Ein Transportunternehmer, der Tiertransporte mit Straßenfahrzeugen durchführt, handelt ordnungswidrig im Sinne von § 21 Abs. 3 Nr. 10 TierSchTrV, wenn nicht jede der von ihm beauftragten Personen auf dem Straßenfahrzeug – gleich, ob Fahrer oder Betreuer – über einen Befähigungsnachweis im Sinne von Art. 17 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/20051 verfügt und zur Kontrolle mitführt.

Nach § 21 Abs. 3 Nr. 10 der Verordnung zum Schutz von Tieren beim Transport und zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 des Rates (im folgenden: TierSchTrV) handelt ordnungswidrig, wer entgegen Art. 6 Abs. 1 S. 2, Abs. 5 S. 2 oder Abs. 8 der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 eine Kopie, einen Befähigungsnachweis oder einen Zulassungsnachweis nicht oder nicht rechtzeitig vorlegt. Diese Verpflichtung obliegt dem Transportunternehmer als Normadressaten des Art. 6 der Verordnung (EG) Nr. 1/2005.
Art. 6 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 lautet in der deutschen Fassung wie folgt: „Straßenfahrzeuge, auf denen Hausequiden, Hausrinder, Hausschafe, Hausziegen, Hausschweine oder Geflügel befördert werden, dürfen nur von Personen gefahren oder als Betreuer begleitet werden, die über einen Befähigungsnachweis gemäß Artikel 17 Absatz 2 verfügen; auch Personen, die als Betreuer auf dem Fahrzeug tätig sind, müssen im Besitz dieses Nachweises sein. Der Befähigungsnachweis wird der zuständigen Behörde zum Zeitpunkt der Tierbeförderung vorgelegt.“
Art. 17 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 lautet in der deutschen Fassung wie folgt: „Der Befähigungsnachweis für Fahrer und Betreuer von Straßenfahrzeugen, auf denen gemäß Artikel 6 Absatz 5 Hausequiden, Hausrinder, Hausschafe, Hausziegen, Hausschweine oder Hausgeflügel befördert werden, wird gemäß Anhang IV erworben. Er wird in der/den Amtssprache(n) des Ausstellungsmitgliedstaats sowie in Englisch ausgestellt, wenn der Fahrer oder Betreuer voraussichtlich in einem anderen Mitgliedstaat tätig sein wird. Die von dem betreffenden Mitgliedstaat zu diesem Zweck benannte zuständige Behörde oder Stelle stellt den Befähigungsnachweis nach dem Muster gemäß Anhang III Kapitel III aus. Der Geltungsbereich des Befähigungsnachweises kann auf bestimmte Arten oder Artengruppen beschränkt werden.“
Nach Auffassung des Senats ergibt sich bereits aus Art. 6 Abs. 5 S. 1, 2. Halbsatz der Verordnung, wonach auch Personen, die als Betreuer auf dem Fahrzeug tätig sind, im Besitz des Nachweises gemäß Art. 17 Abs. 2 der Verordnung sein müssen, dass der Verordnungsgeber für sämtliche auf dem Straßenfahrzeug für den Transportunternehmer tätigen Personen einen Befähigungsnachweis verlangt. Anderenfalls würde das Erfordernis des Befähigungsnachweises auch für Betreuer keinen Sinn machen. Diese Intention des Verordnungsgebers ergibt sich auch, wie die Generalstaatsanwaltschaft zu Recht ausführt, aus Art. 7 (dort Spiegelstrich drei) der Präambel der Verordnung, wonach alle Personen, die während eines Transports mit den betreffenden Tieren umgehen, einen von den zuständigen Behörden anerkannten Lehrgang absolvieren sollen und auch aus Art. 14 der Präambel der Verordnung, wonach allen Personen, die während des Transports mit Tieren umgehen, eine sachgemäße Schulung zur Auflage gemacht und diese nur von behördlich zugelassenen Einrichtungen angeboten werden sollten, da Beeinträchtigungen des Wohlbefindens der Tiere häufig auf mangelnde Sachkenntnis zurückzuführen seien. Hieraus ergibt sich unmissverständlich der Wille des Verordnungsgebers, sämtlichen an dem Transport von Tieren beteiligten Personen einen Schulungs- oder Befähigungsnachweis abzuverlangen. In Verfolgung dieser Intention verlangt Art. 6 Abs. 4 der Verordnung allgemein, dass Personen, denen Transportunternehmer den Umgang mit Tieren anvertrauen, mithin etwa auch Sammelstellen- oder Verladepersonal, einen Schulungsnachweis erbringen müssen. Darüber hinaus gehend verlangt Art. 6 Abs. 5 der Verordnung von sämtlichen Begleitpersonen auf dem Straßenfahrzeug nicht nur den Schulungs-, sondern den sogenannten Befähigungsnachweis nach Art. 17 Abs. 2 der Verordnung.
In dieser Auffassung sieht sich der Senat auch dadurch bestätigt, dass die englische und die französische Fassung der Verordnung dieses Erfordernis in Art. 6 Abs. 5 noch unmissverständlicher als in der deutschen Fassung zum Ausdruck bringen.
Die englische Fassung der Norm lautet: „No person shall drive, or act as an attendant on a vehicle transporting domestic Equidae or domestic animals of bovine, ovine, caprine or porcine species or poultry unless he holds a certificate of competence pursuant to Article 17(2). The certificate of competence shall be made available to the competent authority when the animals are transported.“
Die französische Fassung der Norm lautet: „Seules sont habilitées à conduire ou à convoyer un véhicule routier transportant des équidés domestiques des animaux domestiques des espèces bovine, ovine, caprine et porcine ou des volailles les personnes détentrices d’un certificat d’aptitude professionnelle conformément à l’article 17, paragraphe 2. Ce certificat d’aptitude professionnelle est mis à disposition de l’autorité compétente lors du transport des animaux.“
Beide Fassungen postulieren damit unmissverständlich das Erfordernis eines Befähigungsnachweises im Sinne von Art. 17 Abs. 2 der Verordnung für alle Personen („no person…“, „seules sont habilitées…“), die sich auf dem Straßenfahrzeug im Sinne der Norm befinden. Selbiges bringt die deutsche Fassung durch den zweiten Halbsatz des ersten Satzes zum Ausdruck, der in der englischen und französischen Fassung aufgrund der dort gewählten Formulierungen überflüssig ist, dass „auch Personen, die als Betreuer auf dem Fahrzeug tätig sind, im Besitz des Nachweises“ sein müssen.
Von diesem Verständnis der Norm geht daneben auch das Ministerium für Ernährung und ländlichen Raum Baden-Württemberg aus, wie sich aus einer Stellungnahme auf eine Anfrage von Landtagsabgeordneten der FDP ergibt, ob es zutreffe, dass ab dem Jahr 2008 eine weitere Verschärfung der Tierschutztransportverordnung dergestalt zu erwarten sei, dass auch Landwirte einen Befähigungsnachweis vorlegen müssen. In dem Sinne, wie auch der Senat die Norm versteht und auch die englische und französische Fassung dies eindeutig zum Ausdruck bringen, wird die Anfrage damit beantwortet, dass „Straßenfahrzeuge, auf denen Pferde, Rinder, Schafe, Ziegen, Schweine oder Geflügel befördert werden, nur von Personen gefahren oder als Betreuer begleitet werden dürfen, die über einen Befähigungsnachweis verfügen“2. Dementsprechend enthält das Handbuch Tiertransporte, das Vollzugshinweise zur Verordnung (EG) Nr. 1/2005 gibt und von einer Länderarbeitsgruppe für das gesamte Bundesgebiet erstellt wurde, bereits seit der Fassung Stand März 2010 den Hinweis, dass für den Fahrer und Betreuer ein Befähigungsnachweis erforderlich ist3.
Schließlich versteht auch die Verwaltungsgerichtsbarkeit die Norm wie der Senat, wie aus einem obiter dictum in einem Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 28. November 2011 ersichtlich ist, wonach „die Fahrer und Betreuer über gültige Befähigungsnachweise verfügen“ müssen4.
Demgegenüber kommt dem Umstand keine Bedeutung zu, dass Art. 6 lit. b) der Verordnung zulässt, dass der Fahrer die Aufgabe des Betreuers übernehmen kann. Soweit der Beschwerdeführer meint, hieraus lasse sich folgern, dass demzufolge eine Person auf dem Straßenfahrzeug ausreiche, die über einen Befähigungsnachweis verfügt, so geht diese Auffassung fehl. Art. 6 postuliert nämlich zunächst das Erfordernis, dass jede Tiersendung von einem Betreuer begleitet wird, der neben dem Fahrer auf dem Straßenfahrzeug während des Transports anwesend ist und für das Wohlbefinden der Tiere unmittelbar zuständig ist (s. Legaldefinition in Art. 2 lit. c) der Verordnung). Im folgenden lässt die Norm unter anderem dann eine Ausnahme hiervon zu, wenn der Fahrer auch die Aufgabe des Betreuers übernimmt. Über das Erfordernis des Befähigungsnachweises trifft diese Norm indes keine Aussage.
Fehl geht schließlich auch der Einwand des Beschwerdeführers, dass Art. 5 S. 2 der Verordnung regelt, dass „der Befähigungsnachweis“ der zuständigen Behörde zum Zeitpunkt der Tierbeförderung vorzulegen ist und sich aus der Verwendung der Singularform des Wortes „Befähigungsnachweis“ ergebe, dass nur ein solcher auf dem Straßenfahrzeug vorhanden sein müsse. Ungeachtet dessen, dass sich das Gegenteil aus der vom Senat oben aufgezeigten Verordnungssystematik ergibt, verwendet die deutsche Rechtssprache zur Vereinfachung häufig die Singularform unter Wegfall des eigentlich zugehörigen Wortes „jeweiliger/jeweilige“, obschon eine Mehrzahl erfasst sein kann. So regelt etwa § 78 Abs. 1 S. 1 ZPO, dass die Parteien sich durch „einen Rechtsanwalt“ vertreten lassen müssen. Obschon das Wort „Rechtsanwalt“ in der Singularform verwendet wird, ist unstreitig, dass jede der Parteien einen Rechtsanwalt benötigt, so sie nicht ein Versäumnisurteil gegen sich ergehen lassen will. Obwohl durch Verwendung des Wortes „jeweils“ größere Rechtsklarheit geschaffen würde, hat sich der deutsche Gesetzgeber dafür entschieden, dieses Wort nicht einzufügen, da aus seiner Sicht auch ohne dieses kein Zweifel daran besteht, dass gemeint ist, dass jede Partei einen Rechtsanwalt benötigt. Ebenso ist die streitige Norm bei umfassender Betrachtung des Sinnzusammenhangs dahingehend gefasst und zu verstehen, dass jede Person auf dem Straßenfahrzeug einen Befähigungsnachweis benötigt und dieser jeweils beim Transport vorzuzeigen ist.
Oberlandesgericht Stuttgart, Beschluss vom 29. März 2012 – 1 Ss 142/12