Bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln – und das Butterfly-Messer

Das für die Verwirklichung des Qualifikationstatbestandes1 notwendige Mitsichführen von Gegenständen, die zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind, liegt dann vor, wenn der Täter gefährliche Gegenstände bewusst gebrauchsbereit in der Weise bei sich hat, dass er sich ihrer jederzeit bedienen kann2.

Bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln – und das Butterfly-Messer

Hierfür genügt, dass die gefährlichen Gegenstände dem Täter in irgendeinem Stadium des Tathergangs zur Verfügung stehen, d.h. sich so in seiner räumlichen Nähe befinden, dass er sich ihrer jederzeit, also ohne nennenswerten Zeitaufwand, und ohne besondere Schwierigkeiten bedienen kann3.

Setzt sich die Tat aus mehreren Einzelakten zusammen, so reicht es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Tatbestandserfüllung aus, wenn der qualifizierende Umstand des Mitsichführens eines gefährlichen Gegenstands nur bei einem Einzelakt verwirklicht ist.

Die Feststellung, dass das Messer zur Verletzung von Menschen bestimmt war, bedarf bei einem Butterfly-Messer keiner näheren Begründung4. Denn bei dem Butterflymesser handelt es sich um eine sogenannte gekorene Waffe i.S.v. § 1 Abs. 2 Nr. 2b WaffG („tragbare Gegenstände“); bei derartigen Waffen liegt die erforderliche Zweckbestimmung zur Verletzung von Personen ohne weitere Feststellungen regelmäßig auf der Hand5.

Etwas anderes ergibt sich für den konkreten Einzelfall auch nicht aus dem Umstand, dass bei der Kontrolle des Fahrzeugs in Grenznähe zunächst lediglich das Messer entdeckt, der Transport des Rauschgifts aber unbemerkt blieb.

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Der Gesetzgeber verfolgt mit der durch das Verbrechensbekämpfungsgesetz vom 28.10.19946 eingeführten Qualifikation des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG den Zweck, im Betäubungsmittelstrafrecht Strafrahmen vorzusehen, mit denen u.a. auch der großen Gefährlichkeit solcher Taten entsprochen werden kann7. In Bezug auf die Betäubungsmittelstraftaten, bei denen die Täter Schusswaffen oder sonst zur Verletzung von Menschen geeignete und bestimmte Gegenstände mit sich führen, besteht die Gefährlichkeit gerade darin, dass die Täter rücksichtslos ihre Interessen beim unerlaubten Umgang mit Betäubungsmitteln durchsetzen und dabei die Schusswaffe oder die sonstigen von § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG erfassten Gegenstände einsetzen8. Der gegenüber den erfassten Grunddelikten erhöhte Unrechtsgehalt des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG liegt daher in der generell erheblichen Gefährlichkeit der Begehung von Betäubungsmitteldelikten unter Beisichführen von Waffen sowohl hinsichtlich des Rechtsguts der Volksgesundheit9 als auch hinsichtlich der Rechtsgüter Leben und körperliche Unversehrtheit von Personen, die in Kontakt mit den Tätern von Betäubungsmittelstraftaten geraten.

Die jederzeitige Verfügbarkeit von Waffen erleichtert dem Täter den unerlaubten Umgang mit Betäubungsmitteln, weil ihm Schusswaffen und sonstige zur Verletzung von Menschen geeignete und bestimmte Gegenstände regelmäßig ein Bewusstsein von Sicherheit und Überlegenheit vermitteln10. Die generelle Gefährlichkeit der Zugriffsmöglichkeit des Täters auf von § 30a Abs. 2 Nr. 2 StGB erfasste Waffen ist jedenfalls stets dann gegeben, wenn der Täter Waffe und Betäubungsmittel zugleich verfügungsbereit hat11. Der der Qualifikation zugrunde liegenden generell erhöhten Rechtsgutsgefährlichkeit trägt die Rechtsprechung auch dadurch Rechnung, dass sie bereits ein Beisichführen der erfassten Waffen bzw. Gegenstände in irgendeinem Stadium des Tathergangs für ausreichend erachtet12.

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Eine erhöhte Rechtsgutsgefährlichkeit besteht in Situationen einer Kontrolle des bewaffneten Täters durch Angehörige von Strafverfolgungsbehörden auch dann, wenn diesen der Umstand eines unerlaubten Umgangs des Kontrollierten mit Betäubungsmitteln (zunächst) unbekannt bleibt. Denn auch in diesen Konstellationen besteht regelmäßig ein Anreiz für den Täter sich der Kontrolle, die – für ihn zu diesem Zeitpunkt nicht ausschließbar – zu einer Entdeckung der Betäubungsmittel führen kann, unter Einsatz der Waffe zu entziehen. Im Hinblick auf den Schutzzweck von § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG ist es daher für die vorliegende Fallgestaltung nicht veranlasst, strengere Anforderungen an die subjektive Zweckbestimmung zur Verletzung von Personen bei Mitführen von gekorenen Waffen zu stellen. Eine allgemeine Einschränkung des Qualifikationstatbestandes in Konstellationen, in denen die von Gesetz angenommene (generelle) Gefährlichkeit sich konkret nicht verwirklicht hat, kommt erst recht nicht in Betracht13.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 5. April 2016 – 1 StR 38/16

  1. BGH, Urteil vom 28.02.1997 – 2 StR 556/96, BGHSt 43, 8, 10[]
  2. vgl. BGH, Beschlüsse vom 10.06.2015 – 1 StR 211/15, Rn. 6; vom 28.11.2013 – 5 StR 576/13, Rn. 4, BGHR BtMG § 30a Abs. 2 Nr. 2 Gegenstand 1; und vom 14.11.1996 – 1 StR 609/96, NStZ 1997, 137; Urteil vom 20.09.1996 – 2 StR 300/96, NStZ-RR 1997, 16[]
  3. vgl. BGH, Urteile vom 15.11.2007 – 4 StR 435/07, BGHSt 52, 89, 93; und vom 21.03.2000 – 1 StR 441/99, NStZ 2000, 433; Beschluss vom 10.06.2015 – 1 StR 211/15, Rn. 6; Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 8. Aufl.2016, § 30a Rn. 78 mwN[]
  4. vgl. BGH, Beschluss vom 21.10.2014 – 1 StR 78/14, NStZ 2015, 226, 227[]
  5. BGH, Beschlüsse vom 08.01.2014 – 5 StR 542/13, NStZ 2014, 466; und vom 21.10.2014 – 1 StR 78/14, NStZ 2015, 226, 227[]
  6. BGBl. I S. 3186[]
  7. vgl. BT-Drs. 12/6853 S. 41 linke Spalte[]
  8. BT-Drs. 12/6853 S. 41 rechte Spalte; BGH, Urteil vom 10.04.1996 – 3 StR 5/96, BGHSt 42, 123, 126[]
  9. BGH, Urteil vom 28.02.1997 – 2 StR 556/96, BGHSt 43, 8, 11 f.; siehe auch BGH, Urteil vom 10.04.1996 – 3 StR 5/96, BGHSt 42, 123, 126[]
  10. BGH aaO, BGHSt 43, 8, 13; vgl. auch Patzak aaO, § 30a Rn. 89 mwN[]
  11. BGH aaO, BGHSt 43, 8, 13[]
  12. vgl. Patzak aaO, § 30a Rn. 79; siehe auch BGH, Beschluss vom 24.09.2015 – 2 StR 126/15, NStZ 2016, 123, 124[]
  13. BGH aaO, BGHSt 43, 8, 12 f.[]
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