatsächliches Handeln beruhenden Verwendung7.
Unter Anwendung dieser Grundsätze ist im Streitfall die Stromsteuer entstanden, weil die Netzbetreiberin den Strom, der auf die technischen Betriebsverbräuche entfällt, entnommen hat.
Der Sachverhalt unterscheidet sich von dem Sachverhalt, über welchen der Bundesfinanzhof in seinem Beschluss vom 24.02.20168 entschieden hat. Eine Gleichstellung der dortigen physikalischen Verluste (Umspann- und Leitungsverluste) mit den hiesigen technischen (zwar zwangsläufig entstandenen) Betriebsverbräuchen, die die Netzbetreiberin befürwortet, ist allerdings nicht möglich. Denn die streitgegenständlichen Verbräuche der Netzbetreiberin beruhen auf einer von einem entsprechenden Willen getragenen menschlichen Handlung. Dass -wie die Netzbetreiberin behauptet- diese Verbräuche technisch notwendig waren und damit zwangsläufig entstanden sind, ändert hieran nichts.
Eine Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG kommt nicht in Betracht.
Nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG ist Strom, der zur Stromerzeugung entnommen worden ist, von der Stromsteuer befreit. Zur Stromerzeugung entnommen wird Strom nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 StromStV, der in den Neben- und Hilfsanlagen einer Stromerzeugungseinheit insbesondere zur Wasseraufbereitung, Dampferzeugerwasserspeisung, Frischluftversorgung, Brennstoffversorgung oder Rauchgasreinigung zur Erzeugung von Strom im technischen Sinne verbraucht wird. Nach § 9 Abs. 4 Satz 1 StromStG bedarf der Erlaubnis, wer nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG von der Steuer befreiten Strom entnehmen will.
Die Voraussetzungen des Befreiungstatbestands liegen nicht vor, weil der Strom nicht zur Stromerzeugung entnommen wurde.
Das in § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG normierte Herstellerprivileg beruht auf Art. 14 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27.10.2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom -Energiesteuerrichtlinie-9 i.d.F. der Richtlinie 2004/75/EG des Rates vom 29.04.2004 zur Änderung der Richtlinie 2003/96/EG im Hinblick auf die Möglichkeit der Anwendung vorübergehender Steuerermäßigungen und Steuerbefreiungen auf Energieerzeugnisse und elektrischen Strom durch Zypern10 -EnergieStRL-. Danach besteht eine obligatorische Steuerbefreiung für bei der Stromerzeugung verwendete Energieerzeugnisse beziehungsweise verwendeten elektrischen Strom sowie für elektrischen Strom, der zur Aufrechterhaltung der Fähigkeit, Strom zu erzeugen, verwendet wird11. Das setzt grundsätzlich voraus, dass der Steuerpflichtige, der sich auf die Steuerbefreiung beruft, auch Hersteller beziehungsweise Erzeuger des Stroms ist. Denn die Verwendung von elektrischem Strom muss im Rahmen der Stromerzeugung erfolgen, indem sie unmittelbar zum technologischen Prozess der Stromerzeugung beiträgt12.
Die Steuerfreiheit gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG erfasst nur die Erzeugung von Strom.
Bei dem Steuergegenstand Strom handelt es sich gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 2 StromStG und in Übereinstimmung mit den Vorgaben aus Art. 2 Abs. 2 und Abs. 5 Unterabs. 1 EnergieStRL um elektrischen Strom der Pos. 2716 KN in der am 01.01.2002 geltenden Fassung. Die Pos. 2716 KN erfasst gleichermaßen Wechsel- und Gleichstrom. Wie die Bezugnahme auf den Zolltarif belegt, beabsichtigte der Gesetzgeber bei der Bestimmung des Steuergegenstands keine weitere Differenzierung nach verschiedenen Stromarten. Auch eine Differenzierung nach Spannungsebenen kommt nicht in Betracht13. Für die Bestimmung des Steuergegenstands ist es unbeachtlich, welche Ausgangsspannung dem Strom zugrunde liegt. Denn die Spannung wird weder in der Energiesteuerrichtlinie noch im Stromsteuergesetz angesprochen und bleibt auch bei der Höhe der Steuersätze außer Betracht, die allein nach Megawattstunden bemessen werden (vgl. Art. 10 Abs. 1 i.V.m. Anhang I Tabelle C EnergieStRL).
Ausgehend davon gehören nur solche Vorgänge zur Stromerzeugung, mit denen ein von Pos. 2716 KN erfasstes Erzeugnis hervorgebracht wird. Weitere Bearbeitungen dieses Erzeugnisses oder Veränderungen der Stromqualität nach der Entstehung des Steuergegenstands gehören nicht mehr zur Stromerzeugung, auch wenn sie darauf abzielen, die Marktfähigkeit des Stroms zu erreichen. Dementsprechend entsteht kein neuer Steuergegenstand, wenn die Spannung von bereits vorhandenem Gleich- oder Wechselstrom verändert wird, da die elektrische Spannung für die Bestimmung des Steuergegenstands nicht von Bedeutung ist14.
Diese Ansicht des Bundesfinanzhofs wird gestützt durch die Rechtsprechung des EuGH, wonach Art. 14 Abs. 1 EnergieStRL die für die Mitgliedstaaten im Rahmen der Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom geltenden zwingenden Ausnahmen abschließend aufzählt und daher nicht weit ausgelegt werden darf, weil anderenfalls der durch diese Richtlinie eingeführten harmonisierten Besteuerung jede praktische Wirksamkeit genommen würde15.
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der in den Anlagen der Netzbetreiberin verbrauchte Strom nicht gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG von der Stromsteuer befreit.
Die Netzbetreiberin selbst hat keinen Strom hergestellt, sondern nach den bindenden Feststellungen des Finanzgericht (§ 118 Abs. 2 FGO) nach dessen Umspannung weitergeleitet. Demzufolge kann sie das Herstellerprivileg nicht für sich in Anspruch nehmen.
Zudem dient die Umspannung des Stroms durch die Netzbetreiberin nach den oben dargestellten Grundsätzen nicht mehr der Stromerzeugung, weil der Steuergegenstand Strom nach einer richtlinienkonformen Auslegung des § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG spätestens mit der Herstellung des Wechselstroms vorliegt und der Herstellungsprozess im technischen Sinne damit abgeschlossen ist. Die Veränderung der Spannung stellt lediglich eine Weiterverarbeitung des Steuergegenstands dar, die als nachgelagerter Vorgang nicht mehr der Stromerzeugung zuzurechnen ist16.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 20. Juni 2023 – VII R 2/21
- vgl. BFH, Beschlüsse vom 31.01.2008 – VII B 79/07, BFH/NV 2008, 1013; und vom 24.02.2016 – VII R 7/15, BFHE 252, 568, Rz 9[↩]
- vgl. bereits BFH, Beschluss vom 24.02.2016 – VII R 7/15, BFHE 252, 568, Rz 13[↩]
- BFH, Beschluss vom 24.02.2016 – VII R 7/15, BFHE 252, 568, Rz 11[↩]
- BFH, Urteile vom 06.10.2015 – VII R 25/14, BFHE 251, 563; und vom 30.04.2019 – VII R 10/18, BFHE 264, 556; BFH, Beschluss vom 28.01.2021 – VII B 99/20[↩]
- BFH, Beschluss vom 24.02.2016 – VII R 7/15, BFHE 252, 568, Rz 10, m.w.N.; Möhlenkamp/Milewski, Energiesteuergesetz, Stromsteuergesetz, 2. Aufl., § 5 Rz 5; Kalker/Khazzoum, eKomm Ab/Bis [01.07.2022], § 5 StromStG Rz 9 (Aktualisierung vom 16.12.2022); Bongartz/Jatzke/Schröer-Schallenberg, Energiesteuer, Stromsteuer, § 5 Rz 5[↩]
- Jatzke, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 2018, 234[↩]
- BFH, Beschluss vom 24.02.2016 – VII R 7/15, BFHE 252, 568, Rz 10[↩]
- BFH, Beschluss vom 24.02.2016 – VII R 7/15, BFHE 252, 568[↩]
- ABl.EU 2003, Nr. L 283, 51[↩]
- ABl.EU 2004, Nr. L 157, 100[↩]
- vgl. auch BFH, Urteil vom 06.10.2015 – VII R 25/14, BFHE 251, 563, Rz 10[↩]
- vgl. EuGH, Urteile „Repsol Petróleo“ vom 03.12.2020 – C-44/19, EU:C:2020:982, Rz 34; und „RWE Power“ vom 09.03.2023 – C-571/21, EU:C:2023:186, Rz 27[↩]
- BFH, Urteil vom 30.04.2019 – VII R 10/18, BFHE 264, 556, Rz 16[↩]
- BFH, Urteil vom 30.04.2019 – VII R 10/18, BFHE 264, 556, Rz 17[↩]
- EuGH, Urteile „Cristal Union“ vom 07.03.2018 – C-31/17, EU:C:2018:168, Rz 24 und 25; „Petrotel-Lukoil“ vom 07.11.2019 – C-68/18, EU:C:2019:933, Rz 40 und „RWE Power“, EU:C:2023:186, Rz 30[↩]
- vgl. bereits ausdrücklich BFH, Urteil vom 30.04.2019 – VII R 10/18, BFHE 264, 556, Rz 22[↩]
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