Personenbeförderung auf Schiffen – als Linienverkehr

Die Umsatzsteuer ermäßigt sich nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG insbesondere für die Beförderungen von Personen im genehmigten Linienverkehr mit Schiffen. Linienverkehr i.S. von § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG ist eine zwischen bestimmten Ausgangs- und Endpunkten eingerichtete regelmäßige Verkehrsverbindung, auf der Fahrgäste an bestimmten Haltestellen ein- und aussteigen können.

Personenbeförderung auf Schiffen – als Linienverkehr

Unionsrechtliche Grundlage ist Art. 98 Abs. 2 i.V.m. Anh. – III Nr. 5 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL). Danach können die Mitgliedstaaten einen ermäßigten Steuersatz auf die Beförderung von Personen und des mitgeführten Gepäcks anwenden. Die den Mitgliedstaaten zuerkannte Wahrnehmung der Möglichkeit einer selektiven Anwendung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes unterliegt allerdings der zweifachen Bedingung des Inhalts, dass zum einen für die Zwecke der Anwendung des ermäßigten Satzes nur konkrete und spezifische Aspekte der in Rede stehenden Kategorie von Leistungen herausgelöst werden, und zum anderen der Grundsatz der steuerlichen Neutralität beachtet wird1.

 § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG definiert den Begriff des genehmigten Linienverkehrs mit Schiffen nicht. Auch das PBefG enthält hierzu keine Regelungen.

Der Bundesfinanzhof orientiert sich bei der Auslegung des Begriffs des Linienverkehrs mit Schiffen an der Regelung zum Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen in § 42 Satz 1 PBefG.

Danach ist Linienverkehr eine zwischen bestimmten Ausgangs- und Endpunkten eingerichtete regelmäßige Verkehrsverbindung, auf der Fahrgäste an bestimmten Haltestellen ein- und aussteigen können. Ausgangs- und Endpunkt der Strecke müssen im Vorhinein fest bestimmt sein. Hinsichtlich der Regelmäßigkeit des Linienverkehrs ist ausschlaggebend, dass er für das Fahrgastpublikum vorhersehbar wiederkehrend -auf derselben Strecke und über eine gewisse Dauer- stattfindet, so dass sich Fahrgäste auf die Benutzung einrichten können. Außerdem muss die sog. Fahrgastfreiheit insofern gewährleistet sein, als ein Linienverkehr einem unbestimmten und unbeschränkten Personenkreis offensteht und auf der Hin- und Rückfahrt ein Fahrgastwechsel eintreten kann oder zumindest wenigstens möglich sein muss. Unerheblich ist demgegenüber, ob eine allgemeine Betriebs- und Beförderungspflicht nach §§ 21, 22 PBefG besteht, so dass lediglich darauf abzustellen ist, dass die für einen Linienverkehr erforderliche Regelmäßigkeit und Fahrgastfreiheit auch die wesentlichen Elemente der Beförderungspflicht nach § 22 PBefG umfasst2.

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In dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall betrieb die klagende Unternehmerin in den Jahren 2012 bis 2016 (Streitjahre) drei Personenschiffe auf dem Fluss A von der Altstadt bis zum Hafen und darüber hinaus auf dem Fluss B. Hierfür verfügte sie über wasserrechtliche Genehmigungen „für den nichtliniengebundenen Personenverkehr (Gelegenheitsverkehr)“ für das „Schiff 1“ und das „Schiff 2“ und eine weitere „Genehmigung für den Linienverkehr“ für das „Schiff 3“. Das Finanzamt versagte ihr den ermäßigen Umsatzsteuersatz für Linienverkehre.

Die dagegen erhobene Sprungklage hatte vor dem Finanzgericht Nürnberg nur teilweise Erfolg3. Nach dem Urteil des Finanzgerichts ergab sich die Steuersatzermäßigung nicht aus den landesrechtlichen Genehmigungen. Maßgeblich sei der Begriff des Linienverkehrs in § 42 des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG). Danach seien im Streitfall nur die Fahrten des „Schiffs 3“ vom und zum Veranstaltungsgelände im Jahr 2012 als Linienverkehr mit Schiffen steuersatzermäßigt. Demgegenüber seien die Rundfahrten mit „Schiff 1“ und „Schiff 2“, etwaige einzelne Fahrten mit „Schiff 3“ in den Jahren 2013 bis 2016 und Sonderfahrten kein Linienverkehr entsprechend § 42 PBefG, da die Unternehmerin diese nicht regelmäßig angeboten habe und für sie keine §§ 21, 22 PBefG vergleichbare Betriebs- und Beförderungspflicht bestanden habe. Der Bundesfinanzhof bestätigte nun diese Entscheidung und verwarf die Revision der Unternehmerin:

Soweit das Finanzgericht die Klage abgewiesen hat, hat es dies zum einen damit begründet, dass die wasserrechtlichen Genehmigungen, die der Unternehmerin nach Landesrecht erteilt wurden, für die umsatzsteuerrechtliche Behandlung nicht bindend sind. Dies ist schon deshalb zutreffend, da sich diese Genehmigungen nach ihrer Rechtsgrundlage in Art. 28 Abs. 4 des Bayerischen Wassergesetzes auf die „Schiff- und Floßfahrt“ im Allgemeinen ohne spezifischen Bezug zu einer entgeltlichen Personenbeförderung beziehen.

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Zum anderen hat das Finanzgericht bei der durch die BFH-Rechtsprechung vorgegebenen Prüfung von § 42 PBefG die Steuersatzermäßigung verneint, da die hierfür erforderliche regelmäßige Verkehrsverbindung fehlt. Das Finanzgericht begründete dies damit, dass sich die Fahrgäste der Unternehmerin nicht, wie für eine regelmäßige Verkehrsverbindung entsprechend § 42 PBefG erforderlich, auf das Vorhandensein einer Verbindung einrichten konnten, da die Unternehmerin ihre Rundfahrten von Wetter und Nachfrage abhängig machte und nur fuhr, wenn sich mindestens 20 Teilnehmer einfanden, was das Finanzgericht einem Handzettel der Unternehmerin aus dem Streitjahr 2016 und deren Außenauftritt im Jahr 2017 entnahm. Es bestünden keine Anhaltspunkte, dass es sich in früheren Jahren anders verhalten haben könnte, zumal das Geschäftsmodell der Unternehmerin seit langem im Wesentlichen unverändert bestehe. Aus Sicht einzelner Fahrgäste oder kleinerer Gruppen sei damit immer ein Unsicherheitselement verblieben. Dies sei kennzeichnend für einen Gelegenheitsverkehr. Diese Würdigung, die bereits für sich zur Verneinung der Steuersatzermäßigung ausreicht, ist möglich, verstößt nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze und bindet daher den Bundesfinanzhof (§ 118 Abs. 2 FGO). Im Hinblick hierauf ist es unerheblich, dass das Finanzgericht seine Entscheidung darüber hinaus entgegen der BFH-Rechtsprechung mit dem Fehlen einer Betriebs- und Beförderungspflicht begründet hat.

Die Überlegungen der Unternehmerin zu den mechanischen Aufstiegshilfen aller Art („Skilift“) ändern hieran nichts, da es dort nicht auf einen Linienverkehr ankommt.

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Bundesfinanzhof, Beschluss vom 24. Juni 2020 – V R 2/19

  1. vgl. EuGH, Urteil „Pro Med Logistik und Pongratz“ vom 27.02.2014 – C-454/12 und – C-455/12, EU:C:2014:111, Rz 45, BStBl II 2015, 437[]
  2. BFH, Urteil vom 28.08.2019 – XI R 27/17, BFH/NV 2020, 108[]
  3. FG Nürnberg, Urteil vom 11.12.2018 – 2 K 524/18, EFG 2019, 299[]

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