Die Zahlung des Versicherungsentgelts für eine Kautionsrückversicherung ist nicht nach § 4 Nr. 1 VersStG von der Versicherungsteuer befreit, wenn durch die Versicherung die Gefahr aus einem Vertrag übernommen wird, der nach § 2 Abs. 2 VersStG nicht als Versicherungsvertrag gilt. Eine Rückversicherung i.S. des § 4 Nr. 1 VersStG setzt eine andere steuerbare Versicherung voraus, deren Risiko abgesichert wird.

Nach § 1 Abs. 1 VersStG unterliegt die Zahlung des Versicherungsentgelts aufgrund eines durch Vertrag oder auf sonstige Weise entstandenen Versicherungsverhältnisses der Steuer.
Unter dem Versicherungsverhältnis sind das durch Vertrag oder auf sonstige Weise entstandene Rechtsverhältnis des einzelnen Versicherungsnehmers zum Versicherer und seine Wirkungen zu verstehen1. Wesentliches Merkmal für ein „Versicherungsverhältnis“ i.S. des § 1 Abs. 1 VersStG ist das Vorhandensein eines vom Versicherer gegen Entgelt übernommenen Wagnisses2.
Der Begriff der Versicherung ist weit gefasst und nach den besonderen Zwecken des Versicherungsteuerrechts zu deuten3. Das allgemeine Versicherungsrecht ist für das Versicherungsteuerrecht nur insoweit maßgebend, als das VersStG nichts anderes erkennen lässt. Die besonderen Voraussetzungen des Versicherungsvertragsgesetzes und des Versicherungsaufsichtsgesetzes gelten nicht ohne weiteres für das Versicherungsteuerrecht4.
Ein Versicherungsverhältnis i.S. des § 1 Abs. 1 VersStG wird auch durch eine vertraglich vereinbarte Rückversicherung begründet5.
Eine Rückversicherung liegt vor, wenn sich ein Versicherer (Erstversicherer) für die gegenüber dem Versicherungsnehmer übernommene Gefahr und die daraus resultierende Zahlungsverpflichtung gegen Zahlung einer Prämie bei einem anderen Versicherer (Rückversicherer) versichert, sich also von diesem wegen des übernommenen Risikos teilweise oder volle Deckung versprechen lässt6.
Für das Vorliegen eines Versicherungsverhältnisses i.S. des § 1 Abs. 1 VersStG und die Besteuerung des für eine Rückversicherung gezahlten Versicherungsentgelts ist unerheblich, dass die Vorschriften des VVG nach § 209 VVG nicht auf die Rückversicherung anzuwenden sind. Maßgebend ist vielmehr die versicherungsteuerrechtliche Einordnung der Rückversicherung.
Dementsprechend unterliegt der Versicherungsteuer nach § 1 Abs. 1 VersStG auch das Versicherungsentgelt für eine sog. Kautionsrückversicherung, mit der die Gefahr aus einer vom Erstversicherer abgeschlossenen Kautionsversicherung durch einen Rückversicherer abgesichert wird.
Die Steuerbarkeit des Versicherungsentgelts für die Kautionsrückversicherung wird nicht durch § 2 Abs. 2 VersStG ausgeschlossen.
Nach § 2 Abs. 2 VersStG gilt ein Vertrag, durch den der Versicherer sich verpflichtet, für den Versicherungsnehmer Bürgschaft oder sonstige Sicherheit zu leisten, nicht als Versicherungsvertrag.
Die erstmals im VersStG vom 08.04.19227 –VersStG a.F.– enthaltene Regelung wurde jeweils unverändert in die späteren Versicherungsteuergesetze übernommen. Der (damaligen) Begründung ist zu entnehmen, dass Zweifel bestanden, ob die Kautionsversicherung überhaupt den Wesensmerkmalen einer Versicherung entspricht8. Wegen dieser Zweifel sowie zur Gleichstellung mit der nicht versicherungsmäßig betriebenen geschäftsmäßigen Übernahme von Bürgschaftsleistungen gegen Entgelt durch andere Unternehmer, insbesondere Großbanken, wurden die Kautionsversicherungsverträge in § 2 Abs. 2 VersStG ausdrücklich als Nichtversicherungsverträge definiert9.
Die gesetzliche Fiktion des § 2 Abs. 2 VersStG bewirkt, dass bei einer Kautionsversicherung versicherungsteuerrechtlich kein Versicherungsvertrag und damit auch kein steuerbares Versicherungsverhältnis i.S. des § 1 Abs. 1 VersStG vorliegt. § 2 Abs. 2 VersStG schließt damit bereits die Steuerbarkeit der Kautionsversicherung aus. Die Regelung ist aufgrund ihres Inhalts und ihrer systematischen Stellung im VersStG nicht als Steuerbefreiung anzusehen; die Ausnahmen von der Besteuerung sind nicht in § 2 VersStG, sondern in § 4 VersStG geregelt. Folge der Fiktion ist, dass mangels eines steuerbaren Versicherungsverhältnisses das Versicherungsentgelt für eine Kautionsversicherung nicht der Versicherungsteuer unterliegt. Die Kautionsversicherung wird für Zwecke der Versicherungsteuer nicht als Versicherung behandelt.
Für den Eintritt der Fiktion des § 2 Abs. 2 VersStG ist nicht maßgebend, wie ein Kautionsversicherungsvertrag versicherungsrechtlich oder schuldrechtlich einzuordnen ist. Deshalb ist für die Besteuerung unerheblich, ob versicherungsrechtlich von einer echten Versicherung zugunsten eines Dritten auszugehen ist10. Ebenso ist nicht von Bedeutung, wie der Kautionsversicherungsvertrag schuldrechtlich zu qualifizieren ist (als Geschäftsbesorgungsvertrag i.S. des § 675 BGB11 oder als Versicherungsvertrag12).
Eine Kautionsrückversicherung, durch die das Wagnis aus einer Kautionsversicherung ganz oder teilweise übernommen wird, fällt –im Gegensatz zur Kautionsversicherung– nicht in den Regelungsbereich des § 2 Abs. 2 VersStG13.
Die Vorschrift betrifft Sachverhalte, in denen sich der Versicherer verpflichtet, Dritten gegenüber für den Versicherungsnehmer Bürgschaft oder sonstige Sicherheit zu leisten14. Bei einer Kautionsrückversicherung verpflichtet sich der Rückversicherer aber nicht gegenüber den Versicherungsnehmern des Erstversicherers zur Leistung von Bürgschaften. Vielmehr verpflichtet er sich gegenüber dem Erstversicherer zur Übernahme von Vermögensschäden, die diesem aus den von ihm mit den Versicherungsnehmern abgeschlossenen Kautionsversicherungen entstehen. Die Kautionsrückversicherung wird also nicht von der Fiktion des § 2 Abs. 2 VersStG erfasst. Damit unterliegt das Versicherungsentgelt –anders als bei der Kautionsversicherung– der Versicherungsteuer. Kautionsversicherung und Kautionsrückversicherung sind steuerrechtlich getrennt zu behandeln13.
Die Zahlung des Versicherungsentgelts für eine sog. Kautionsrückversicherung ist nicht nach § 4 Nr. 1 VersStG von der Versicherungsteuer befreit, wenn durch die Versicherung die Gefahr aus einem Vertrag übernommen wird, der nach § 2 Abs. 2 VersStG nicht als Versicherungsvertrag gilt. Eine Rückversicherung i.S. des § 4 Nr. 1 VersStG setzt eine andere steuerbare Versicherung voraus, deren Risiko abgesichert wird15. Das ergibt sich aus dem Wortlaut, dem Sinn und Zweck sowie der Entstehungsgeschichte der Vorschrift.
Von der Besteuerung ausgenommen ist die Zahlung des Versicherungsentgelts für eine Rückversicherung (§ 4 Nr. 1 VersStG).
Der Begriff der Rückversicherung im Sinne dieser Vorschrift wird im VersStG nicht definiert. Ob eine Versicherung die Voraussetzungen des § 4 Nr. 1 VersStG erfüllt, ist maßgeblich aus versicherungsteuerrechtlicher Sicht zu bestimmen. Steuerrechtliche Tatbestandsmerkmale sind nach dem steuerrechtlichen Bedeutungszusammenhang, nach dem Zweck des jeweiligen Steuergesetzes und dem Inhalt der einschlägigen Einzelregelung zu interpretieren16. Für die Annahme einer Rückversicherung i.S. des § 4 Nr. 1 VersStG reicht es deshalb nicht aus, dass die Versicherung versicherungsrechtlich betrachtet als Rückversicherung einzustufen ist.
Eine Rückversicherung i.S. des § 4 Nr. 1 VersStG setzt begrifflich eine andere (steuerbare) Versicherung voraus, deren Wagnis ganz oder teilweise vom Rückversicherer übernommen wird17. Eine Rückversicherung ist schon nach dem allgemeinen Sprachverständnis nicht allein eine Versicherung zwischen einem Versicherer und einem Versicherungsnehmer, sondern vielmehr eine besondere Art der Versicherung, die der Absicherung einer anderen Versicherung dient.
Darauf deutet auch Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2005/68/EG hin. Danach bezeichnet der Begriff Rückversicherung im Sinne dieser Richtlinie die Tätigkeit der Übernahme von Risiken, die von einem Versicherungsunternehmen oder einem anderen Rückversicherungsunternehmen abgegeben werden. Auch wenn dieser Begriff, der nur auf die Übernahme der durch Versicherungsunternehmen abgegebenen Risiken abstellt, für das Versicherungsteuerrecht zu eng ist, kann daraus dennoch der Schluss gezogen werden, dass eine Rückversicherung das Bestehen einer weiteren Versicherung voraussetzt, deren Gefahr ganz oder teilweise übernommen wird. Von diesem Begriffsverständnis wird auch versicherungsrechtlich ausgegangen; Rückversicherung ist die Versicherung der von dem Versicherer übernommenen Gefahr18.
Bei einer sog. Kautionsrückversicherung, die Gefahren aus den von einem Versicherer abgeschlossenen Kautionsversicherungen abdeckt, gelten jedoch die Verträge, deren Risiko durch die Kautionsrückversicherung übernommen wird, nach § 2 Abs. 2 VersStG nicht als Versicherungsverträge. Aus versicherungsteuerrechtlicher Sicht fehlt es deshalb bei einer solchen „Kautionsrückversicherung“ an einer anderen steuerbaren Versicherung und damit an einem Wesensmerkmal der Rückversicherung i.S. des § 4 Nr. 1 VersStG. Diese Art der „Kautionsrückversicherung“ ist versicherungsteuerrechtlich eine Erstversicherung.
Auch die Entstehungsgeschichte und der Zweck der Steuerbefreiung einer Rückversicherung sprechen dafür, dass eine Rückversicherung i.S. des § 4 Nr. 1 VersStG neben dem Rückversicherungsverhältnis zwischen dem Rückversicherer und dem Versicherer ein anderes durch Vertrag oder auf sonstige Weise entstandenes Versicherungsverhältnis i.S. des § 1 Abs. 1 VersStG zwischen dem Versicherer und einem Versicherungsnehmer voraussetzt, dessen Gefahr durch die Rückversicherung übernommen wird.
Die Steuerbefreiung für Rückversicherungen war –in Anlehnung an entsprechende Regelungen in früheren Stempelsteuergesetzen– bereits in § 8 Nr. 2 VersStG a.F. enthalten und wurde seitdem in sämtliche Neufassungen des VersStG (nunmehr in § 4 Nr. 1 VersStG) übernommen19. Durch die Steuerbefreiung der Rückversicherung soll eine mehrfache Besteuerung vermieden werden, weil die Rückversicherung wirtschaftlich gesehen ein Risiko betrifft, das schon bei der Besteuerung des Versicherungsentgelts für die zugrunde liegende Versicherung steuerlich erfasst worden ist20.
Dieser Zweck rechtfertigt es, eine Versicherung, die eine Kautionsversicherung i.S. des § 2 Abs. 2 VersStG absichert, nicht als steuerfreie Rückversicherung i.S. des § 4 Nr. 1 VersStG zu qualifizieren. Bei einer solchen „Kautionsrückversicherung“ kann von vornherein keine Doppelbelastung mit Versicherungsteuer eintreten, weil der Vertrag, dessen Gefahr durch die Rückversicherung übernommen wurde, nach § 2 Abs. 2 VersStG nicht als Versicherungsvertrag gilt und damit ein steuerbares Versicherungsverhältnis i.S. des § 1 Abs. 1 VersStG nicht gegeben ist. Das Versicherungsentgelt für den Kautionsversicherungsvertrag unterliegt nicht der Versicherungsteuer.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 19.6.2013 – II R 26/11
- BFH, Urteil vom 08.12.2010 – II R 12/08, BFHE 232, 223, BStBl II 2012, 383, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil vom 16.12.2009 – II R 44/07, BFHE 228, 285, BStBl II 210, 1097, m.w.N.[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 29.11.2006 – II R 78/04, BFH/NV 2007, 513[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFH/NV 2007, 513[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 11.05.1967 – V 5/64, BFHE 89, 198, BStBl III 1967, 643[↩]
- vgl. RFH, Urteil vom 13.05.1930 – VII 501/29, RFHE 129, 1; Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 22.10.2009 C-242/08, Swiss Re Germany Holding, Slg. 2009, I-10099 Rdnr. 38; Lorenz in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 2. Aufl.2009, § 1 Rz 108; Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2005/68/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.11.2005 über die Rückversicherung und zur Änderung der Richtlinien 73/239/EWG, 92/49/EWG des Rates sowie der Richtlinien 98/78/EG und 2002/83/EG –Richtlinie 2005/68/EG–, ABl. L 323, 1 vom 09.12.2005; § 779 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches in der bis 31.12.2007 geltenden Fassung[↩]
- RGBl I 1922, 400[↩]
- Verhandlungen des Reichstags I. Wahlperiode 1920, Bd. 369, Anlage Nr. 2868 zu den Stenografischen Berichten, S. 7[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 13.07.1972 – V R 33/68, BFHE 107, 60[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 09.12.1969 – II 103/63, BFHE 99, 60[↩]
- BGH, Urteile vom 06.07.2006 – IX ZR 121/05, VersR 2006, 1637; und vom 18.11.2010 – IX ZR 17/10, ZInsO 2010, 2391, m.w.N.[↩]
- Prölss in Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 28. Aufl.2010, § 1 Rz 6; Thomas/Dreher, VersR 2007, 731; Rind/Wendt, VersR 2008, 1601; Wendt, ZInsO 2008, 1343; Medert, Versicherungswirtschaft –VW– 2011, 1636[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFHE 89, 198, BStBl III 1967, 643[↩][↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 20.04.1977 – II R 36/76, BFHE 122, 352, BStBl II 1977, 688, unter 4.[↩]
- vgl. BMF, Schreiben in BStBl I 2007, 570; Klink, ZfV 2011, 506, m.w.N.; a.A. Rind/Wendt in VersR 2008, 1601; Medert, VW 2011, 1636[↩]
- vgl. BVerfG, Beschluss vom 27.12.1991 – 2 BvR 72/90, BStBl II 1992, 212, unter 1.a cc[↩]
- vgl. RFH, Urteil vom 06.09.1933 – II A 139/33, RFHE 34, 72[↩]
- vgl. Klimke in Prölss/Martin, a.a.O., § 209 Rz 3; Rixecker in Römer/Langheid, Versicherungsvertragsgesetz, 3. Aufl.2012, § 209 Rz 1[↩]
- vgl. Klink in ZfV 2011, 506, m.w.N.[↩]
- vgl. Greiff, Reichsstempelsteuergesetz, 2. Aufl.1914, 768; Wunschel-Kostboth, Versicherungsteuergesetz 1937, 105; Rind/Wendt in VersR 2008, 1601, 1605; Klink in ZfV 2011, 506, 508[↩]