Die Möglichkeit, das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, folgt für den Steuerprozess aus § 155 FGO i.V.m. § 251 ZPO. § 251 ZPO eröffnet dem erkennenden Gericht ein Ermessen. Infolgedessen ist auch die Entscheidung des Gerichts, eine bestehende Verfahrensruhe zu beenden und das Verfahren fortzusetzen, eine Ermessensentscheidung [1].

Bei einer Ermessensentscheidung des Finanzgericht, die mit der Beschwerde angefochten wird, darf sich der BFH nicht auf die bloße Ermessenskontrolle beschränken. Er hat vielmehr eigenes Ermessen auszuüben [2].
Bei übereinstimmendem Antrag der Beteiligten darf das Finanzgericht das Ruhen des Verfahrens anordnen, wenn anzunehmen ist, dass dies aus wichtigen Gründen zweckmäßig ist. Davon ist u.a. auszugehen, wenn durch eine bevorstehende Entscheidung eines Parallelfalls eine Förderung des Verfahrens zu erwarten ist [3].
Im vorliegenden Streitfall lag der vom Finanzgericht beschlossenen Verfahrensruhe die Erwägung zugrunde, dass die Ergebnisse zweier BFH-Verfahren nach deren Abschluss wegen der gleichen Rechtsfrage auf das bis dahin ruhende Verfahren übertragen werden könnten. Das ist nicht zu beanstanden, denn wie im streitigen Verfahren ist Gegenstand der beiden Revisionsverfahren die Frage, ob die unbeschränkte Steuerpflicht gemäß § 1 Abs. 3 EStG auch für die Zeiträume eines Kalenderjahres, in denen der Antragsteller keine inländischen Einkünfte i.S. von § 49 EStG erzielt hat, einen Anspruch auf Kindergeld begründet.
Ist in einem Beschluss über die Anordnung des Ruhens des Verfahrens nach § 155 FGO i.V.m. § 251 ZPO als Endzeitpunkt des Ruhens ein bestimmtes Ereignis bezeichnet, so endet das Ruhen und der Beschluss verliert seine Wirkung, sobald dieses Ereignis eintritt [4].
Im vorliegenden Streitfall hat das Finanzgericht das Ruhen des Verfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung in den beiden beim Bundesfinanzhof anhängigen Verfahren angeordnet. Beide Verfahren waren im maßgeblichen Zeitpunkt des angefochtenen Wiederaufnahmebeschlusses beim Bundesfinanzhof noch anhängig, sodass damit eine wesentliche Voraussetzung für die Aufnahme des Verfahrens nicht gegeben war. Auch hatte zu diesem Zeitpunkt kein Verfahrensbeteiligter beantragt, das Verfahren wieder aufzunehmen (§ 155 FGO i.V.m. § 250 ZPO) [5].
Das Gericht kann aber darüber hinaus das Verfahren auch dann wieder aufnehmen, wenn keine wichtigen Gründe mehr vorliegen, die das weitere Ruhen zweckmäßig erscheinen lassen [5]. So liegt der Fall hier. Denn der Bundesfinanzhof hat in einem anderen Verfahren [6] eine Entscheidung zu der genannten Rechtsfrage getroffen. Damit liegen die Voraussetzungen vor, die im Ruhensbeschluss des Finanzgericht als Begründung für das Ruhen des Verfahrens herangezogen worden waren, nämlich dass Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Erkenntnisse für die im vorliegenden Klageverfahren zu treffende Entscheidung bringen können. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass lt. Geschäftsverteilungsplan des Bundesfinanzhofs seit 2012 vier Senatee für „Kindergeld (§§ 62 bis 78 EStG)“ zuständig sind und die Rechtsfrage auch noch tatsächlich Gegenstand weiterer Revisionsverfahren bei verschiedenen BFH-Senaten im Zeitpunkt der Beschlussfassung war [7]. Denn auch in diesem Fall ist die Entscheidung des Finanzgericht, das Klageverfahren nun weiter zu betreiben, noch nicht ermessensfehlerhaft.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 30. Juli 2013 – VI B 37/13
- BFH, Entscheidung vom 12.07.2011 – VI B 28/11, BFH/NV 2011, 1898, m.w.N.[↩]
- Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 102 FGO Rz 26, m.w.N.; Bergkemper in HHSp, § 132 FGO Rz 21, m.w.N.; Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 102 FGO Rz 11[↩]
- Brandis in Tipke/Kruse, a.a.O., § 74 FGO Rz 22; Thürmer in HHSp, § 74 FGO Rz 201[↩]
- BFH, Beschluss vom 09.08.2007 – III B 187/06, BFH/NV 2007, 2310[↩]
- Brandis in Tipke/Kruse, a.a.O., § 74 FGO Rz 22[↩][↩]
- BFH, Urteil in BFHE 239, 327, BStBl II 2013, 491[↩]
- s. BFH – III R 17/11; – III R 63/10; – III R 59/11; – VI R 70/11; – XI R 8/12[↩]
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