Als Mittel des vorläufigen Rechtsschutzes hat die einstweilige Anordnung auch im verfassungsgerichtlichen Verfahren die Aufgabe, die Schaffung vollendeter Tatsachen zu verhindern; sie soll auf diese Weise dazu beitragen, Wirkung und Bedeutung einer erst noch zu erwartenden Entscheidung in der Hauptsache zu sichern und zu erhalten [1].

Deshalb bleiben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Maßnahme vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht, es sei denn, die Hauptsache erwiese sich als von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet [2].
Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen, so hat das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich lediglich im Rahmen einer Folgenabwägung die Nachteile abzuwägen, die einträten, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber in der Hauptsache Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde in der Hauptsache aber der Erfolg zu versagen wäre [3].
Nach diesen Maßstäben hat das Bundesverfassungsgericht in dem vorliegenden Fall einer Verfassungsbeschwerde gegen die Bewilligung einer Auslieferung an die Türkei eine einstweilige Anordnung erlassen:
Die Verfassungsbeschwerde ist weder von vornherein unzulässig noch offensichtlich unbegründet. Es erscheint auf der Grundlage des Vortrags des Beschwerdeführers vielmehr möglich, dass die angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts, mit der die Auslieferung des Beschwerdeführers für zulässig erklärt wurde, den Beschwerdeführer in seinen Rechten aus Art.19 Abs. 4 GG verletzt.
Die daher gemäß § 32 Abs. 1 BVerfGG erforderliche Folgenabwägung geht zugunsten des Beschwerdeführers aus. Die Folgen, die einträten, wenn der Beschwerdeführer ausgeliefert werden würde, sich später aber herausstellte, dass die Auslieferung des Beschwerdeführers rechtswidrig war, wiegen erheblich schwerer als die Folgen, die entstünden, wenn die Auslieferung einstweilen untersagt bliebe, sich später aber herausstellte, dass sie ohne Rechtsverstoß hätte durchgeführt werden können. Denn im erstgenannten Fall wäre dem Beschwerdeführer eine Geltendmachung seiner Einwände gegen die Auslieferung nicht mehr möglich. Demgegenüber könnte der Beschwerdeführer, sollte sich die geplante Auslieferung als rechtmäßig erweisen, ohne Weiteres zu einem späteren Zeitpunkt an die türkischen Behörden übergeben werden. Sein Aufenthalt in Deutschland würde sich lediglich bis zu einem solchen späteren Termin verlängern.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 25. Oktober 2019 – 2 BvR 1832/19
- vgl. BVerfGE 42, 103, 119[↩]
- vgl. BVerfGE 89, 38, 44; 103, 41, 42; 118, 111, 122; stRspr[↩]
- vgl. BVerfGE 105, 365, 371; 106, 351, 355; 108, 238, 246; 125, 385, 393; 132, 195, 232 f. Rn. 87; stRspr[↩]