Betrug in den Abrechnungen des Kassenarztes

Nach § 106a Abs. 1 und 2 SGB V1 prüfen die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Krankenkassen die Rechtmäßigkeit und Plausibilität der Abrechnungen in der vertragsärztlichen Versorgung.

Betrug in den Abrechnungen des Kassenarztes

Die Feststellung der sachlichen und rechnerischen Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte gehört in die Zuständigkeit der Kassenärztlichen Vereinigungen; Prüfung und Feststellung zielen darauf ab, ob die Leistungen im Einklang mit den gesetzlichen, vertraglichen oder satzungsrechtlichen Vorschriften – mit Ausnahme des hier nicht interessierenden Wirtschaftlichkeitsgebots – erbracht worden sind2. Zum Prüfungsumfang gehören auch die formalen und inhaltlichen Voraussetzungen der Leistungserbringung3; das schließt die Leistungserbringung in „freier Praxis“ ein4.

Das Gericht kann sich bei seiner Beweiswürdigung zum Merkmal Täuschung an der in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts5 entwickelten Grundsätzen zur „freien Praxis“ in Abgrenzung zur ärztlichen Tätigkeit im Angestelltenverhältnis (§ 32b Ärzte-ZV) orientieren. Tätigkeit in „freier Praxis“ wird danach durch eine wirtschaftliche Komponente – das Tragen des wirtschaftlichen Risikos und die Beteiligung am wirtschaftlichen Erfolg der Praxis – und eine ausreichende Handlungsfreiheit in beruflicher und persönlicher Hinsicht geprägt6. Das wirtschaftliche Risiko trägt der Vertragsarzt dann, wenn es maßgebend von seiner Arbeitskraft abhängt, in welchem Umfang er Einkünfte durch seine freiberufliche Tätigkeit erzielt7. Ausreichende Handlungsfreiheit bei der Ausübung der (vertrags)ärztlichen Tätigkeit erfordert die Befugnis, den medizinischen Auftrag nach seinem Ermessen zu gestalten sowie über die räumlichen und sächlichen Mittel, ggf. auch über den Einsatz von Hilfspersonal, zu disponieren oder jedenfalls an der Disposition mitzuwirken8. Um zu bewerten, ob das kassenarztrechtlich erforderliche Maß an Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit gewahrt ist, können auf die Arztpraxis bezogene zivilrechtliche Vereinbarungen von Bedeutung sein9.

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Das Bundessozialgericht hat desweiteren ausgeführt, in Fallgestaltungen, in denen der fragliche Arzt das wirtschaftliche Risiko trage, also sowohl an Gewinn als auch Verlust der Praxis beteiligt sei, müsse er neben dem Einkommensrisiko nicht zwingend auch noch das weitere Vermögensrisiko tragen10. Selbst Gestaltungen, in denen nicht nur die Praxisräume, sondern die gesamte Praxisausstattung angemietet worden seien, der Kapitaleinsatz des Kassenarztes also gegen Null gehe, stehe kassenarztrechtlich der Tätigkeit „in freier Praxis“ nicht entgegen11.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 12. Juli 2017 – 1 StR 535/16

  1. in den Fassungen vom 14.11.2003, vom 31.10.2006 und vom 26.03.2007[]
  2. BSG, Urteil vom 23.06.2006 – B 6 KA 7/09 R, BSGE 106, 222, 226 Rn. 26 mwN[]
  3. BSG aaO BSGE 106, 222, 226 Rn. 27[]
  4. vgl. BSG aaO BSGE 106, 222, 228 ff. Rn. 33 ff.[]
  5. BSG, Urteile vom 16.03.1973 – 6 RKa 23/71, BSGE 35, 247, 250; und vom 23.06.2010 – B 6 KA 7/09 R, BSGE 106, 222, 228 ff. Rn. 33 ff., siehe auch Urteil vom 16.12 2015 – B 6 KA 19/15 R, BSGE 120, 197, 200 Rn.19 f.[]
  6. BSG, Urteil vom 23.06.2010 – B 6 KA 7/09 R, BSGE 106, 222, 229 Rn. 39[]
  7. BSG, Urteile vom 16.03.1973 – 6 RKa 23/71, BSGE 35, 247, 252; und vom 23.06.2010 – B 6 KA 7/09 R, BSGE 106, 222, 229 Rn. 37[]
  8. BSG jeweils aaO[]
  9. BSG aaO BSGE 106, 222, 229 f. Rn. 40 f.[]
  10. BSG aaO BSGE 106, 222, 231 f. Rn. 46 f.[]
  11. BSG aaO BSGE 106, 222, 232 Rn. 46 am Ende[]
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