Berufstypische Handlungen eines Rechtsanwalts – und die Beihilfe zum versuchten Betrug

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind für die Beihilfestrafbarkeit bei berufstypischen „neutralen“ Handlungen die folgenden Grundsätze zu beachten:

Berufstypische Handlungen eines Rechtsanwalts – und die Beihilfe zum versuchten Betrug
  • Zielt das Handeln des Haupttäters ausschließlich darauf ab, eine strafbare Handlung zu begehen, und weiß dies der Hilfeleistende, so ist sein Tatbeitrag als Beihilfehandlung zu werten. In diesem Fall verliert sein Tun stets den „Alltagscharakter“; es ist als „Solidarisierung“ mit dem Täter zu deuten und dann auch nicht mehr als sozialadäquat anzusehen.
  • Weiß der Hilfeleistende dagegen nicht, wie der von ihm geleistete Beitrag vom Haupttäter verwendet wird, hält er es lediglich für möglich, dass sein Tun zur Begehung einer Straftat genutzt wird, so ist sein Handeln regelmäßig noch nicht als strafbare Beihilfehandlung zu beurteilen, es sei denn, das von ihm erkannte Risiko strafbaren Verhaltens des von ihm Unterstützten war derart hoch, dass er sich mit seiner Hilfeleistung die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein ließ1.

Diese Voraussetzungen sah der Bundesgerichtshof im hier entschiedenen Fall nicht tragfähig belegt:

Dem Mandanten wurde vor allem angelastet, durch fingierte Unfälle einen Betrug bzw. versuchten Betrug gegenüber den gegnerischen Versicherungen begangen zu haben. Dazu nutzte dieser entweder geringfügige Fahrfehler anderer Verkehrsteilnehmer bewusst zur Herbeiführung eines Verkehrsunfalls aus oder machte bei Straßen- bzw. Parkunfällen nicht auf das Unfallereignis zurückzuführende Schäden geltend, um den jeweiligen Sachbearbeiter der in Anspruch genommenen gegnerischen Versicherung entsprechend zu täuschen. Der Rechtsanwalt hat sodann im Namen des Mandanten bzw. von dessen Ehefrau in zwei Fällen mit anwaltlichen Schreiben jeweils gegenüber den Versicherungsunternehmen der Geschädigten Ansprüche aus solchen fingierten Verkehrsunfällen geltend gemacht. Zu einer Auszahlung von Versicherungsleistungen kam es in beiden Fällen nicht.

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Das Landgericht Stuttgart war davon überzeugt, dass dem Rechtsanwalt, nachdem er in zwei vorausgegangenen Fällen jeweils Schreiben der Versicherungen erhalten hatte, in denen diese die Auszahlung der erhobenen Forderungen wegen fehlender Plausibilität und Kompatibilität der Schäden verweigerten, die Betrugsabsichten seines Mandanten bewusst waren. Um im hart umkämpften Anwaltsmarkt keinen Mandanten zu verlieren, sei der Rechtsanwalt jedoch weiterhin bereit gewesen, für diesen Mandanten tätig zu sein. Dem Bundesgerichtshof reichte dies (noch) nicht:

Zwar stellt das Landgericht fest, dass der Rechtsanwalt bei seiner anwaltlichen Tätigkeit gewusst habe, dass die von ihm geltend gemachten Ansprüche nicht bestehen. Es gründet diese Überzeugung darauf, dass er innerhalb von mehr als drei Jahren vor dem Tatgeschehen schon mehrmals Ansprüche aus Unfallgeschehen für diesen Mandanten bzw. dessen Ehefrau geltend gemacht habe. Diese Häufigkeit der Unfallbeteiligungen innerhalb „kürzester Zeit“ hätte ihm auffallen müssen. Zudem habe er in zwei dieser Fälle im Zeitraum Januar bis Februar 2014 zwei Schreiben von Versicherungen erhalten, die die Auszahlung der erhobenen Forderungen wegen fehlender Plausibilität und Kompatibilität der Schäden verweigerten. Er habe außerdem im August 2014 die Verteidigung des Mandanten in einem Ermittlungsverfahren übernommen. Das Verfahren sei wegen des Vorwurfs des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und gewerbsmäßigen Betrugs geführt worden.

Der hieraus gezogene Schluss auf das festgestellte Wissen um die Nichtberechtigung der geltend gemachten Ansprüche und mithin der nach den oben aufgezeigten Maßgaben ausreichenden subjektiven Voraussetzungen beruht nicht auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung, da die Erwägungen hierzu lückenhaft bleiben.

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Das Tätigwerden im gegen den Mandanten gerichteten Ermittlungsverfahren ist schon deswegen kein geeigneter Ansatzpunkt, da nicht festgestellt ist, welche Kenntnisse der Rechtsanwalt über die Vorwürfe tatsächlich erlangt hat. Zudem betraf das Ermittlungsverfahren den Ehemann; der Rechtsanwalt wurde hier jedoch zur Durchsetzung der Ansprüche der Ehefrau tätig. Das mehrfache Auftreten von Ersatzansprüchen der Eheleute innerhalb von mehr als drei Jahren hätte zwar Anlass sein können, an der Berechtigung der geltend gemachten Ansprüche zu zweifeln, das Wissen um die Nichtberechtigung der Ansprüche folgt daraus – auch mangels näherer Auseinandersetzung des Landgerichts mit den Abläufen in der Kanzlei des Angeklagten und seiner Vorstellung über die Beschäftigung der Eheleute – indes nicht. Der Beweiswert der ablehnenden Schreiben der Versicherung lässt sich angesichts der kargen Feststellungen hierzu nicht beurteilen. So wird schon nicht mitgeteilt, ob diese Schreiben überhaupt Ansprüche betrafen, die vom Mandanten oder dessen Ehefrau geltend gemacht worden sind.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26. Januar 2017 – 1 StR 636/16

  1. BGH, Beschluss vom 20.09.1999 – 5 StR 729/98, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 20; Urteile vom 22.01.2014 – 5 StR 468/12, wistra 2014, 176; und vom 01.08.2000 – 5 StR 624/99, BGHSt 46, 107, 112 ff.[]