Die Urteilsgründe müssen erkennen lassen, dass sich das Landgericht bei der Anordnung der Sicherungsverwahrung bewusst war, eine Ermessensentscheidung zu treffen1.

In dem hier entschienen Fall war das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung gegeben sind, hat aber nicht mitgeteilt, auf welche der im Gesetz vorgesehenen Alternativen es die Anordnung der Maßregel gestützt hat. Tatsächlich lagen lediglich die formellen Voraussetzungen für eine Anordnung nach § 66 Abs. 2 und 3 Satz 1 StGB vor, die die Entscheidung über den Maßregelausspruch von einer Ermessensentscheidung des Tatrichters abhängig machen.
In diesen Fällen müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass und aus welchen Gründen das Gericht von seiner Entscheidungsbefugnis in einer bestimmten Weise Gebrauch gemacht hat. Das Tatgericht muss im Rahmen der Ermessensausübung erkennbar auch diejenigen Umstände erwägen, die gegen die Anordnung der Maßregel sprechen können.
Das gilt vor allem im Hinblick auf den gesetzgeberischen Zweck der Vorschrift, dem Tatgericht die Möglichkeit zu geben, sich ungeachtet der festgestellten Gefährlichkeit des Täters zum Zeitpunkt der Urteilsfällung auf die Verhängung einer Freiheitsstrafe zu beschränken, sofern erwartet werden kann, dass sich dieser die Strafe hinreichend zur Warnung dienen lässt.
Im vorliegenden Fall hat das Landgericht weder ausdrücklich eine Ermessensentscheidung getroffen, noch kann dem Zusammenhang der Urteilsgründe hinreichend entnommen werden, dass es sich dem ihm bei der Anordnung der Sicherungsverwahrung eingeräumten Ermessen bewusst war:
Es finden sich in den Urteilsgründen zwar Ausführungen zum möglichen Einfluss der zu verbüßenden Freiheitsstrafe sowie zum Lebensalter des Angeklagten, wobei es sich auch um Kriterien handelt, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Rahmen der Ermessensentscheidung regelmäßig zu berücksichtigen sind2. Diese Ausführungen der Strafkammer beziehen sich aber ausdrücklich nur auf die Frage, ob unter Berücksichtigung der genannten Umstände schon die Gefährlichkeit des Angeklagten ausgeschlossen werden kann und lassen nicht erkennen, dass die Strafkammer die Anordnung der Sicherungsverwahrung nicht als zwingend angesehen hat.
Das Landgericht hat in seiner ohnehin wenig aussagekräftigen Prüfung der Verhältnismäßigkeit nicht bedacht, dass § 66 StGB nur nach Maßgabe einer strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung im Sinne des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 04.05.20113 anzuwenden war. Der Angeklagte hat die Taten, auf die das Landgericht die Anordnung der Sicherungsverwahrung gestützt hat, vor dem 31.05.2013 (und jedenfalls auch nach dem 31.12 2010) begangen. Nach Art. 316f Abs. 2 Satz 1 EGStGB i.V.m. Art. 316e Abs. 1 Satz 1 EGStGB ist für in diesen Tatzeitraum fallende Taten § 66 Abs. 2 und 3 StGB i.d.F. des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22.12 2010 anwendbar, für den nach der Weitergeltungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts in seiner genannten Entscheidung eine strikte; vom Gesetzgeber insoweit übernommene Verhältnismäßigkeitsprüfung gilt4. Der Bundesgerichtshof kann – entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts – nicht ausschließen, dass die im Ermessen der Strafkammer stehende Anordnung der Unterbringung auf diesem Rechtsfehler beruht. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass es nach August 2012 (bis zu seiner Inhaftierung im Februar 2015 von einem weniger gewichtigen Übergriff im August 2013 abgesehen) nicht mehr zu Missbrauchshandlungen gekommen ist.
Für die neue Hauptverhandlung weist der Bundesgerichtshof darauf hin, dass die Gefährlichkeitsprognose, ggf. unter Einschaltung eines anderen Sachverständigen, noch sorgfältigerer Begründung bedarf. Statistischen Prognoseelementen kommt zwar lediglich ein geringer Beweiswert zu, gleichwohl kann ihnen – auch nicht mit der pauschalen Erwägung, die positiven Faktoren könnten der „dranghaften“ pädophilen Neigung nur wenig entgegensetzen – nahezu jegliche Aussagekraft abgesprochen werden. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Strafkammer an anderer Stelle erwähnt, der Angeklagte habe seit August 2012 Missbrauchshandlungen unterlassen, ohne sich mit den Gründen für die „Abstandsnahme“ von den sexuellen Übergriffen zu befassen.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12. April 2017 – 2 StR 466/16