§§ 153, 153a StPO im Klageerzwingungsverfahren

Auch im Klageerzwingungsverfahren kann von den Einstellungsmöglichkeiten gem. §§ 153, 153a StPO Gebrauch gemacht werden.

§§ 153, 153a StPO im Klageerzwingungsverfahren

Die Anwendbarkeit der §§ 153 ff. StPO im gerichtlichen Klageerzwingungsverfahren ist allerdings umstritten.

Während ein Teil der Rechtsprechung und Literatur die Einstellungsmöglichkeit entsprechend §§ 153 ff. StPO unter Hinweis auf systematische Zusammenhänge nicht für möglich hält, sobald der Klageerzwingungsantrag beim Oberlandesgericht angebracht ist1 wird von der überwiegenden Anzahl der Oberlandesgerichte die Anwendbarkeit mit unterschiedlichen dogmatischen Begründungen und Konsequenzen, vor allem im Hinblick auf prozessökonomische Erwägungen bejaht2.

Dieser Auffassung folgt auch das Oberlandesgericht Braunschweig. Dem Oberlandesgericht als Gericht höherer Ordnung kann grundsätzlich nicht verwehrt sein, beim Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen über eine Einstellung zu entscheiden, zu der die untergeordneten Gerichte nach Durchführung des Klageerzwingungsverfahrens unstreitig berechtigt sind.

Der von der Gegenmeinung angeführte Zweck des Klageerzwingungsverfahrens, das Legalitätsprinzip zu sichern, wird in jedem Fall dadurch erreicht, dass das Oberlandesgericht die Anklagevoraussetzungen, insbesondere auch das Vorliegen des hinreichenden Tatverdachts, prüft und steht der zusätzlichen Berücksichtigung von Opportunitätsgesichtspunkten nicht entgegen.

Dagegen ist die von den Oberlandesgerichten Stuttgart und Hamm vorgenommene Auslegung des Wortlauts des § 174 StPO, wonach der Begriff des „genügenden Anlasses“ im Sinne dieser Vorschrift nicht gleichbedeutend mit den hinreichenden Tatverdachte im Sinne des § 170 StPO sei, sondern darüber hinaus beinhalte, dass die Voraussetzungen für eine Einstellung nach §§ 153 ff. StPO nicht vorlägen3 nicht zwingend und findet auch keine Stütze im Gesetz; ferner passt sie insbesondere nicht auf den Fall einer Einstellung nach § 153a StPO, wo alle Anklagevoraussetzungen vorliegen und das Maß der Schuld in der Regel nicht als völlig unbedeutend einzustufen ist. Vielmehr spricht der Zweck des Klageerzwingungsverfahrens, das Legalitätsprinzip zu sichern, für eine Gleichstellung des „genügenden Anlasses zur Erhebung der öffentliche Klage“ im Sinne des § 174 StPO mit dem hinreichenden Tatverdacht im Sinne des § 170 StPO4.

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Eine gleichzeitige Entscheidung über den Klageerzwingungsantrag durch Verwerfung als unzulässig (entsprechend § 172 Abs. 2 S. 3 StPO)5 oder unbegründet6 ist daher nicht veranlasst.

Oberlandesgericht Braunschweig, Beschluss vom 29. August 2013 – 1 Ws 227/13

  1. Meyer-Goßner, StPO, 56. Auflage, § 174, Rn. 3; OLG Hamburg, VRS 38 (1970) 442; Graalmann-Scheerer in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Auflage, § 174, Rn. 8 m. w. N.[]
  2. OLG Stuttgart, Beschluss vom 03.02.1997 – 4 Ws 230/96; MDR 82, 954; OLG Braunschweig, NJW 1958, 1361/1362; OLG Celle, MDR 1985, 249/250; OLG Köln, NJW 1991, 764/765; OLG Hamm, NJW 75, 1984[]
  3. OLG Stuttgart, a. a. O.; OLG Hamm, a. a. O.[]
  4. so auch Graalmann-Scheerer in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Auflage, § 174, Rn. 9[]
  5. OLG Hamm, Beschluss vom 20.02.1975 – 2 Ws 289/74[]
  6. OLG Köln, Beschluss vom 19.07.1990 – 2 Zs 126/89[]