Verlustabzugs nach § 10d EStG – und seine Vererblichkeit

Nur bei einer wirtschaftlichen Belastung durch die Verluste des Erblassers besteht die Möglichkeit des Erben zum Verlustabzug nach § 10d EStG.

Verlustabzugs nach § 10d EStG – und seine Vererblichkeit

§ 10d EStG ermöglicht unter den dort bezeichneten Voraussetzungen eine interperiodische Verrechnung von Verlusten, die im Veranlagungszeitraum ihrer Entstehung nicht ausgeglichen werden konnten und gewährt dem Steuerpflichtigen eine subjektiv-öffentliche Berechtigung zum Verlustabzug, d.h. zur Verrechnung der im Veranlagungszeitraum ihrer Entstehung nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte mit den positiven Einkünften vorangegangener (Verlustrücktrag) oder nachfolgender Veranlagungszeiträume (Verlustvortrag).

Der Große Bundesfinanzhof des Bundesfinanzhofs hat entschieden, dass der Erbe einen vom Erblasser nicht ausgenutzten Verlustabzug nach § 10d EStG nicht bei seiner eigenen Veranlagung zur Einkommensteuer geltend machen kann, jedoch die bisherige gegenteilige Rechtsprechung des BFH aus Gründen des Vertrauensschutzes in allen Erbfällen anzuwenden ist, die -wie im Streitfall- bis zum Ablauf des Tages der Veröffentlichung dieses Beschlusses eingetreten sind1.

Nach dieser bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs konnte der Erbe vom Erblasser nicht verbrauchte Verluste somit gemäß § 10d EStG geltend machen, weil er als dessen Gesamtrechtsnachfolger auch steuerlich gleichsam die Person des Erblassers fortsetzte2. Es kam nicht darauf an, ob der Erbe den Betrieb des Erblassers, in dem der Verlust entstanden war, fortführte3. Voraussetzung für den Verlustabzug war jedoch, dass der oder die Erben den Verlust auch tatsächlich getragen haben4. Eine wirtschaftliche Belastung fehlte jedenfalls, wenn der Erbe für Nachlassverbindlichkeiten gar nicht oder nur beschränkt haftete5.

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Den Verlust „wirklich tragen“ bzw. durch ihn „wirtschaftlich belastet“ zu sein, bedeutete aber nicht, dass es allein darauf ankommt, ob der Erbe rechtlich für Schulden des Erblassers in Anspruch genommen werden kann. Es besagt vielmehr, dass der Erbe aufgrund der Verluste des Erblassers wirtschaftlich in seiner Einkommens- oder Vermögenssphäre belastet ist. Haftet der Erbe zwar kraft Gesetzes für Verbindlichkeiten, die mit den Verlusten des Erblassers in Zusammenhang stehen, ist aber auszuschließen, dass er sie tatsächlich begleichen muss, so ist er durch die Verluste wirtschaftlich nicht belastet6.

Für diese Beurteilung ist maßgebend, dass den Tatbestand der Erzielung von Einkünften in Form von Verlusten ausschließlich der Erblasser erfüllt. Die Berücksichtigung eines von ihm nicht ausgeschöpften Verlustabzugs beim Erben durchbricht die das Einkommensteuerrecht beherrschenden Grundsätze der Individualbesteuerung und der Besteuerung nach der persönlichen Leistungsfähigkeit. Diese Durchbrechung lässt sich nur rechtfertigen, wenn auch der Erbe durch die „ererbten“ Verluste in seiner Leistungsfähigkeit beeinträchtigt ist. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit des Erblassers über die Gesamtrechtsnachfolge beim Erben fortwirkt. Die Einkommensteuer ist eine Personensteuer; Erbe und Erblasser sind verschiedene Rechtssubjekte, die jeder für sich zur Einkommensteuer veranlagt werden7. Ob die Verluste des Erblassers die Leistungsfähigkeit des Erben beeinträchtigen, richtet sich nach den Verhältnissen bei dem Erben nach Eintritt des Erbfalls8.

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Die Feststellungslast für die objektiven Umstände, aus denen auf die wirtschaftliche Belastung des Erben geschlossen werden kann, trägt der Steuerpflichtige. Kann sich das Finanzgericht unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls nicht mit der dafür erforderlichen Sicherheit davon überzeugen, dass der Erbe durch die Verluste des Erblassers wirtschaftlich belastet ist, geht dies zu Lasten des Steuerpflichtigen, der sich hierauf beruft.

Eine wirtschaftliche Belastung folgt nicht aus dem Umstand, dass dem Erben aufgrund eines Verlusts des Erblassers lediglich ein geringeres Vermögen zufällt9.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 4. Oktober 2016 – IX R 9/16

  1. BFH, Beschluss vom 17.12 2007 – GrS 2/04, BFHE 220, 129, BStBl II 2008, 608, unter D.IV. und V.[]
  2. z.B. BFH, Urteile vom 22.06.1962 – VI 49/61 S, BFHE 75, 328, BStBl III 1962, 386; vom 17.05.1972 – I R 126/70, BFHE 105, 483, BStBl II 1972, 621; vom 05.05.1999 – XI R 1/97, BFHE 189, 57, BStBl II 1999, 653[]
  3. BFH, Urteil in BFHE 75, 328, BStBl III 1962, 386[]
  4. BFH, Urteile in BFHE 75, 328, BStBl III 1962, 386; in BFHE 189, 57, BStBl II 1999, 653; und vom 14.06.2016 – IX R 30/15; BFH, Beschlüsse vom 14.05.2009 – IX B 216/08; vom 22.05.2013 – IX B 185/12, BFH/NV 2013, 1233[]
  5. BFH, Beschluss vom 29.03.2000 – I R 76/99, BFHE 191, 353, BStBl II 2000, 622, unter II.[]
  6. BFH, Urteil in BFHE 189, 57, BStBl II 1999, 653; ebenso BFH, Urteil vom 14.06.2016 – IX R 30/15[]
  7. so bereits BFH, Urteil in BFHE 189, 57, BStBl II 1999, 653[]
  8. BFH, Urteil vom 14.06.2016 – IX R 30/15[]
  9. so bereits ausdrücklich BFH, Urteil in BFHE 189, 57, BStBl II 1999, 653; BFH, Beschluss in BFH/NV 2013, 1233[]
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