Die mehrfache öffentliche Auslegung eines Bebauungsplanentwurfs

Im Falle mehrfacher öffentlicher Auslegung eines Bebauungsplanentwurfs muss ein Antragsteller jedenfalls dann innerhalb der Auslegungsdauer einer weiteren öffentlichen Auslegung Einwendungen erheben, wenn die Umplanung deshalb erfolgte, um den Eigentümerinteressen des Antragstellers angemessen Rechnung zu tragen. Unterbleibt eine Stellungnahme, ist der Antragsteller mit einem Normenkontrollantrag gemäß § 47 Abs. 2a VwGO präkludiert.

Die mehrfache öffentliche Auslegung eines Bebauungsplanentwurfs

Gemäß § 47 Abs. 2a VwGO ist der Antrag einer natürlichen oder juristischen Person, der einen Bebauungsplan zum Gegenstand hat, unzulässig, wenn die den Antrag stellende Person nur Einwendungen geltend macht, die sie im Rahmen der öffentlichen Auslegung (§ 3 Abs. 2 BauGB) nicht oder verspätet geltend gemacht hat, aber hätte geltend machen können, und wenn auf diese Rechtsfolge im Rahmen der Beteiligung hingewiesen worden ist. Die Voraussetzungen der Norm liegen vor.

§ 47 Abs. 2a VwGO belastet den Antragsteller mit der Obliegenheit, „im Rahmen der öffentlichen Auslegung“ nach § 3 Abs. 2 BauGB Einwendungen zu erheben. Eine öffentliche Auslegung ist auch eine Auslegung, die nach § 4a Abs. 3 Satz 1 BauGB erforderlich ist, weil der Entwurf des Bebauungsplans nach dem Verfahren nach § 3 Abs. 2 oder § 4 Abs. 2 BauGB geändert oder ergänzt wird. § 47 Abs. 2a VwGO knüpft die Unzulässigkeit des Normenkontrollantrags an die unterbliebene oder verspätete Geltendmachung von Einwendungen im Rahmen der öffentlichen Auslegung, ohne danach zu unterscheiden, ob es sich um eine erstmalige oder eine erneute Auslegung handelt. Wenn der Entwurf eines Bebauungsplans wegen einer Ergänzung oder Änderung nach dem Verfahren nach § 3 Abs. 2 oder § 4 Abs. 2 BauGB gemäß § 4a Abs. 3 Satz 1 BauGB nochmals ausgelegt und wenn – wie hier – bestimmt wird, dass Stellungnahmen nur zu den geänderten oder ergänzten Teilen abgegeben werden können, muss der Antragsteller deshalb grundsätzlich Einwendungen gegen die sein Grundstück betreffenden Änderungen oder Ergänzungen erheben, wenn er mit ihnen nicht einverstanden ist und sich die Möglichkeit eines Normenkontrollantrags nach § 47 VwGO offen halten möchte.

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Es mag Fallgestaltungen geben, in denen ausnahmsweise keine Obliegenheit besteht, dass ein Antragsteller im Rahmen einer nochmaligen öffentlichen Auslegung Einwendungen erhebt. Da § 47 Abs. 2a VwGO zum Ziel hat, die jeweiligen Interessen rechtzeitig dem Abwägungsmaterial hinzuzufügen und im Hinblick auf die grundsätzliche Aufgabenverteilung zwischen Plangeber und den Verwaltungsgerichten zu verhindern, dass sachliche Einwendungen ohne Not erst im gerichtlichen Verfahren geltend gemacht werden1, mag dies etwa in solchen Fällen nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen, in denen ein Antragsteller im Rahmen einer vorhergehenden öffentlichen Auslegung zulässigerweise Einwendungen gegen die Planung erhoben hat und aus Sicht der Gemeinde kein vernünftiger Zweifel bestehen kann, dass sein Abwehrwille auch gegen die geänderte Planung fortbesteht.

So hat das Bundesverwaltungsgericht bereits entschieden, dass ein anhängiger Normenkontrollantrag nicht nachträglich gemäß § 47 Abs. 2a VwGO unzulässig wird, wenn eine Gemeinde während eines anhängigen Normenkontrollverfahrens ein ergänzendes Verfahren durchführt und der Antragsteller im Rahmen der erneuten öffentlichen Auslegung keine Einwendungen vorbringt. Reagiere der Antragsteller auf das ergänzende Verfahren nicht mit einer Erledigungserklärung, sei nämlich davon auszugehen, dass sich sein Abwehrwille auch gegen den Bebauungsplan in der Gestalt richte, die er durch das ergänzende Verfahren finden solle2. Ob und in welchen Fällen eine im Rahmen einer vorhergehenden öffentlichen Auslegung zulässigerweise erhobene Einwendung im Vorfeld eines Normenkontrollverfahrens den Eintritt der Präklusion verhindert, braucht aus Anlass des vorliegenden Falles nicht entschieden zu werden. Eine frühere Einwendung macht eine Einwendung im Rahmen einer erneuten Auslegung jedenfalls dann nicht entbehrlich, wenn Festsetzungen für das Grundstück des Antragstellers geplant sind, die von der ursprünglichen Planung abweichen und den Antragsteller weniger belasten als anfänglich vorgesehen, aber gleichwohl nicht seine Billigung finden. Würde der Antragsteller aus der Obliegenheit entlassen, eine weitere Stellungnahme abzugeben, wäre die Gemeinde dem Risiko ausgesetzt, dass sie in der Annahme, er sei mit der geänderten Planung einverstanden, seine konkreten Belange verkennt und nicht mehr vor dem Satzungsbeschluss in die Entscheidung einstellen kann3. Für den Antragsteller bedeutet dies, dass er den Ablauf des Bebauungsplanverfahrens bis zum Erlass des Plans verfolgen und seinen Abwehrwillen auch gegen den geänderten Plan zum Ausdruck bringen muss. Unzumutbares wird ihm damit nicht abverlangt. Aufgrund der in § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BauGB normierten Hinweispflichten, die nach § 4a Abs. 3 Satz 1 BauGB auch im Fall einer erneuten Auslegung des Planentwurfs gelten, ist sichergestellt, dass er sowohl über seine Obliegenheit zur Erhebung von Einwendungen im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung als auch über die Folgen der Nichtbeachtung informiert wird. Mit einer unverhältnismäßig hohen, mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art.19 Abs. 4 GG) und der Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) nicht vereinbaren Hürde für die Erlangung gerichtlichen Rechtsschutzes wird er nicht konfrontiert4, zumal die Möglichkeit, den Bebauungsplan in einem (späteren) verwaltungsgerichtlichen Verfahren gegebenenfalls inzident überprüfen zu lassen, durch § 47 Abs. 2a VwGO nicht berührt wird5.

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Ein Fall, in dem ein Antragsteller zur Vermeidung des Eintritts der Präklusion nach § 47 Abs. 2a VwGO im Rahmen einer nochmaligen Auslegung Einwendungen geltend machen muss, liegt im hier vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall vor. Die Antragstellerin war nach ihrer Stellungnahme im Rahmen der zweiten Öffentlichkeitsbeteiligung mit der Ausweisung der gesamten hinteren Grundstücksfläche als Grünfläche nicht einverstanden, weil sie das aufstehende Hofgebäude erhalten wollte, das nach dem Sanierungskonzept der Antragsgegnerin komplett beseitigt werden sollte. Mit der Änderung des Planentwurfs, wie er der dritten Auslegung zugrunde lag – Reduzierung der Grünfläche und Festsetzung eines Baufensters zum Teilerhalt des Hofgebäudes, ist die Antragsgegnerin der Antragstellerin entgegen gekommen. Da sich die Stellungnahme der Antragstellerin auf eine andere Planung bezogen hatte, hätte sie im Rahmen der dritten Auslegung dazu vortragen müssen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang sie ihre bisherigen Einwendungen aufrecht erhalten will. Das hat sie nicht getan.

Die Antragsgegnerin hat auf die Folgen unterbliebener oder verspäteter Einwendungen in der Bekanntmachung der dritten Auslegung des Planentwurfs hingewiesen. Der Umstand, dass der Hinweis vom Text des § 47 Abs. 2a VwGO abwich und sich stattdessen am Wortlaut des § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB in der durch das Gesetz zur Erleichterung von Planungsvorhaben für die Innenentwicklung der Städte vom 21.12 20066 geänderten Fassung orientierte, steht dem Eintritt der Präklusionswirkung nicht entgegen; denn die von der Antragsgegnerin verwendete Belehrung war nicht geeignet, einen von den Festsetzungen eines künftigen Bebauungsplans Betroffenen irrezuführen und von der rechtzeitigen Geltendmachung von Einwendungen abzuhalten7.

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Der Eintritt der Rechtsfolge des § 47 Abs. 2a VwGO hängt zusätzlich davon ab, dass die Auslegung des Planentwurfs (§ 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB) und die ortsübliche Bekanntmachung ihres Orts und ihrer Dauer (§ 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BauGB) ordnungsgemäß erfolgt sind8. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nach den tatsächlichen, das Bundesverwaltungsgericht nach § 137 Abs. 2 VwGO bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts erfüllt.

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 20. Februar 2014 – 4 CN 1.2013 –

  1. BT-Drs. 16/2496 S. 18, Urteile vom 26.04.2007 – 4 CN 3.06, BVerwGE 128, 382 Rn. 22; vom 24.03.2010 – 4 CN 3.09 – BauR 2010, 1051 = Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 178 Rn. 14; vom 27.10.2010 – 4 CN 4.09, BVerwGE 138, 84 Rn. 16; und vom 18.11.2010 – 4 CN 3.10, BVerwGE 138, 181 Rn. 10[]
  2. vgl. BVerwG, Urteil vom 24.03.2010 a.a.O. Rn. 18[]
  3. vgl. OVG NRW, Urteil vom 19.12 2011 – 2 D 14/10.NE – BauR 2012, 915 = ZfBR 2012, 463 39[]
  4. vgl. BVerwG, Urteil vom 18.11.2010 a.a.O. Rn. 12[]
  5. Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl.2010, § 47 Rn. 257c[]
  6. BGBl. I S. 3316[]
  7. vgl. BVerwG, Urteil vom 27.10.2010 a.a.O. Rn. 16[]
  8. vgl. BVerwG, Urteil vom 18.11.2010 a.a.O. Rn. 14[]