Eine bewusste Selbstgefährdung lässt grundsätzlich die Erfolgsabwendungspflicht des eintrittspflichtigen Garanten nicht entfallen, wenn sich das allein auf Selbstgefährdung angelegte Geschehen erwartungswidrig in Richtung auf den Verlust des Rechtsguts entwickelt.

In dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall war ein Sauf- und Kiffabend aus dem Ruder gelaufen. Im Verlaufe des Abends bot der Gastgaber den übrigen an, Gammabutyrolacton (GBL) zu konsumieren. Dieser Stoff befand sich unverdünnt in einer in seinem Besitz befindlichen Glasflasche. Außer einem anderen Teilnehmer ging keiner der sonstigen Anwesenden auf das Angebot ein. Nachdem die beiden etwa zwei bis drei Milliliter GBL, verdünnt in einem halben Liter Wasser, konsumiert hatten, blieb die Flasche mit dem GBL frei zugänglich in der Wohnung stehen. Spätestens nach dem eigenen Konsum wies der Gastgeber seine Gäste darauf hin, dass GBL nicht unverdünnt zu sich genommen werden dürfe.
Einige Zeit danach setzte ein weiterer, später verstorbener, Teilnehmer die Flasche mit dem unverdünnten GBL direkt an und trank eine nicht mehr näher feststellbare Menge der Substanz. Die anderen Teilnehmer, die von der Aufnahme einer tödlich wirkenden Menge ausgingen, versuchten erfolglos, ihn zum Erbrechen zu veranlassen. Dieser verlor vielmehr das Bewusstsein. Nachdem er in eine stabile Seitenlage gebracht worden war, beschränkte sich die übrigen Anwesenden darauf, die Atemfrequenz des bewusstlosen Geschädigten zu kontrollieren. Spätestens als dieser lediglich noch alle sechs bis acht Sekunden atmete, nahm der Gastgeber billigend in Kauf, dass der Geschädigte ohne das unverzügliche Herbeirufen von ärztlicher Hilfe an den Folgen der Einnahme des unverdünnten GBL versterben werde. Dennoch blieb er untätig. Hätte er zu diesem Zeitpunkt medizinische Hilfe angefordert, wäre das Leben des Geschädigten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gerettet worden. Auch nachdem – vom Gastgeber wahrgenommen – die Atemfrequenz noch niedriger, die Atmung zudem unregelmäßig und geräuschintensiv wurde, leitete der Gastgeber zunächst weiterhin keine Rettungsmaßnahmen ein. Später wurde, nicht ausschließbar auf die Initiative des Gastgebers, ein erster Rettungswagen verständigt. Als der Gastgeber beobachtete, dass dieser Rettungswagen abfuhr, ohne den Geschädgiten aufgenommen zu haben, ließ er einen zweiten Rettungswagen herbeirufen. Dessen Besatzung unternahm Wiederbelebungsversuche. Diese führten jedoch nicht zum Erfolg. Der Geschädigte verstarb an einem durch den Konsum von GBL ausgelösten Atemstillstand und der dadurch bewirkten Sauerstoffunterversorgung des Gehirns.
Der Bundesgerichtshof bestätigte die Verurteilung u.a. des Gastgebers wegen Totschlags durch Unterlassen:
Der Gastgeber hatte im Sinne von § 13 Abs. 1 StGB rechtlich dafür einzustehen, dass der Tod des Geschädigten nach dessen Konsum von GBL nicht eintritt. Diese Pflicht zur Abwendung des Todeserfolgs resultierte aus der tatsächlichen Herrschaft des Angeklagten über die in seinem Besitz befindliche und von ihm in seiner Wohnung für die übrigen dort Anwesenden frei zugängliche Flasche mit dem hochgradig gesundheits- und lebensgefährlichen GBL.
In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass jeder, der eine Gefahrenquelle schafft oder unterhält, die nach Lage der Verhältnisse erforderlichen Vorkehrungen zum Schutz anderer Personen zu treffen hat1. Die entsprechende Pflicht beschränkt sich auf das Ergreifen solcher Maßnahmen, die nach den Gesamtumständen zumutbar sind und die ein verständiger und umsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um Andere vor Schäden zu bewahren. Eine aus der Zuständigkeit für eine Gefahrenquelle folgende Erfolgsabwendungspflicht gemäß § 13 Abs. 1 StGB besteht allerdings lediglich dann, wenn mit der Eröffnung der Gefahrenquelle die nahe liegende Möglichkeit begründet wurde, dass Rechtsgüter anderer Personen verletzt werden können2. In welchem Umfang die Erfolgsabwendungspflicht besteht, bestimmt sich nach dem Grad der Gefahr. Die Anforderungen an den für die Gefahrenquelle Zuständigen sind umso höher, je größer bei erkennbarer Gefährlichkeit einer Handlung die Schadenswahrscheinlichkeit und Schadensintensität sind3.
An diesen Grundsätzen gemessen ist für den Bundesgerichtshof die rechtliche Würdigung, der Angeklagte sei Garant für das Leben des später verstorbenen Geschädigten gewesen, nicht zu beanstanden.
Die dem Konsum des unverdünnten GBL durch den Geschädigten zeitlich vorausgegangenen Umstände legten die Möglichkeit nahe, dass es wegen des freien Zugangs aller in der Wohnung des Angeklagten Anwesenden zu einem Zugriff auf die Flasche mit dem GBL kommen werde. Alle sich dort Aufhaltenden und damit auch der Geschädigte hatten bereits im Verlaufe des Nachmittags außerhalb der Wohnung unterschiedliche Suchtmittel zu sich genommen. In der Wohnung war es zu weiterem Konsum von Alkohol und verschiedenen Betäubungsmitteln gekommen. Angesichts dieses wahllosen Suchtmittelkonsumverhaltens der in der Wohnung anwesenden Personen war trotz der zunächst ausbleibenden Reaktion der Gäste auf die Aufforderung des Angeklagten, von dem GBL zu konsumieren, die Gefahr eines Zugriffs auch auf diese Substanz nahe liegend. Unabhängig von dem jeweils konkreten Umfang des Suchtmittelkonsums der verschiedenen Gäste und den jeweiligen individuellen Auswirkungen auf die Fähigkeit zur Risikoeinschätzung, entspricht eine enthemmende Wirkung von Suchtmittelkonsum allgemeiner Erfahrung. Dass es angesichts des bis zum Vorfallzeitpunkt von allen Anwesenden gezeigten Konsumverhaltens auch zu der Einnahme von GBL kommen würde, war daher eine voraussehbare Entwicklung.
Wegen der mit einer Einnahme des unverdünnt in der für jeden Anwesenden frei zugänglichen Flasche befindlichen GBL einhergehenden hohen Gefährlichkeit für das Leben und die Gesundheit von Konsumenten waren an den Angeklagten als Inhaber der Sachherrschaft über den gefährlichen Gegenstand hohe Sorgfaltsanforderungen zu stellen, um der Lebensgefährlichkeit des Konsums zu begegnen. Die ausgesprochene Warnung des Gastgebers, GBL nicht unverdünnt zu sich zu nehmen, genügte angesichts des frei zugänglichen Aufstellens der Flasche in der Wohnung in Anwesenheit mehrerer Personen, die bereits zuvor Alkohol und verschiedene Drogen konsumiert hatten, dazu nicht. Der Gastgeber hat daher als für die Flasche zuständiger Besitzer durch den geschilderten Umgang mit ihr eine Gefahrenquelle eröffnet. Dies begründete grundsätzlich seine Pflicht, dem von dieser Quelle für die Rechtsgüter Dritter ausgehenden Gefährlichkeitspotential durch geeignete und ihm zumutbare Maßnahmen zu begegnen.
Diese Pflicht entfiel auch nicht deshalb, weil der später verstorbene Geschädigte trotz der ausgesprochenen Warnung des Gastgebers aus eigenem Entschluss das GBL unverdünnt zu sich genommen hat.
Zwar unterfällt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine eigenverantwortlich gewollte und verwirklichte Selbstgefährdung grundsätzlich nicht den Tatbeständen eines Körperverletzungs- oder Tötungsdelikts, wenn sich das mit der Gefährdung vom Opfer bewusst eingegangene Risiko realisiert. Wer eine solche Gefährdung veranlasst, ermöglicht oder fördert, kann daher nicht wegen eines Körperverletzungs- oder Tötungsdelikts verurteilt werden; denn er nimmt an einem Geschehen teil, welches – soweit es um die Strafbarkeit wegen Tötung oder Körperverletzung geht – kein tatbestandsmäßiger und damit strafbarer Vorgang ist4. Diese Grundsätze gelten sowohl für die vorsätzliche als auch die fahrlässige Veranlassung, Ermöglichung oder Förderung einer eigenverantwortlichen Selbstgefährdung oder Selbstverletzung5.
Eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung seines Lebens durch den Verstorbenen schloss jedoch die aus der Herrschaft über eine Gefahrenquelle resultierende Pflicht des Gastgebers zur Abwendung des drohenden Todeserfolgs gerade nicht aus, als sich nach der unverdünnten Einnahme von GBL gerade das Gefahrenpotential für das Leben des später Verstorbenen zu realisieren begann, das der Gastgeber durch das dem Zugriff seiner Gäste offene Abstellen der Flasche mit dem genannten Stoff gerade eröffnet hatte.
Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, dass die Erfolgsabwendungspflicht eines Garanten nicht entfällt, wenn sein Verhalten zunächst lediglich eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung derjenigen Person ermöglicht, für dessen Rechtsgut bzw. Rechtsgüter er als Garant rechtlich im Sinne von § 13 Abs. 1 StGB einzustehen hat6. Die Straflosigkeit des auf die Herbeiführung des Risikos gerichteten Verhaltens ändere nichts daran, dass für den Täter Garantenpflichten in dem Zeitpunkt bestehen, in dem aus dem allgemeinen Risiko eine besondere Gefahrenlage erwächst. Mit dem Eintritt einer solchen Gefahrenlage ist der Täter verpflichtet, den drohenden Erfolg abzuwenden7.
An diesen Grundsätzen ist jedenfalls dann festzuhalten, wenn – wie hier – das Verhalten des Opfers sich in Bezug auf das Rechtsgut Leben in einer (möglichen) eigenverantwortlichen Selbstgefährdung erschöpft. Entgegen in der Strafrechtswissenschaft geäußerter Kritik8 ist es in diesen Konstellationen nicht wertungswidersprüchlich, zwar jegliche Beteiligung an der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung selbst für einen Garanten straffrei zu stellen, bei Realisierung des von dem betroffenen Rechtsgutsinhaber eingegangenen Risikos aber eine strafbewehrte Erfolgsabwendungspflicht aus § 13 Abs. 1 StGB anzunehmen. Denn anders als in den Selbsttötungsfällen erschöpft sich im Fall der Selbstgefährdung die Preisgabe des eigenen Rechtsguts gerade darin, dieses in einem vom Betroffenen jedenfalls in seinem wesentlichen Grad zutreffend erkannten Umfang (Kenntnis sämtlicher rechtsgutsbezogener Risiken des fraglichen Verhaltens wird nicht gefordert9) einem Risiko auszusetzen. Eine Hinnahme des als möglich erkannten Erfolgseintritts bei Realisierung des eingegangenen Risikos ist mit der Vornahme der Selbstgefährdung gerade nicht notwendig verbunden10.
Entwickelt sich das allein auf Selbstgefährdung angelegte Geschehen erwartungswidrig in Richtung auf den Verlust des Rechtsguts, umfasst die ursprüngliche Entscheidung des Rechtsgutsinhabers für die (bloße) Gefährdung seines Rechtsguts nicht zugleich den Verzicht auf Maßnahmen zum Erhalt des nunmehr in einen Zustand konkreter Gefahr geratenen Rechtsguts11. Eine Person, die nach den allgemeinen Grundsätzen des § 13 Abs. 1 StGB Garant für das bedrohte Rechtsgut ist, trifft dann im Rahmen des tatsächlich Möglichen und ihr rechtlich Zumutbaren die Pflicht, den Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs abzuwenden.
Dem ist der Gastgeber nicht nachgekommen, weil er in dem Zeitraum, in dem noch die Möglichkeit der Abwendung des Todes des Geschädigten bestand, auf das Herbeirufen der lebensnotwendigen medizinischen Hilfe verzichtet hat.
Ob für den Fall eines eigenverantwortlichen Suizids nach Verlust der Handlungsherrschaft des den Selbstmord Anstrebenden etwas anderes gilt12, bedarf keiner Entscheidung. Denn das Landgericht hat einen Selbsttötungswillen des Verstorbenen ausgeschlossen.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 5. August 2015 – 1 StR 328/15
- BGH, Urteil vom 13.11.2008 – 4 StR 252/08, BGHSt 53, 38, 41 f. Rn. 16 mwN; siehe auch BGH, Urteil vom 21.12 2011 – 2 StR 295/11, NStZ 2012, 319[↩]
- vgl. bereits BGH, Urteil vom 13.11.2008 – 4 StR 252/08, BGHSt 53, 38, 42 Rn. 16; BGH, Urteil vom 21.12 2011 – 2 StR 295/11, NStZ 2012, 319[↩]
- BGH, Urteil vom 13.11.2008 – 4 StR 252/08, BGHSt 53, 38, 42 Rn. 16 mwN[↩]
- siehe nur BGH, Urteil vom 28.01.2014 – 1 StR 494/13, BGHSt 59, 150, 167 Rn. 71 mit zahlr. Nachw.[↩]
- BGH, Urteil vom 28.01.2014 – 1 StR 494/13, BGHSt 59, 150, 168 Rn. 71[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 27.06.1984 – 3 StR 144/84, NStZ 1984, 452; und vom 09.11.1984 – 2 StR 257/84; im Ergebnis auch BGH, Urteil vom 21.12 2011 – 2 StR 295/11, NStZ 2012, 319[↩]
- BGH, Urteile vom 27.06.1984 – 3 StR 144/84, NStZ 1984, 452; und vom 09.11.1984 – 2 StR 257/84; in der Sache ebenso BGH, Urteil vom 21.12 2011 – 2 StR 295/11, NStZ 2012, 319[↩]
- etwa Roxin, Strafrecht, AT/1, 4. Aufl., § 11 Rn. 112; Kühl in Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl., Vor § 211 Rn. 16; Fünfsinn StV 1985, 57 f.[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 11.01.2011 – 5 StR 491/10, NStZ 2011, 341, 342; siehe auch BGH, Urteil vom 28.01.2014 – 1 StR 494/13, BGHSt 59, 150, 169 f. Rn. 80 und 81[↩]
- siehe insoweit auch MünchKomm-StGB/Freund, 2. Aufl., § 13 Rn.190; in der Sache anders dagegen Murmann NStZ 2012, 387, 388 f.[↩]
- vgl. Freund aaO[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 21.12 2011 – 2 StR 295/11, NStZ 2012, 319[↩]