Versorgungsausgleichsverfahren – und die Beschwerde des Versorgungsträgers

In einem Versorgungsausgleichsverfahren kann der Handlungsbevollmächtigte eines Versorgungsträgers Beschwerde auch ohne besondere Vollmacht zur Prozessführung einlegen.

Versorgungsausgleichsverfahren – und die Beschwerde des Versorgungsträgers

Gemäß § 10 Abs. 1 FamFG können die Beteiligten das Verfahren selbst betreiben, soweit eine Vertretung durch Rechtsanwälte nicht geboten ist. Für Vereinigungen sowie für Behörden handeln ihre gesetzlichen Vertreter und Vorstände (§ 9 Abs. 3 FamFG). Diese müssen ein Rechtsmittel allerdings nicht persönlich unterzeichnen, sondern können sich dafür Handlungsbevollmächtigter (§ 54 Abs. 1 HGB) bedienen.

Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts Frankfurt1 bedürfen Handlungsbevollmächtigte eines Versorgungsträgers für die Einlegung eines Rechtsmittels keiner besonders erteilten Befugnis zur Prozessführung gemäß § 54 Abs. 2 HGB.

Der Grund dafür, dass nach dieser Vorschrift ein Handlungsbevollmächtigter zur Prozessführung nur ermächtigt ist, wenn ihm eine solche Befugnis besonders erteilt ist, liegt darin, dass selbst Prozesse um kleine Summen Geschäftsbeziehungen nachhaltig beschädigen können2. Der Entschluss, sie zu beginnen, ist eine Entscheidung, die sich der Unternehmer üblicherweise selbst vorbehält3. Aufgrund dieses Gesetzeszwecks beschränkt sich der Anwendungsbereich des § 54 Abs. 2 HGB nach allgemeiner Auffassung auf das kontradiktorische Verfahren. Der Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit hingegen ist anderer Qualität; er bedarf mangels kontradiktorischen Streitverhältnisses keiner besonderen Vollmacht4. Geschäftsbeziehungen sind normalerweise nicht gefährdet; das Kostenrisiko ist verhältnismäßig gering3 und rechtfertigt für sich genommen nicht, die Einlegung des Rechtsmittels als außerhalb der normalen Tätigkeit eines mit der Bearbeitung von Versorgungsausgleichssachen beauftragten Handlungsbevollmächtigten anzusehen5.

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Eine dahingehende Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 54 Abs. 2 HGB wird auch durch die systematische Auslegung bestätigt. Wo das Handelsgesetzbuch alle gerichtlichen Verfahren bezeichnet, spricht es von „gerichtlichen Geschäften und Rechtshandlungen“, wie etwa in Bezug auf die Prokura (vgl. § 49 Abs. 1 HGB). Im Gegensatz dazu ist der Begriff „Prozessführung“ der engere, der bei Erlass des Handelsgesetzbuchs auf den ordentlichen Zivilprozess beschränkt war. Hätte der Gesetzgeber mit § 54 Abs. 2 HGB die freiwillige Gerichtsbarkeit erfassen wollen, wäre der Begriff auch hier entsprechend weit gefasst worden6.

Auch das Rechtsmittel eines Versorgungsträgers in einem Versorgungsausgleichsverfahren bei der Scheidung liegt außerhalb der Gefährdungslage, der mit dem vorbeschriebenen Gesetzeszweck begegnet werden soll. Das Verfahren ist, jedenfalls in Bezug auf den Versorgungsträger, nicht kontradiktorisch angelegt. Weder von einer eventuell notwendigen Rücksichtnahme auf Geschäftspartner noch von den Kostenrisiken her ist die Beschwerdeeinlegung durch den Versorgungsträger von besonderer Bedeutung. Folgerichtig ist es bei den Versorgungsträgern auch nicht üblich, hierüber eine Entscheidung der Geschäftsleitung herbeizuführen.

Die Rechtsmittelbefugnis des Versorgungsträgers beruht schließlich (auch) darauf, dass er als Wächter über die rechtmäßige Durchführung des Versorgungsausgleichs stets auch die Interessen der Solidargemeinschaft verfolgt7. Zur Wahrnehmung dieses Interesses kann der Handlungsbevollmächtigte eines Versorgungsträgers stets auch ohne besondere Vollmacht zur Prozessführung Beschwerde in einem Versorgungsausgleichsverfahren einlegen.

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Hiervon ist der Versorgungsträger einer Direktzusage nicht ausgenommen, auch wenn er keine Solidargemeinschaft im eigentlichen Sinne vertritt.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 1. August 2018 – XII ZB 159/18

  1. OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 25.08.2017 – 4 UF 146/15[]
  2. MünchKomm-HGB/Krebs 4. Aufl. § 54 Rn. 40[]
  3. Winter GRUR 1978, 233[][]
  4. BPatGE 19, 156, 157 = BB 1977, 267; BPatG GRUR 1989, 664, 665; MünchKomm-HGB/Krebs 4. Aufl. § 54 Rn. 40; Staub/Joost HGB 4. Aufl. § 54 Rn. 67; Oetker/Schubert HGB 5. Aufl. § 54 Rn. 37; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer HGB 2. Aufl. § 54 Rn. 34[]
  5. vgl. BPatG GRUR 1989, 664, 665[]
  6. vgl. Winter GRUR 1978, 233[]
  7. BGH, Beschluss vom 19.07.2017 XII ZB 201/17 FamRZ 2017, 1655 Rn. 8[]