Nach § 81 Abs. 1 Satz 1 FGO hat das Gericht den Beweis in der mündlichen Verhandlung zu erheben. Der Sinn des Grundsatzes der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme und des aus ihm folgenden Gebots, Zeugen grundsätzlich selbst zu hören und sich nicht mit nur schriftlich übermittelten Bekundungen derselben zu begnügen, besteht darin, es dem Gericht zu ermöglichen, aufgrund des persönlichen Eindrucks von den Zeugen und durch kritische Nachfrage die Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen zu überprüfen1. Die schriftliche Bestätigung eines Zeugen reicht daher im Allgemeinen nicht aus.

Ausnahmsweise kann das Finanzgericht die schriftliche Beantwortung einer Beweisfrage anordnen, wenn es dies im Hinblick auf den Inhalt der Beweisfrage und die Person des Zeugen für ausreichend erachtet (§ 82 FGO i.V.m. § 377 Abs. 3 der Zivilprozessordnung -ZPO-). Der Zeuge muss über die allgemeine Aussagetüchtigkeit hinaus die für eine schriftliche Auskunft vorauszusetzende besondere Erkenntnis- und Erklärungsfähigkeit sowie auch Vertrauenswürdigkeit besitzen. Die Anordnung steht im Ermessen des Gerichts und eignet sich nur für Ausnahmefälle, in denen es nicht auf den persönlichen Eindruck ankommt2. Eine schriftliche Beweisaufnahme ist in der Regel nicht ermessensgerecht, wenn persönliche Bindungen zu einer Partei bestehen, etwa wenn der Zeuge z.B. mit der Klägerseite verwandt ist3.
Im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall sind die Zeuginnen – I und K mit der Klägerin verwandt. Die Zeugin K ist die Schwester und die Zeugin – I die Nichte der Klägerin. Das Finanzgericht hat in seinen Urteilen die Aussage der Zeugin K als glaubhaft gewürdigt und bei der Würdigung der Aussage der Zeugin – I zu Lasten der Klägerin ein eigenes wirtschaftliches Interesse der Zeugin – I angenommen. Aufgrund der lediglich schriftlichen Aussagen der beiden Zeuginnen konnte sich das Finanzgericht keinen persönlichen Eindruck von ihnen machen. Der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme schließt aber aus, dass das Gericht schriftliche Erklärungen von Personen, die es als Zeugen hätte vernehmen können, tatsächlich jedoch nicht vernommen hat, so berücksichtigt, als ob es diese Personen als Zeugen vernommen hätte4.
Ein Verfahrensfehler nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO, der für sich bereits zur Zulassung der Revision führen würde, liegt allerdings diesbezüglich in den angefochtenen Urteilen nicht vor. Bei dem Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 81 Abs. 1 Satz 1 FGO) handelt es sich um einen Verfahrensgrundsatz, auf den die Prozessbeteiligten durch rügeloses Verhandeln zur Sache verzichten können, mit der Folge, dass sie ihr Rügerecht verlieren (§ 155 FGO i.V.m. § 295 ZPO)5. Ausweislich des Sitzungsprotokolls hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 24.10.2017 die lediglich schriftlichen Bekundungen der Zeuginnen nicht gerügt, sondern zur Sache verhandelt.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 17. Juli 2019 – II B 30/18; II B 30/18; II B 32/18; II B 33/18; II B 34/18; II B 38/18
- ständige Rechtsprechung, z.B. BFH, Urteil vom 17.05.2005 – VII R 76/04, BFHE 210, 70, unter II. 1.b[↩]
- Hennigfeld/Rosenke in: FGO – eKommentar, § 82 – Fassung vom 01.01.2017, Rz 28[↩]
- vgl. Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 82 FGO Rz 91; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 82 FGO Rz 36; Stiepel in Gosch, FGO § 82 Rz 81; Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl., § 377 Rz 8[↩]
- BFH, Urteil vom 16.01.1975 – IV R 180/71, BFHE 115, 202, BStBl II 1975, 526, unter 3.a[↩]
- BFH, Beschluss vom 11.01.2011 – I B 87/10, BFH/NV 2011, 836, Rz 14[↩]