Schuldner der nach den §§ 28 Abs. 2 GKG, 107 Abs. 5 OWiG erhobenen Aktenversendungspauschale ist allein derjenige, der mit seiner Antragserklärung gegenüber der aktenführenden Stelle die Aktenversendung unmittelbar veranlasst.

Die Inrechnungstellung der vom Rechtsanwalt verauslagten Aktenversendungspauschale unterliegt nach § 10 Abs. 1 UStG der Umsatzsteuer. Es liegt insoweit kein durchlaufender Posten i.S. von § 10 Abs. 1 Satz 6 UStG vor.
Die auf die Aktenversendungspauschale entfallende Umsatzsteuer zählt deshalb zur gesetzlichen Vergütung des Rechtsanwalts, die der Rechtsschutzversicherer seinem Versicherungsnehmer nach §§ 1, 5 (1) Buchst. a der Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (hier ARB 2002) zu erstatten hat.
Wer den Sachverhalt dieses jetzt vom Bundesgerichtshof entschiedenen Falls liest, hält den Kläger und sein Rechtsanwalt angesichts des Streitwerts von 2,28 € wohl zunächst für „Korinthenkacker“. Aber der Fall betrifft bei jedem in Strafsachen oder Bußgeldsachen tätigen Rechtsanwalt eine Vielzahl von Mandaten jährlich – und einen guten Batzen, den eine Reihe von Rechtsschutzversicherern zulasten der Rechtsanwälte ihrer Versicherungsnehmer „einzusparen“ versuchen – und wie „teuer“ dem Rechtsschutzversicherer dieses „Geschäftsmodell“ war, zeigt sich allein daran, dass es die beklagte Rechtsschutzversicherung war, die das Verfahren nach der 2,28 €-Verurteilung durch das Amtsgericht dann mittels Berufung und Revision durch alle Instanzen trieb. Wenn sich die Rechtsschutzversicherer doch auch immer so für ihre Versicherungsnehmer einsetzen würden!
Der Ausgangssachverhalt
Was war passiert? Der beklagte Rechtsschutzversicherer erteilte dem Kläger am 12. Juni 2007 eine Deckungszusage für die in einem gegen ihn gerichteten Bußgeldverfahren entstehenden Rechtsanwaltskosten. Der beauftragte Rechtsanwalt beantragte Akteneinsicht durch Übersendung der Bußgeldakte in seine Kanzlei. Er stellte dem Kläger dafür die Aktenversendungspauschale von 12 € zuzüglich darauf entfallender Mehrwertsteuer von 2,28 € in Rechnung. Die beklagte Rechtsschutzversicherung meint, sie müsse diesen Umsatzsteuerbetrag nicht erstatten, weil die Aktenversendungspauschale für den Rechtsanwalt als ein lediglich durchlaufender Posten nicht umsatzsteuerpflichtig sei.
Das erstinstanzlich mit der Klage befasste Amtsgericht Düsseldorf1 hat der Klage stattgegeben, das Landgericht Düsseldorf die Berufung des beklagten Rechtsschutzversicherer zurückgewiesen2. Und auch die Revision des Rechtsschutzversicherers zum Bundesgerichtshof hatte nun keinen Erfolg.
Der Erstattungsanspruch des Versicherungsnehmers
Der Kläger hat bei dem hier unstreitigen Versicherungsfall im Inland nach §§ 1, 5 (1) Buchst. a ARB 2002 Anspruch auf Erstattung der Vergütung eines für ihn tätigen Rechtsanwalts bis zur Höhe der gesetzlichen Vergütung, die sich nach § 1 Abs. 1 Satz 1 RVG aus den Rechtsanwaltsgebühren und Auslagen zusammensetzt und nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG insgesamt der Umsatzsteuer unterliegt.
Die aufgrund von § 107 Abs. 5 OWiG von den Behörden erhobene Aktenversendungspauschale kann der Rechtsanwalt seinem Mandanten als Auslage gesondert in Rechnung stellen. Sie unterfällt weder den mit den Rechtsanwaltsgebühren abgegoltenen (§ 15 Abs. 1 RVG) allgemeinen Geschäftskosten des Rechtsanwalts3, noch ist sie von der Post- und Telekommunikationspauschale des § 2 Abs. 2 RVG i.V.m. Nr. 7002 VV abgedeckt4.
Umsatzsteuerpflicht der Aktenversendungspauschale
Die vom Rechtsanwalt verauslagte Aktenversendungspauschale unterliegt bereits nach § 10 Abs. 1 UStG und nicht allein infolge der Inrechnungstellung (§ 14c Abs. 2 UStG i.V.m. § 13 Abs. 1 Nr. 4 UStG) der Umsatzsteuer. Es liegt auch kein durchlaufender Posten i.S. von § 10 Abs. 1 Satz 6 UStG vor. Danach gehören nur Beträge, die der Unternehmer (hier der Rechtsanwalt) im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt, nicht zum Entgelt.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes5, der sich der Bundesgerichtshof anschließt, können Gebühren oder Auslagen, die Rechtsanwälte bei Behörden für ihre Mandanten vorstrecken und sodann in Rechnung stellen, nur dann als durchlaufende Posten anerkannt werden, wenn diese Kosten nach verbindlichen Gebühren- oder Kostenordnungen berechnet werden, die den Mandanten als Kostenschuldner bestimmen. Unerheblich ist hingegen, ob der Behörde der Name des Mandanten ausdrücklich als Auftraggeber benannt wird6.
Rechtsgrundlage für die Erhebung einer Aktenversendungspauschale in Höhe von 12 € ist hier § 107 Abs. 5 Satz 1 OWiG, der die Übersendung der Akten durch die Verwaltungsbehörde betrifft. Die Umsatzsteuerpflicht des Rechtsanwalts für die von ihm verauslagte Aktenversendungspauschale hängt mithin davon ab, wen § 107 Abs. 5 OWiG als Kostenschuldner bestimmt7, wenn es dort heißt, die Pauschale werde von demjenigen erhoben, „der die Versendung der Akten beantragt“.
Diese Frage ist – sowohl mit Blick auf § 107 Abs. 5 OWiG als auch die im Wesentlichen gleichlautende Regelung des § 28 Abs. 2 GKG i.V.m. KV Nr. 9003 („… schuldet nur, wer die Versendung … der Akte beantragt hat.“) – in Rechtsprechung und Literatur umstritten.
Vielfach wird angenommen, allein der Mandant werde Kostenschuldner, weil der Rechtsanwalt stets nur aufgrund der ihm erteilten Vollmacht und somit als Vertreter seines Mandanten handele8. Die Kostentragungspflicht nach § 107 Abs. 5 OWiG und § 28 Abs. 2 GKG knüpfe ebenso wie die allgemeine Regelung des § 22 Abs. 1 GKG daran an, wer das Verfahren als solches beantragt habe. Dafür sei die Person des Unterzeichners des Antrags für sich genommen ohne Belang. Wer der eigentliche Antragsteller sei, bestimme sich mangels anderweitiger Bestimmungen vielmehr allein nach den Vertretungsregeln der §§ 164 ff. BGB.
Teilweise wird danach unterschieden, ob der Rechtsanwalt in einem Straf- bzw. Ordnungswidrigkeitenverfahren oder einem sonstigen Verwaltungs- bzw. Zivilverfahren tätig wird (vgl. OLG Düsseldorf aaO). Jedenfalls in der Rolle des Verteidigers wird der Rechtsanwalt als Kostenschuldner der Aktenversendungspauschale angesehen9.
Vereinzelt wird gefordert, die Frage der Kostentragungspflicht nach § 28 Abs. 2 GKG und § 107 Abs. 5 OWiG allein anhand des Inhaltes des im Einzelfall konkret gestellten Antrags zu entscheiden10.
Die wohl überwiegende Meinung11 sieht den Rechtsanwalt, der die Antragserklärung gegenüber der aktenführenden Stelle abgibt, als alleinigen Kostenschuldner der Aktenübersendungspauschale an. Das stützt sich zum einen darauf, dass die Verfahrensordnungen12 eine Übersendung der Akten zur Einsichtnahme außerhalb der Diensträume der aktenführenden Stelle nur an Rechtsanwälte oder Rechtsbeistände zulassen13. Zum anderen wird auf den durch die Entstehungsgeschichte des § 28 Abs. 2 GKG belegten Normzweck der Vorschrift verwiesen. Auch die Finanzbehörden haben sich dieses Verständnis der §§ 28 Abs. 2 GKG, 107 Abs. 5 OWiG zu eigen gemacht14.
Die zuletzt genannte Auffassung trifft zu.
Nur dem Rechtsanwalt räumt das Gesetz die Möglichkeit ein, sich Akten zum Zweck der Akteneinsicht in seine Büroräume übersenden zu lassen. Das dient seiner Arbeitserleichterung. Macht er davon Gebrauch, kommt auch nur er als Kostenschuldner im Sinne der §§ 28 Abs. 2 GKG, 107 Abs. 5 OWiG in Betracht15. Der ihm gewährte Vorteil rechtfertigt es, die Kosten der Aktenübersendung bei ihm zu erheben.
Der Normzweck der §§ 28 Abs. 2 GKG, 107 Abs. 5 OWiG ist vor diesem Hintergrund erkennbar darauf gerichtet, im Interesse einer erleichterten Erhebung und Beitreibung des Pauschbetrages eine vereinfachte kostenrechtliche Zuordnung zu begründen, welche die sonst bei Anwendung der §§ 164 ff. BGB auftretenden Auslegungsfragen vermeidet.
Bereits durch Art. 1 Abs. 1 Nr. 26 Buchst. c des Kostenrechtsänderungsgesetzes 199416 wurde dem früheren § 56 GKG ein Absatz 2 angefügt, der bestimmte, dass Schuldner der Auslagen für die Versendung von Akten nur derjenige sei, der die Versendung beantragt habe. Mit dieser Ergänzung zu dem seinerzeit ebenfalls eingeführten Auslagentatbestand in Nr. 9003 des Kostenverzeichnisses wollte der Gesetzgeber eine spezielle Kostenregelung schaffen, die eine ungerechtfertigte Haftung der allgemeinen Kostenschuldner vermeiden sollte17. Diese eigenständige Bestimmung des Auslagenschuldners belegt, dass letzterer nicht nach allgemeinen Vertretungsregeln ermittelt werden soll, denn sie wäre in diesem Fall überflüssig gewesen. Mit dem Kostenrechtsmodernisierungsgesetz vom 05.05.200418 wurde die Regelung als § 28 Abs. 2 GKG in der ab dem 01.07.2004 geltenden Fassung des Gerichtskostengesetzes nahezu wortgleich übernommen.
§ 28 Abs. 2 GKG bestimmt damit abweichend von § 22 Abs. 1 GKG einen besonderen Schuldner für die wegen der Aktenversendung zu erhebende Kostenpauschale19. Das erleichtert es, den unmittelbaren Veranlasser für die Pauschale ohne Prüfung der Frage heranzuziehen, ob die Versendung vorwiegend in seinem oder in fremdem Interesse veranlasst war. Wenngleich die Akteneinsicht durch einen Rechtsanwalt regelmäßig im Interesse seines Mandanten erfolgt, ist davon die Frage zu unterscheiden, auf welche Weise und an welchem Ort der Rechtsanwalt die Gerichtsakten einsieht. Darüber entscheidet der Rechtsanwalt vorwiegend unter Berücksichtigung seiner eigenen Interessen und Arbeitsorganisation. Eine Aktenversendung in seine Kanzleiräume bedeutet für ihn in aller Regel eine erhebliche Arbeitserleichterung, ermöglicht ihm insbesondere den Einsatz von Hilfskräften und eigener bürotechnischer Hilfsmittel bei der Herstellung von Aktenauszügen und schafft ihm damit eine Zeit- und Kostenersparnis. Zweck des § 28 Abs. 2 GKG ist es, die Beitreibung der Aktenversendungspauschale von der Prüfung zu entlasten, in wessen Interesse die Entscheidung für eine Akteneinsicht in der Kanzlei des Rechtsanwalts im Einzelfall gefallen ist. Zugleich beschränkt die Regelung den Kreis möglicher Kostenschuldner und erleichtert auch insoweit die Beitreibung.
Die vorstehenden Grundsätze sind auch auf die Auslegung des § 107 Abs. 5 OWiG zu übertragen.
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Bundesgerichtshof, Urteil vom 6. April 2011 – IV ZR 232/08
- AG Düsseldorf, Urteil vom 06.03.2008 – 230 C 16337/07[↩]
- LG Düsseldorf, Urteil vom 11.09.2008 – 21 S 124/08[↩]
- Volpert in Burhoff, RVG 2. Aufl. S. 64; Schmidt in Burhoff, RVG 2. Aufl. S. 1516; Hartung in Hartung/Römermann/Schons, RVG 2. Aufl. Vorbem. 7 VV Rn. 9; MüllerRabe in Gerold/Schmidt, RVG 17. Aufl. Vorbem. 7 VV Rn. 8; Schneider in AnwK, RVG 02. Aufl. Vorbem. 7 VV Rn. 29 f.; Bohnenkamp, JurBüro 2007, 569 f.[↩]
- vgl. zur früheren Rechtslage nach § 26 Satz 2 BRAGO: OLG Düsseldorf RPfleger 2002, 224, 225[↩]
- vgl. u.a. BFH, Urteil vom 24.08.1967 – V 239/64, NJW 1968, 423; Beschluss vom 27.02.1989 – V B 75/88, BFH/NV 1989, 744 m.w.N.[↩]
- BFH aaO; Schäpe, DAR 2008, 114, 115[↩]
- Schäpe aaO[↩]
- Meyer, 9. Aufl. § 28 GKG Rn. 5; OVG Hamburg RVGreport 2006, 318; OLG Düsseldorf JurBüro 2008, 375; LG Bayreuth JurBüro 1997, 433; AG Oldenburg AnwBl. 1996, 295; für § 107 Abs. 5 OWiG: AG Dessau AnwBl. 2007, 239; AG Chemnitz DAR 2008, 114; AG Stuttgart AGS 2008, 337[↩]
- Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren Rn. 181 m.w.N.; Bohnert, OWiG 3. Aufl. § 107 Rn. 42; Göhler, OWiG 15. Aufl. § 107 Rn. 23a; MeyerGoßner, StPO 53. Aufl. § 147 Rn. 28 m.w.N.; Schneider, Anm. zu AG Leipzig AGS 2007, 355; VG Düsseldorf NVwZRR 2006, 744: LG Koblenz StraFo 2001, 147[↩]
- Schäpe, DAR 2008, 114, 116 f.[↩]
- u.a. BayVGH, NJW 2007, 1483; OLG Koblenz NStZRR 1996, 96; LG Mainz NJWRR 2008, 151; LG Koblenz NJW 1996, 1223; VG Meiningen JurBüro 2006, 36; LSG Schleswig-Holstein, AnwBl. 1997, 48; Hartmann, KostenG 37. Aufl. § 28 GKG Rn. 6; Volpert in Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen 2. Aufl. Stichwort: Gerichtskosten Rn. 23[↩]
- vgl. z.B. §§ 147 Abs. 4, 406e Abs. 3, 475 Abs. 3 StPO; § 46 Abs. 1 OWiG; § 187 Abs. 2 RiStBV; § 100 Abs. 2 VwGO und § 299 Abs. 3 ZPO[↩]
- Sterzinger, NJW 2008, 1254, 1256[↩]
- vgl. dazu BMF, Schreiben vom 20.06.2005 – IV A 5S 720030/05, u.a. veröffentlicht in der Anlage zum BNotK-Rundschreiben Nr. 17/2005 vom 12.07.2005; OFD Karlsruhe, Verwaltungsvorschrift [VV] vom 28.01.2009 – S 7200; OFD Magdeburg, VV vom 04.12.2007 – S 7200195St 244 V; OFD Frankfurt am Main, VV vom 19.08.2005 – S 7200 – A226St I 02.20; OFD Hannover, VV vom 14.07.2005, DStR 2005, 1693[↩]
- vgl. BVerfG NJW 1995, 3177; 1996, 2222[↩]
- BGBl. I S. 1325[↩]
- BTDrucks. 12/6962 S. 66[↩]
- BGBl. I S. 718[↩]
- Hartmann, Kostengesetze 35. Aufl. 2005 § 28 GKG Rn. 1[↩]