Eine Verfassungsbeschwerde ist mangels Rechtswegerschöpfung unzulässig, wenn die Möglichkeit eines Antrags auf Berufungszulassung gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil besteht.
Die Verfassungsbeschwerde ist in einem solchen Fall unzulässig, da ihr der Grundsatz der Subsidiarität entgegensteht1.
Der Funktion der Verfassungsbeschwerde würde es zuwiderlaufen, sie anstelle oder wahlweise neben einem möglicherweise statthaften Rechtsmittel zuzulassen2. Es ist daher geboten, vor der Einlegung einer Verfassungsbeschwerde die Statthaftigkeit weiterer einfachrechtlicher Rechtsbehelfe zu prüfen und von ihnen Gebrauch zu machen, wenn sie nicht offensichtlich unzulässig sind3. Es ist grundsätzlich Aufgabe der Fachgerichte, über Zulässigkeitsfragen nach einfachem Recht unter Berücksichtigung der hierzu vertretenen Rechtsansichten zu entscheiden4. Wird das Rechtsmittel als unzulässig verworfen, weil die Gerichte die Zulässigkeitsfrage zuungunsten eines Beschwerdeführers beurteilen, kann dieser nach Ergehen einer letztinstanzlichen Entscheidung innerhalb der Frist des § 93 Abs. 1 BVerfGG Verfassungsbeschwerde einlegen und etwaige Grundrechtsverletzungen durch eine vorangegangene Sachentscheidung rügen5. Der Beschwerdeführer hätte daher gegen den Beschluss vom 22.01.2019, mit dem das Verwaltungsgericht den Antrag auf Fortführung des Verfahrens abgelehnt hat, einen Antrag auf Zulassung der Berufung gemäß § 78 Abs. 2 bis 4 AsylG stellen müssen und könnte dies wegen der als fehlerhaft anzusehenden Rechtsmittelbelehrung des Beschlusses vom 22.01.2019 auch derzeit noch tun:
Macht der Kläger eines asylrechtlichen Klageverfahrens geltend, die Fiktion der Klagerücknahme gemäß § 81 Satz 1 AsylG sei nicht eingetreten, kann er nach verbreiteter Auffassung die Fortsetzung des Verfahrens beantragen. Kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass das Verfahren durch fiktive Klagerücknahme beendet ist, spricht es dies durch Urteil – oder Gerichtsbescheid – aus. Die Entscheidung, mit der die Beendigung des Verfahrens festgestellt wird, ist mit denselben Rechtsmitteln angreifbar, die gegen die Entscheidung in der Sache selbst gegeben wären. Entscheidet das Gericht über den Fortsetzungsantrag fehlerhaft durch Beschluss, kann dasjenige Rechtsmittel eingelegt werden, das bei einer in verfahrensrechtlich zutreffender Form ergangenen Entscheidung gegeben wäre6.
Davon ausgehend wäre gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts der Antrag auf Zulassung der Berufung gemäß § 78 Abs. 2 bis 4 AsylG gegeben. Dieser wäre aus den genannten Gründen nicht offensichtlich ohne Aussicht auf Erfolg. Denn eine fehlerhafte Bejahung der Wirksamkeit einer fiktiven Klagerücknahme gemäß § 81 Satz 1 AsylG verletzt – neben Art.19 Abs. 4 Satz 1 GG – zugleich den Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG, weil sich das Gericht zu Unrecht nicht mit der Sache selbst befasst hat. Eine entsprechende Verfahrensrüge gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG in Verbindung mit § 138 Nr. 3, § 108 Abs. 2 VwGO wird daher regelmäßig Erfolg haben7.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 18. März 2019 – 2 BvR 367/19
- vgl. BVerfGE 107, 395, 414; 112, 50, 60; 134, 106, 115; 134, 242, 285; stRspr[↩]
- vgl. BVerfGE 1, 5, 6; 1, 97, 103[↩]
- vgl. BVerfGE 28, 1, 6[↩]
- vgl. BVerfGE 18, 85, 92 f.; 68, 376, 381[↩]
- vgl. BVerfGE 68, 376, 381; BVerfG, Beschluss vom 24.02.2000 – 2 BvR 1295/98 5[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 23.04.1985 – 9 C 48.84 14; Bergmann, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl.2018, § 81 AsylG Rn. 21 ff., 25; Peters/Axer, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl.2018, § 92 Rn. 85 ff., 90[↩]
- vgl. BVerwG, Beschluss vom 05.07.2000 – 8 B 119.00 2[↩]