Wiedereinsetzung bei falscher Adressierung?

Wird ein Schriftsatz, mit dem ein Rechtsmittel eingelegt werden soll, an das falsche Gericht (hier: an das Ausgangsgericht) adressiert, kommt für den Bundesfinanzhof eine Wiedereinsetzung in die hierdurch versäumte Rechtsmittelfrist nicht in Betracht.

Wiedereinsetzung bei falscher Adressierung?

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 Abs. 1 FGO) ist nicht zu gewähren, da der Prozessbevollmächtigte, dessen Verhalten sich der Kläger zurechnen lassen muss (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO), nicht ohne Verschulden gehindert war, die Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde einzuhalten.

Letzteres ergibt sich daraus, dass der Bevollmächtigte es versäumt hat, die von ihm unterzeichnete Beschwerdeschrift zu überprüfen1. Der Prozessbevollmächtigte hat auch dann, wenn er bei der Anfertigung einer Rechtsmittelschrift geschultes Büropersonal einsetzt, das Arbeitsergebnis jeweils sorgfältig zu überprüfen. Insbesondere muss er prüfen, ob die Rechtsmittelschrift vollständig ist, alle notwendigen Angaben richtig enthält und an das richtige Gericht adressiert ist2.

Ein Prozessbevollmächtigter darf sich bei der Unterzeichnung des Originals des Schriftsatzes nicht darauf verlassen, dass ein von ihm freigegebener Entwurf des Schriftsatzes keine Fehler enthielt. Denn wie sich bereits aus dem eigenen Vortrag des Prozessbevollmächtigten ergibt, ist insbesondere aufgrund möglicher Fehler bei der Speicherung des Entwurfs und bei der Durchführung weiterer Arbeitsschritte (z.B. Einfügung des Entwurfstextes in den Kanzleibriefbogen) nicht sichergestellt, dass das Originalschreiben dem Entwurfsschreiben entspricht. Daher muss der Prozessbevollmächtigte auch prüfen, ob das von ihm unterzeichnete Originalschreiben an das richtige Gericht adressiert ist. Dies gilt umso mehr, wenn der Fehler -wie im Streitfall- ohne weiteres erkennbar ist, weil sich der Inhalt des Schreibens im Wesentlichen auf die Angabe des Adressaten, des angefochtenen Urteils und des Antrags beschränkt. Auch darf sich der Prozessbevollmächtigte seiner Pflicht zur abschließenden Kontrolle des Arbeitsergebnisses nicht dadurch entziehen, dass er auch diese Aufgabe auf seine Büroangestellten delegiert.

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Eine andere Beurteilung ergibt sich im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall auch nicht daraus, dass das Finanzgericht die Beschwerdeschrift nicht noch innerhalb der Beschwerdefrist an den Bundesfinanzhof weitergeleitet hat.

Zwar kommt eine Wiedereinsetzung in Betracht, wenn der fristgebundene Schriftsatz so zeitig eingereicht worden ist, dass die fristgerechte Weiterleitung an das Rechtsmittelgericht im ordentlichen Geschäftsgang ohne weiteres erwartet werden kann3.

Diese Voraussetzungen lagen im Streitfall jedoch nicht vor. Die Beschwerdeschrift wurde erst am letzten Tag der Frist gegen Dienstschluss eingereicht. Dass der Schriftsatz dann am Folgetag der Vorsitzenden des im Schriftsatz durch das angegebene Aktenzeichen benannten Bundesfinanzhofs übermittelt und erst im Laufe eines weiteren Tages an den Bundesfinanzhof übermittelt wurde, ist als Bearbeitung im ordentlichen Geschäftsgang zu werten4.

Der Umstand, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers die fehlerhafte Adressierung bei Unterzeichnung der Beschwerdeschrift nicht bemerkt hat, ist deshalb als ihm allein (und nicht seinen Bürokräften oder den Bediensteten des Finanzgericht) zuzurechnendes Verschulden anzusehen. Mangels Vorliegens eines Wiedereinsetzungsgrundes kommt es nicht darauf an, ob auch die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen des § 56 Abs. 2 FGO gewahrt wurden.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 18. August 2014 – III B 16/14

  1. BFH, Beschluss vom 11.08.2005 – VIII B 291/04, BFH/NV 2006, 80[]
  2. BFH, Beschlüsse vom 08.09.2011 – VIII R 29/09, juris; vom 07.06.1991 – IV R 32/91, BFH/NV 1991, 761, m.w.N.[]
  3. z.B. BFH, Beschluss vom 28.06.2012 – XI B 44/12, BFH/NV 2012, 1811[]
  4. vgl. etwa BFH, Beschluss vom 09.03.2004 – X B 7/04, BFH/NV 2004, 976[]
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