Bei einer Vollbeendigung der Kommanditgesellschaft gehen die Beteiligtenstellung und Prozessführungsbefugnis der KG uneingeschränkt auf den ehemaligen Kommanditisten über.

Eine Verfahrensunterbrechung nach § 155 FGO i.V.m. § 239 Abs. 1 ZPO tritt in diesem Fall nicht ein. Lediglich das Rubrum ist entsprechend zu ändern.
So auch in dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall: Die KG, die zulässigerweise gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO Klage gegen den Feststellungsbescheid 2007 erhoben und Revision gegen die Vorentscheidung eingelegt hatte, ist während des Revisionsverfahrens erloschen. Wie sich aus den vom Finanzamt vorgelegten Unterlagen ergibt, ist die Kommanditistin aus der KG ausgeschieden. Damit ist deren Gesamthandsvermögen auf den verbliebenen Gesellschafter im Wege der Anwachsung gemäß § 161 Abs. 2, § 105 Abs. 3 HGB i.V.m. § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB ohne Liquidation übergegangen. Die KG wurde damit sofort vollbeendet1.
Erlischt eine Personengesellschaft durch Vollbeendigung ohne Abwicklung, kann nach ständiger Rechtsprechung des BFH ein Gewinnfeststellungsbescheid nur noch von den früheren Gesellschaftern angefochten werden, deren Mitgliedschaft die Zeit berührt, die der anzufechtende Gewinnfeststellungsbescheid betrifft. Die Befugnis der Personengesellschaft, in Prozessstandschaft für ihre Gesellschafter Rechtsbehelfe gegen die Gewinnfeststellungsbescheide einzulegen, ist mit deren Vollbeendigung daher erloschen. Insoweit lebt die bis zum Zeitpunkt der Vollbeendigung überlagerte Klagebefugnis der einzelnen Gesellschafter wieder auf. Die Klagebefugnis geht deshalb auch nicht auf den Gesamtrechtsnachfolger der Personengesellschaft über2.
Tritt die Vollbeendigung -wie im Streitfall- während des Revisionsverfahrens ein, sind grundsätzlich die durch den angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheid beschwerten Gesellschafter, die im Streitzeitraum an der Personengesellschaft beteiligt waren, als deren prozessuale Rechtsnachfolger anzusehen3. Die Beteiligtenstellung und Prozessführungsbefugnis gehen mit der Vollbeendigung auf diese ehemaligen Gesellschafter über4. Dabei erstreckt sich die prozessuale Rechtsnachfolge nicht auf solche Gesellschafter, die bereits vor Klageerhebung aus der Gesellschaft ausgeschieden sind5.
Der Eintritt der ehemaligen Gesellschafter ist verfahrensrechtlich wie ein Fall der Gesamtrechtsnachfolge i.S. von § 155 FGO i.V.m. § 239 ZPO zu beurteilen6.
War die Prozessstandschafterin, hier die KG, durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten, so greift insoweit § 246 ZPO ein. Danach tritt in den Fällen des § 239 ZPO eine Unterbrechung des Verfahrens nicht ein, wenn ein postulationsfähiger Prozessbevollmächtigter bestellt war und dieser und der Prozessgegner keinen Antrag auf Aussetzung des Verfahrens gemäß § 246 Abs. 1 ZPO stellen.
Nach § 155 FGO i.V.m. § 86 ZPO wird die Vollmacht durch den Wegfall des Vollmachtgebers nicht aufgehoben. Die Vollmacht behält im Verhältnis zu den Rechtsnachfolgern, die anstelle des Vollmachtgebers Gesellschafter geworden sind, ihre Wirkung7. § 86 ZPO gilt entsprechend bei einem Wegfall der gesetzlichen Prozessstandschaft.
Macht der Prozessbevollmächtigte von der Aussetzungsmöglichkeit (§ 155 FGO i.V.m. § 246 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO) keinen Gebrauch, so müssen die prozessualen Rechtsnachfolger die Prozesshandlungen des Prozessbevollmächtigten auch dann gegen sich gelten lassen, wenn sie den Bevollmächtigten nicht selbst mit ihrer Vertretung beauftragt haben8.
Diese Rechtsfolgen treten auch dann ein, wenn im Falle einer liquidationslosen Vollbeendigung ein -wie ggf. hier- noch nicht endgültig abgewickelter Streit mit den Finanzbehörden über eine Betriebssteuer der ehemaligen Personengesellschaft besteht. Die Personengesellschaft kann bei einem noch andauernden Streit über eine Betriebssteuer nur dann für steuerrechtliche Zwecke als fortbestehend angesehen werden, wenn sie in das Liquidationsstadium eingetreten ist und nicht ohne Liquidation vollbeendet wurde9.
Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen war das Revisionsverfahren ohne Unterbrechung allein mit dem Gesellschafter als prozessualem Rechtsnachfolger der KG fortzusetzen. Die KG war bereits vor dem Finanzgericht durch die im Revisionsverfahren auftretenden Prozessbevollmächtigten vertreten. Die Prozessbevollmächtigten haben die Aussetzung des Revisionsverfahrens nicht beantragt.
Schließlich ist der Bundesfinanzhof nicht gehalten, die mündliche Verhandlung unter Ladung des Gesellschafters nach § 121 i.V.m. § 93 Abs. 3 Satz 2 FGO wiederzueröffnen.
Der Bundesfinanzhof ist erst nach Durchführung der mündlichen Verhandlung und nach formloser Bekanntgabe der Urteilsformel von der Vollbeendigung der KG informiert worden. Die formlose Bekanntgabe der Urteilsformel führt dazu, dass das Gericht an seine Entscheidung gebunden ist10. Nach diesem Zeitpunkt ist eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht mehr möglich11. Damit bleibt der Gesellschafter als prozessualer Rechtsnachfolger der KG an diese Entscheidung gebunden.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 13. Oktober 2016 – IV R 33/13
- z.B. BFH, Beschluss vom 17.10.2013 – IV R 25/10, Rz 18, m.w.N.[↩]
- z.B. BFH, Beschluss vom 17.10.2013 – IV R 25/10, Rz 19, m.w.N.[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 28.10.2008 – VIII R 71/06, unter III. 1.b[↩]
- BFH, Urteil vom 25.04.2006 – VIII R 52/04, BFHE 214, 40, BStBl II 2006, 847, unter II.A.01.a[↩]
- BFH, Beschluss vom 17.10.2013 – IV R 25/10, Rz 20, m.w.N.[↩]
- grundlegend BFH, Urteil vom 22.11.1988 – VIII R 90/84, BFHE 155, 250, BStBl II 1989, 326, unter 2.[↩]
- z.B. BFH, Beschluss vom 17.10.2013 – IV R 25/10, Rz 23, m.w.N.[↩]
- z.B. BFH, Beschluss vom 17.10.2013 – IV R 25/10, Rz 24, m.w.N.[↩]
- vgl. BFH, Beschluss vom 12.04.2007 – IV B 69/05, BFH/NV 2007, 1923, unter 1.c[↩]
- BFH, Beschluss vom 18.09.2014 – IX B 19/14, Rz 9, m.w.N.[↩]
- z.B. BFH, Beschluss vom 08.03.2011 – IV S 14/10, Rz 9, m.w.N.; Gräber/Herbert, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 93 Rz 8, m.w.N.[↩]