Nach § 63 Abs. 1 GKG a.F. werden im Übrigen -§§ 61, 62 GKG a.F. betrafen bürgerliche Rechtsstreitigkeiten (§ 61 GKG a.F.), die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung (§ 62 GKG a.F.)- die Gebühren fällig, sobald eine unbedingte Entscheidung über die Kosten ergangen ist oder das Verfahren oder die Instanz durch Vergleich, Zurücknahme oder anderweitige Erledigung beendigt ist (heute auch im Finanzprozess abweichend, § 6 Abs. 1 Nr. 5, § 9 Abs. 2 GKG).

Nach § 10 Abs. 1 GKG a.F. (heute § 5 Abs. 1 Satz 1 GKG) verjähren Ansprüche auf Zahlung von Kosten in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem das Verfahren durch rechtskräftige Entscheidung über die Kosten, durch Vergleich oder in sonstiger Weise beendet ist.
as Rechtsinstitut der Verwirkung, das auch im Steuerrecht existiert, setzt hinsichtlich seines Tatbestandes neben einem bloßen Zeitmoment (zeitweiliges Untätigwerden des Anspruchsberechtigten) zum einen ein bestimmtes Verhalten des Anspruchsberechtigten voraus, das den Verpflichteten darauf vertrauen lässt, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Vertrauenstatbestand). Hinzukommen muss eine Vertrauensfolge. Der Steuerpflichtige muss im Vertrauen auf die Nichtgeltendmachung des Anspruchs bestimmte Maßnahmen oder Vorkehrungen getroffen oder unterlassen haben, die für ihn die Entrichtung der nachträglich doch noch festgesetzten Steuer wegen der damit verbundenen Nachteile billigerweise nicht mehr zumutbar erscheinen lassen. Das tatbestandliche Erfordernis einer solchen „Vertrauensfolge“ folgt aus dem Zweck des Rechtsinstituts der Verwirkung, den Steuerpflichtigen vor den (erheblichen) Nachteilen zu schützen, die nicht entstanden wären, wenn das Finanzamt den Steueranspruch rechtzeitig richtig geltend gemacht hätte [1].
Diese Rechtsgrundsätze sind allgemeiner Natur, nicht auf Steueransprüche beschränkt und auf die Erhebung der Gerichtskosten übertragbar.
Es fehlt im Streitfall sowohl am Vertrauenstatbestand als auch an der Vertrauensfolge.
Wenn vorliegend auch ein Zeitmoment vorhanden sein mag, so sind jedoch keine Umstände erkennbar, aus denen die Erinnerungsführer ein Vertrauen hätten schöpfen können, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Vertrauenstatbestand).
Sollten die Erinnerungsführer allein wegen der langen Zeiträume tatsächlich nicht mehr mit einer Erhebung der Kosten gerechnet haben, so ist dies lediglich ein Zeitmoment, das für sich genommen die Verwirkung nicht begründet. Es fehlt an einem vertrauensbegründenden Verhalten des Kostengläubigers.
Erst recht ist nicht erkennbar, inwieweit die Erinnerungsführer in ihrem etwaigen ‑schon nicht schutzwürdigen- Vertrauen in die Nichterhebung der Kosten etwas unternommen haben sollten, was die Entrichtung der Kosten nunmehr unzumutbar erscheinen ließe. Für eine derartige Vertrauensfolge ist nichts vorgetragen und auch von Amts wegen nichts erkennbar.
Es besteht auch kein Anlass, die Kosten wegen unrichtiger Sachbehandlung nicht zu erheben.
Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG a.F. (heute § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG) werden Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, nicht erhoben. Die Entscheidung hierüber trifft gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 GKG a.F. (heute § 21 Abs. 2 Satz 1 GKG) das Gericht.
Die Entscheidung über die Nichterhebung der Kosten nach § 8 Abs. 2 Satz 1 GKG a.F. ist Bestandteil des Verfahrens über den Kostenansatz einschließlich des Erinnerungsverfahrens nach § 66 GKG und deswegen unselbständiger Teil der vorliegenden Entscheidung [2].
Die Voraussetzungen der Nichterhebung von Kosten liegen indes nicht vor. Weder erfüllt das Verfahren des Finanzgericht, das zur Aufhebung und Zurückverweisung geführt hat, noch die lange Verfahrensdauer die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG a.F.
Die Abweisung der Klage im ersten Rechtszug als unzulässig war nicht „unrichtig“ i.S. des § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG a.F.
Den Erinnerungsführern ist allerdings insoweit zuzustimmen, als die Kosten des Revisionsverfahrens – X R 10/00 bei objektiv zutreffender Behandlung der Sache beim Finanzgericht in dem Klageverfahren 3 K 9028/98 nicht entstanden wären. Das gilt unabhängig von dem Umfang des letztlich erzielten Erfolgs. Hätte das Finanzgericht die Klage nicht als unzulässig abgewiesen, sondern sogleich die Sachprüfung vorgenommen, so hätte es des ersten Rechtszuges einschließlich des Revisionsverfahrens nicht bedurft. Die Fehlerhaftigkeit der Sachbehandlung beim Finanzgericht im ersten Rechtszug ihrerseits ist mit dem Revisionsurteil vom 29.11.2000 unwiderleglich festgestellt.
Der Entscheidung über die Nichterhebung der Kosten stünde nicht entgegen, dass der Fehler nicht in der Instanz geschehen ist, in der die Kosten erhoben werden. § 8 GKG a.F. enthält eine derartige Differenzierung nicht. Soweit der Bundesfinanzhof in seinem Beschluss in BFH/NV 2013, 1106 unter Bezugnahme auf weitere Rechtsprechung des BFH ausgeführt hat, die „Sache“ im Sinne der Vorschrift sei das Verfahren, in dem die Kosten erhoben werden, enthält auch dies lediglich eine Begrenzung auf das jeweilige Verfahren, nicht jedoch auf bestimmte Verfahrensabschnitte [3].
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs setzt die Nichterhebung von Kosten aber ein erkennbares Versehen oder schwere, offensichtliche Verstöße gegen eindeutige Vorschriften voraus [4]. Daran fehlt es.
Die genannten Entscheidungen beziehen sich auf Konstellationen, in denen eine fehlerhafte Sachbehandlung durch gerade diejenige Entscheidung gerügt wurde, für die die Kosten erhoben wurden.
In anderen Fällen ist § 8 GKG a.F. bzw. § 21 GKG nicht uneingeschränkt anwendbar, weil ansonsten der Rechtsstreit einschließlich der darin enthaltenen Kostenentscheidung neu aufgerollt werden müsste und das Rechtsbehelfssystem sowie ggf. die Rechtskraft unterlaufen würde.
In diesen Fällen stellt sich nach Überzeugung des Bundesfinanzhofs nicht in erster Linie in Frage, ob die Sache richtig behandelt wurde ‑was sie nicht wurde‑, sondern ob die unrichtige Behandlung der Sache Kosten verursacht hat, die bei richtiger Behandlung nicht entstanden wären, woran es fehlt. Denn die Kosten sind in solchen Fällen ungeachtet der Kostenfreiheit, die die Finanzämter gemäß § 2 GKG genießen, dem Grunde nach entstanden. In der Sache richten sich derartige Einwände ausschließlich gegen die materiell-rechtliche Richtigkeit der Sachentscheidung, ggf. einschließlich der Kostengrundentscheidung.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gelten die Beschränkungen auf erkennbare Versehen oder schwere, offensichtliche Verstöße gegen eindeutige Vorschriften ‑mit unterschiedlichen Formulierungen im Detail- aber auch dann, wenn Fehler der Vorinstanz bestimmte Kosten überhaupt erst haben entstehen lassen [5]. Der Bundesfinanzhof folgt dieser Rechtsprechung.
Ein schwerer, offensichtlicher Verstoß gegen eindeutige Vorschriften ‑ein Versehen kommt erkennbar nicht in Betracht- ist dem Finanzgericht nicht unterlaufen.
Zwar ist der Anwendungsbereich des § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO nicht so klar, dass sich ein Kläger auch ohne richterlichen Hinweis stets im Klaren darüber sein müsste, ob den Anforderungen genügt ist, sondern hängt, wie der Bundesfinanzhof im Urteil in BFH/NV 2001, 627 ausgeführt hatte, von den Umständen des Einzelfalls ab. Dies rechtfertigte die Annahme, das Finanzgericht hätte einen entsprechenden Hinweis erteilen müssen.
Allerdings hängt auch die Reichweite der richterlichen Hinweispflicht aus § 96 Abs. 2 FGO von den Umständen des Einzelfalls ab und ist nicht so klar, dass die Nichterteilung eines Hinweises stets als schwerer und offensichtlicher Verstoß gewertet werden könnte.
Von einem schweren, offensichtlichen Verstoß gegen die Hinweispflicht ist folglich nicht stets dann auszugehen, wenn sich der klägerische Vortrag an beliebiger Stelle im Unschärfebereich des § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO bewegt. Davon ist erst dann auszugehen, wenn sich der Fall in der Randzone zu demjenigen Bereich bewegt, in dem die ausreichende Bezeichnung des Klagebegehrens und damit die Zulässigkeit der Klage zu bejahen ist.
Hingegen liegt ein schwerer, offensichtlicher Verstoß jedenfalls nicht vor, wenn die Bezeichnung des Klagebegehrens sich in der gegenüberliegenden Randzone des Unschärfebereichs an der Grenze zur eindeutigen Unzulässigkeit der Klage befindet.
In diesem Bereich bewegt sich der Streitfall, über den das Finanzgericht bzw. der Bundesfinanzhof in dem Revisionsverfahren – X R 10/00 zu entscheiden hatte. Der Vortrag, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb und aus Kapitalvermögen seien zu hoch, ergänzt durch die Bezugnahme auf den Vortrag in bereits abgeschlossenen Verfahren, ist derart knapp, dass die Würdigung, das Klagebegehren sei nicht bezeichnet, wohl näher lag als ihr Gegenteil.
Auch die Dauer des Verfahrens ‑ungeachtet der Frage, wie diese insgesamt zu bewerten ist- rechtfertigt die Nichterhebung der Kosten nach § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG a.F. nicht. Die Vorschrift setzt einen Kausalzusammenhang zwischen der unrichtigen Behandlung der Sache und der Entstehung der Kosten voraus. Der Bundesfinanzhof vermag schon nicht zu erkennen, dass das Finanzgericht das Verfahren im ersten Rechtsgang verzögert hat. Auf etwaigen späteren Verfahrensverzögerungen, sollten diese überhaupt vorliegen, können die Kosten des Revisionsverfahrens – X R 10/00 denknotwendig nicht beruhen. Im Übrigen haben die Kosten für ein durch einen Verstoß gegen § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO notwendig gewordenes Revisionsverfahren nichts mit einer Verzögerung des Verfahrens zu tun [6].
Über einen Erlass auf der Grundlage von § 198 Abs. 4 GVG kann im Erinnerungsverfahren nicht entschieden werden. Ungeachtet der vorgenannten Überlegungen ist über eine derartige Wiedergutmachungsleistung ausschließlich in dem Verfahren nach §§ 198 ff. GVG zu entscheiden.
Zwar wurden vorliegend die Kosten nach der Kostengrundentscheidung des Finanzgericht im zweiten Rechtszug nicht erhoben, obwohl sie bereits zum damaligen Zeitpunkt fällig geworden waren. Insofern mag es für die Erinnerungsführer überraschend gewesen sein, wenn die Kostenstelle nunmehr in einer vergleichbaren prozessualen Situation nach der Kostengrundentscheidung im dritten Rechtszug trotz fehlender Rechtskraft die Gebühren in Rechnung gestellt und nicht mehr ‑wie es aus Sicht der Erinnerungsführer möglicherweise nahe gelegen hätte- die Rechtskraft abgewartet hat. Letzteres könnte etwaige spätere Berichtigungen vermeiden. Wenn aber nach Lage der Dinge tatsächlich noch eine Kostenrechnung zu erwarten war, nur möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt, kann ein Vertrauen auf eine endgültige Freistellung von den Kosten nicht bereits zum früheren Zeitpunkt entstanden sein.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 31. Januar 2014 – X E 8/13
- grundlegend BFH, Urteil vom 14.09.1978 – IV R 89/74, BFHE 126, 130, BStBl II 1979, 121; Anschluss durch Beschluss vom 04.10.1984 – IV R 180/82, BFH/NV 1986, 215[↩]
- BFH, Beschluss vom 25.03.2013 – X E 1/13, BFH/NV 2013, 1106; Schwarz in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 139 FGO Rz 150, 170, m.w.N.[↩]
- so auch die den Entscheidungen des BGH zugrunde liegenden Sachverhalte: BGH, Beschlüsse vom 27.01.1994 – V ZR 7/92; und vom 10.03.2003 – IV ZR 306/00, NJW-RR 2003, 1294, HFR 2004, 175, m.w.N.[↩]
- BFH, Beschlüsse vom 12.10.2005 – X E 2/05, BFH/NV 2006, 326; vom 12.02.2009 – X E 2/09, n.v.; vom 19.10.2009 – X E 11/09, BFH/NV 2010, 225; vom 07.10.2010 – II E 6/10, BFH/NV 2011, 59[↩]
- vgl. BGH, Beschlüsse vom 08.10.1986 – VIII ZR 86/84, BGHZ 98, 318, Neue Juristische Wochenschrift 1987, 1023; vom 27.01.1994 – V ZR 7/92, n.v.; in NJW-RR 2003, 1294, HFR 2004, 175, m.w.N. [nur Verstoß gegen eine klare gesetzliche Regelung, insbesondere ein schwerer Verfahrensfehler, der offen zutage tritt, nicht einfache rechtfehlerhafte Behandlung]; sowie vom 04.05.2005 – XII ZR 217/04, MDR 2005, 956, NJW-RR 2005, 1230; ebenso ausdrücklich für diese Konstellation Meyer, GKG 13. Aufl., § 21 Rz 5; für den Fall abweichender Rechtsauffassung oder „leichter Verfahrensfehler“ Binz/Dörndorfer/Petzold/Zimmermann, GKG, 2. Aufl., § 21 Rz 6; Oestreich/Hellstab/Trenkle, GKG, § 21 Rz 9, Rz 13 Buchst. t, Rz 16 Buchst. c; widersprüchlich Rz 25[↩]
- vgl. zur Kausalität BFH, Beschluss vom 30.01.1990 – VIII E 1/90, BFH/NV 1990, 520[↩]
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