Bedingt vorsätzliches Handeln setzt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt, ferner dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet1.

Bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen liegt es nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit rechnet, das Opfer könne zu Tode kommen und – weil er mit seinem Handeln gleichwohl fortfährt – einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt2.
Zwar können das Wissens- oder das Willenselement des Eventualvorsatzes gleichwohl im Einzelfall fehlen, so etwa, wenn dem Täter, obwohl er alle Umstände kennt, die sein Vorgehen zu einer das Leben gefährdenden Behandlung machen, das Risiko der Tötung infolge einer psychischen Beeinträchtigung – z.B. Affekt, alkoholische Beeinflussung oder hirnorganische Schädigung3 – zur Tatzeit nicht bewusst ist (Fehlen des Wissenselements) oder wenn er trotz erkannter objektiver Gefährlichkeit der Tat ernsthaft und nicht nur vage auf ein Ausbleiben des tödlichen Erfolges vertraut (Fehlen des Willenselements).
Bei der erforderlichen Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände4 darf der Tatrichter den Beweiswert offensichtlicher Lebensgefährlichkeit einer Handlungsweise für den Nachweis eines bedingten Tötungsvorsatzes nicht so gering veranschlagen, dass auf eine eingehende Auseinandersetzung mit diesen Beweisanzeichen verzichtet werden kann5.
Es ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass bei spontanen, unüberlegten und in affektiver Erregung ausgeführten Handlungen aus dem Wissen um den möglichen Todeseintritt nicht ohne Berücksichtigung der sich aus der Tat und der Persönlichkeit des Täters ergebenden Besonderheiten auf das selbstständig neben dem Wissenselement stehende Willenselement des Vorsatzes geschlossen werden kann6. Die Einordnung und Würdigung eines spontanen oder in affektiver Erregung erfolgenden Handelns obliegt dabei dem Tatrichter7.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 13. Juli 2016 – 1 StR 128/16
- BGH, Urteile vom 09.05.1990 – 3 StR 112/90, BGHR StGB § 15 Vorsatz, bedingter 7 mwN; und vom 22.03.2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 186 Rn. 26[↩]
- BGH, Beschluss vom 07.07.1992 – 5 StR 300/92, NStZ 1992, 587, 588; BGH, Urteil vom 22.03.2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 186 Rn. 26[↩]
- BGH, Beschluss vom 16.07.1996 – 4 StR 326/96, StV 1997, 7; BGH, Urteil vom 22.03.2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 186 f. Rn. 26[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 04.11.1988 – 1 StR 262/88, BGHSt 36, 1, 9 f.; vom 21.12 2011 – 1 StR 400/11, NStZ-RR 2012, 105; und vom 22.03.2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 186 f. Rn. 26 mwN[↩]
- BGH, Urteil vom 07.06.1994 – 4 StR 105/94, StV 1994, 654; vgl. näher BGH, Urteile vom 23.02.2012 – 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443; und vom 22.03.2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 187 Rn. 26 jeweils mwN[↩]
- siehe nur BGH, Urteile vom 14.08.2014 – 4 StR 163/14, NStZ 2015, 266, 267 f.; und vom 03.12 2015 – 4 StR 387/15, StraFo 2016, 110 f.[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 03.12 2015 – 4 StR 387/15, StraFo 2016, 110 f.[↩]