Die verengte Abwasserleitung – und das fehlende Rückschlagventil

Ein durch eine Verengung der Abwasserleitung verursachter Rückstauschaden, der durch eine – hier fehlende – Rückstaueinrichtung hätte verhindert werden können, liegt jedenfalls dann außerhalb des Schutzbereichs einer verletzten Pflicht, wenn der Anlieger nach der einschlägigen Satzung zum Einbau einer solchen Sicherung verpflichtet ist. Auf den Grund, weshalb es zu einem Rückstau im Leitungssystem gekommen ist, kommt es dann regelmäßig nicht an1. In diesen Fällen dürfen sowohl der Träger des Kanalisationsnetzes als auch von ihm mit Bauarbeiten an den Leitungen beauftragte Dritte auf die Einrichtung einer funktionsfähigen Rückstausicherung des Anliegers vertrauen.

Die verengte Abwasserleitung – und das fehlende Rückschlagventil

Ein Anspruch aus der verschuldensunabhängigen Wirkungshaftung aus § 2 Abs. 1 Satz 1 HaftpflG erstreckt sich nicht auf Schäden, die an einem an die Kanalisation angeschlossenen Haus infolge eines Rückstaus entstehen2.

Deliktische Ansprüche gegen die Tiefbauunternehmerin gemäß § 823 Abs. 1, § 31 BGB oder § 831 BGB beziehungsweise den kommunalen Wasserwirtschaftsverband gemäß § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit Art. 34 Satz 1 GG scheitern vorliegend – unabhängig von der Frage, ob dem Wasserwirtschaftsverband oder der von ihm beauftragten Tiefbauunternehmerin wegen der umbaubedingten Verjüngung der Abwasserleitung überhaupt eine objektive Pflichtverletzung vorzuwerfen ist oder eine Haftung der Tiefbauunternehmerin von vornherein deshalb ausscheidet, weil sie als Beamtin im haftungsrechtlichen Sinne handelte – an der mangelnden Zurechenbarkeit des geltend gemachten Wasserschadens. Der – festzustellende – Schaden liegt außerhalb des Schutzbereichs der im Zusammenhang mit der Durchführung der Bauarbeiten möglicherweise verletzten Pflichten. Die Hauseigentümerin durfte nicht in schutzwürdiger Weise darauf vertrauen, vor Rückstauschäden bewahrt zu bleiben, die durch die üblichen Sicherungsvorrichtungen hätten verhindert werden können.

Der Schutzzweck einer verletzten Amtspflicht dient der inhaltlichen Bestimmung und sachlichen Begrenzung der Amtshaftung3. Die Feststellung einer Pflichtverletzung ist daher allein noch nicht geeignet, einen Ersatzanspruch zu begründen. Hinzukommen muss vielmehr, dass gerade das im Einzelfall berührte Interesse nach dem Zweck der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäfts geschützt sein soll4.

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Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht zur Vermeidung von Rückstauschäden – auch dann, wenn das Kanalnetz im Schadenszeitpunkt unterdimensioniert war – die Besonderheit, dass – zumindest im Grundsatz – der Grundstückseigentümer selbst verpflichtet ist, geeignete Vorkehrungen zu treffen, um sein Anwesen gegen einen Rückstau bis zur Rückstauebene, das heißt bis zur Straßenoberkante, zu sichern5. Für eine taugliche Rückstausicherung zu sorgen, liegt daher im eigenen Interesse des Anschlussnehmers und hängt nicht von der konkreten Ursache des Rückstaus ab. Selbst bei einem ordnungsgemäß geplanten und ausgeführten Kanalsystem kann es immer wieder – etwa aufgrund selten auftretender ungewöhnlich heftiger Regenfälle – zu einem Rückstau kommen6. Ein Anschlussnehmer muss daher damit rechnen, dass von Zeit zu Zeit auf seine Leitungen mindestens ein Druck einwirken kann, der bis zur Oberkante der Straße reicht7. Ein Anlieger darf nicht darauf vertrauen, vor Rückstauschäden bewahrt zu werden, die bei normalen, durch die üblichen Sicherungsvorkehrungen auszugleichenden Druckverhältnissen entstehen würden8.

Es stellt dabei keinen entscheidenden Unterschied dar, ob der Rückstau in der Leitung durch eine unzureichend geplante und insoweit (dauerhaft) unterdimensionierte Kanalisation9 oder durch zeitlich begrenzte Arbeiten am Kanalsystem – hier die durch die Renaturierung des Telgeigrabens veranlassten, möglicherweise wegen einer zu starken Verjüngung bei der provisorischen Wasserableitung ungenügend abgesicherten, Bauarbeiten – verursacht worden ist10. Es wäre ein Wertungswiderspruch, für die sich dauerhaft auswirkende Falschplanung eines Kanals anzunehmen, Rückstauschäden seien bei Fehlen einer anschlussseitigen Sicherung vom Schutzzweck der Pflicht zur ausreichenden Dimensionierung der Anlage ausgenommen, dies aber bei vorübergehenden Maßnahmen zu verneinen. Von vornherein fehlgeplante (Unter-)Dimensionierungen wirken sich dauerhaft gefährdend aus, während Fehler bei Bauarbeiten nur eine vorübergehend gesteigerte Gefahrenlage schaffen.

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Jedenfalls dann, wenn die einschlägige Satzung eine Verpflichtung zum Einbau einer Rückstausicherung vorsieht, darf der Träger des Kanalnetzes – ebenso wie ein von ihm beauftragter Tiefbauunternehmer – demgegenüber darauf vertrauen, dass sich die Anlieger vor einem in verschiedenen Konstellationen möglichen Rückstau im Leitungsnetz schützen. Die hier maßgebliche im Schadenszeitpunkt gültige städtische Entwässerungssatzung sieht in § 13 Abs. 3 die Verpflichtung des Grundstückseigentümers vor, das Gebäude gegen Rückstau von Abwasser aus dem öffentlichen Abwasserkanal zu schützen, indem er Ablaufstellen unterhalb der Rückstauebene (Straßenoberfläche) durch eine funktionstüchtige Rückstausicherung gemäß den allgemein anerkannten Regeln der Technik einzubauen hat. Entsprechendes war auch bereits in der bei Bau des Hauses der Hauseigentümerin geltenden Entwässerungssatzung vom 17.12.1962 in der Fassung der Bekanntmachung vom 01.03.1963 geregelt. Auf die Rückstaugefahr wurde zudem in der im Zusammenhang mit der Errichtung des Bungalows erteilten Entwässerungsauskunft hingewiesen und die Genehmigung für Einläufe unterhalb der Straßenoberfläche unter Bezugnahme auf § 5 Nr. 2 der vorstehend genannten Satzung deshalb auch nur auf Gefahr der Eigentümer erteilt. Die jeweilige Satzungsnorm, die dem Anschlussnehmer den Einbau einer Rückstausicherung zur Pflicht macht, will ihn vor allen Schädigungen durch Rückstau bewahren, nicht nur vor einem Rückstau aus bestimmter Ursache, wobei Kenntnis und Beachtung der (jeweils) einschlägigen Satzungsbestimmungen von jedem Anschlussinhaber zu verlangen sind11.

Der Wasserwirtschaftsverband wie auch die von ihm beauftragte Tiefbauunternehmerin durften sich daher ungeachtet einer eigenen Pflichtverletzung darauf verlassen, dass die notwendigen Rückstausicherungen eingebaut waren und funktionierten12.

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Dem stehen die Erwägungen in dem Urteil des Oberlandesgerichts Saarbrücken vom 21.06.200513, die das Oberlandesgericht Hamm zur Zulassung der Revision veranlasst haben, nicht entgegen. Der dieser Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt ist mit dem vorliegenden nicht vergleichbar. In dem Verfahren vor dem Oberlandesgericht Saarbrücken ging es um eine Konstellation, in der bei Reparaturarbeiten an einem Schachtbauwerk zulaufendes Schmutzwasser durch einen Schieber (vollständig) vom Hauptkanal zurückgehalten und über einen Notüberlauf entsorgt, der Zulauf zu diesem Kanal jedoch trotz einsetzenden starken Regens (zunächst) nicht wieder geöffnet wurde, sondern die Arbeiten über einen gewissen Zeitraum aktiv fortgesetzt wurden. Dies führte wegen des gesperrten Hauptkanals zu einem Rückstau, und Wasser drang in ein angeschlossenes (ebenfalls nicht rückstaugesichertes) Anwesen ein. Ob in einem solchen Fall einer völlig ungewöhnlichen Häufung von Risiken aus der Sphäre des Anlagenbetreibers der unter Schutzzweckgesichtspunkten gebotene völlige Ausschluss der Haftung für Rückstauschäden ausnahmsweise zurücktreten kann, muss nicht entschieden werden. Die vorliegende Fallgestaltung ist hiermit nicht vergleichbar.

Dass eine Rückstausicherung am Haus der klagenden Eigentümerin technisch möglich ist (und auch schon in den 1960er Jahren war), hat das Oberlandesgericht Hamm – sachverständig beraten – festgestellt. Ebenso steht danach fest, dass der Schaden vermieden worden wäre, wenn eine funktionsfähige Rückstausicherung vorhanden gewesen wäre.

Der Einbau einer funktionsfähigen Rückstausicherung, die sich vorliegend nicht auf eine (kostengünstige) Rückstauklappe beschränkte, sondern weitere – kostspieligere – Maßnahmen wie die Installation eines Pumpensystems erforderte, war der Hauseigentümerin auch nicht unzumutbar.

Die Erfüllung der – wie hier durch Satzung geregelten – Pflicht des Eigentümers, sein Anwesen selbst durch eine funktionsfähige Rückstausicherung vor – stets möglichen – Rückstauschäden zu schützen, die mit der berechtigten Erwartung des Kanalbetreibers oder des von ihm beauftragten Unternehmens korrespondiert, dass Druckunterschiede in den Leitungen im Rahmen des hierdurch technisch Möglichen ausgeglichen werden, wird nicht durch die damit verbundenen Kosten begrenzt. Es fällt vornehmlich in die Risikosphäre des Grundstückseigentümers, welche konkrete Entwässerungssituation er vorfindet und wie sie sich auf die Auswahl der – insoweit mehr oder weniger aufwendigen und/oder kostenintensiven – Rückstausicherung auswirkt. Demgegenüber ist der Kanalbetreiber oder der von ihm beauftragte Unternehmer mit den Grundstücksverhältnissen und den ergriffenen Maßnahmen der einzelnen Anlieger regelmäßig nicht vertraut. Er wird daher in den seltensten Fällen wissen, wo – etwa im Fall von Bauarbeiten – weitere Schutzmaßnahmen erforderlich werden und wo nicht.

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Den Schutzzweck der Amtspflicht nach dem jeweiligen Kostenrisiko zu begrenzen, wäre mithin nicht nur der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit abträglich, sondern auch faktisch kaum umsetzbar. Abgesehen davon, dass es keinen eindeutigen Maßstab dafür geben kann, welche Kosten objektiv zumutbar sind, hinge – worauf das Oberlandesgericht Hamm mit Recht hinweist – die Haftung des Kanalbetreibers insoweit von Umständen ab, die seinem Einflussbereich entzogen wären. Um eine etwaige Haftung zu vermeiden, wäre er gegebenenfalls sogar gezwungen zu ermitteln, welcher Anlieger über eine Rückstausicherung verfügt und – wenn nicht – mit welchem Aufwand sie zu installieren (gewesen) wäre. Dies liegt außerhalb dessen, was ein Verwaltungsträger oder ein von ihm eingesetztes Unternehmen mit zumutbarem Aufwand zu leisten imstande ist. Der Kanalbetreiber und von ihm eingesetzte Dritte müssen sich vielmehr darauf verlassen können, dass die einer gemeindlichen Satzung unterworfenen Anschlussnehmer den ihnen im eigenen Interesse obliegenden Pflichten nachgekommen sind, ohne zwischen einzelnen Haushalten und deren Entwässerungsvoraussetzungen unterscheiden zu müssen. Aus diesem Grund spielt es auch keine Rolle, welche Art der Entwässerung – hier über ein Mischsystem – dem bei Errichtung des jeweiligen Gebäudes üblichen Standard entsprach. Anderes würde zu dem nicht hinzunehmenden Ergebnis führen, dass der Betreiber des Kanalsystems bei vergleichbaren Ausgangsvoraussetzungen einem Teil der Anlieger für (vermeidbare) Rückstauschäden haften müsste und einem anderen Teil nicht.

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Gegenteiliges kann14 auch nicht dem BGH, Urteil vom 30.09.198215 entnommen werden. Soweit dort in Bezug auf ein ordnungsgemäß geplantes und ausgeführtes Kanalsystem, in dem es unter ungünstigen Bedingungen gleichwohl zu einem Rückstau kommen kann, davon die Rede ist, wirtschaftliche Gründe zwängen jede Gemeinde dazu, das Fassungsvermögen einer Kanalisation nicht so groß zu bemessen, dass es auch bei jedem selten auftretenden, außergewöhnlich heftigen Regen ausreiche, kann daraus – unbeschadet einer in der gemeindlichen Satzung geregelten, nicht näher eingegrenzten Pflicht zum Einbau einer Rückstausicherung – nicht der Umkehrschluss gezogen werden, der Schutzbereich der verletzten Amtspflicht könne sich nach Maßgabe von wirtschaftlichen Erwägungen im konkreten Fall erweitern. Mit den seinerzeitigen Erwägungen des Bundesgerichtshofs sollte lediglich zum Ausdruck gebracht werden, dass ein Anlieger nicht damit rechnen darf, vor vermeidbaren Rückstauschäden bewahrt zu werden. Daraus kann indessen nicht abgeleitet werden, für die Frage der Haftung seien Kosten für eine hinreichende Dimensionierung des gesamten Kanalnetzes oder eines nur provisorischen Teilstücks zu den Kosten der jeweiligen Rückstausicherung ins Verhältnis zu setzen.

Eines besonderen Hinweises auf die mit den Bauarbeiten gegebenenfalls verbundene größere Rückstaugefahr bedurfte es in Anbetracht der vorstehend erörterten Umstände nicht. Mit Bauarbeiten im Bereich der Kanalisation und damit eventuell verursachten Störungen des Abflusses muss ein Anlieger grundsätzlich rechnen. Auch davor soll eine Rückstausicherung ihn schützen.

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Bundesgerichtshof, Urteil vom 19. November 2020 – III ZR 134/19

  1. Fortführung von BGH, Beschluss vom 30.07.1998 – III ZR 263/96, NVwZ 1998, 1218[]
  2. BGH, Beschluss vom 30.07.1998 – III ZR 263/96, NVwZ 1998, 1218, 1219; Urteil vom 07.07.1983 – III ZR 119/82, BGHZ 88, 85, 90[]
  3. zB BGH, Urteil vom 22.01.2009 – III ZR 197/08, NJW 2009, 1207, Rn. 11 und Beschluss vom 30.07.1998 aaO, jew. mwN[]
  4. zB BGH, Urteile vom 22.01.2009 aaO; und vom 16.01.1992 – III ZR 18/90, BGHZ 117, 83, 90; Beschluss vom 30.07.1998 aaO; jew. mwN[]
  5. BGH, Beschluss vom 30.07.1998 aaO[]
  6. vgl. schon BGH, Urteil vom 30.09.1982 – III ZR 110/81, WM 1983, 510, 511[]
  7. vgl. schon BGH, Beschluss vom 30.07.1998 aaO[]
  8. BGH, Urteil vom 24.08.2017 – III ZR 574/16, NVwZ-RR 2018, 8 Rn. 23 sowie Beschluss vom 30.07.1998 aaO[]
  9. wie in dem dem BGH, Beschluss vom 30.07.1998 – aaO – zugrunde liegenden Fall[]
  10. vgl. auch OLG Köln, Urteil vom 21.01.2015 – I-16 U 99/14 33 ff; dass., VersR 2002, 610 f; OLG Karlsruhe, BauR 2001, 663, 664; OLG Düsseldorf, OLGR Düsseldorf 2000, 48[]
  11. BGH, Urteil vom 30.09.1982 aaO S. 511[]
  12. vgl. OLG Hamm, NJW-RR 2002, 1673; OLG Düsseldorf aaO[]
  13. OLGR Saarbrücken 2005, 708[]
  14. entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts Saarbrücken, aaO; ähnlich zB Zimmerling in jurisPK, § 839 BGB Rn. 534[]
  15. aaO S. 511[]

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