Bußgeldbewehrtes Alkoholkonsumverbot

Mit den Voraussetzungen, unter denen das Recht zum Konsum von Alkohol in der Öffentlichkeit durch eine Verordnung bußgeldbewehrt eingeschränkt werden darf, hatte sich aktuell das Oberlandesgericht Braunschweig zu befassen:

Bußgeldbewehrtes Alkoholkonsumverbot

Der Konsum von Alkohol auf einer öffentlichen Verkehrsfläche gehört zum Gemeingebrauch und ist von der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art 2 Abs. 1 GG) gedeckt1. Dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts in Lüneburg vom 30.11.20122 kann zwar entnommen werden, dass das Recht zum Konsum von Alkohol in Niedersachsen durch eine auf §§ 55, 2 Nr. 2 Nds. SOG gestützte Rechtverordnung eingeschränkt werden darf. Zweifelhaft erscheint aber bereits die für die Annahme einer abstrakten Gefahr (§ 2 Nr. 2 Nds. SOG) erforderliche Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts. Diese mag noch im Bereich um die Blasiuskirche in Hann. Münden gegeben sein. Im gesamten Innenstadtbereich, für den die Verordnung gilt, liegt sie erkennbar nicht vor. Denn der Grad der Schadenswahrscheinlichkeit muss umso höher sein, je geringer der Wert des geschützten Rechtsguts ist3.

Im vorliegenden Fall geht es zumindest nicht um den Schutz besonders herausragender Rechtsgüter. Die beschriebenen Pöbeleien zum Nachteil von Passanten sind zweifellos ebenso lästig wie die Verschmutzung des Bereichs mit Abfall, Urin und Erbrochenem, was aber nichts daran ändert, dass diese Beeinträchtigungen im Verhältnis zu anderen Rechtsgütern (Leib, Leben, Gesundheit etc.) von nachgeordneter Natur sind. Wenn die Streitigkeiten in „Handgreiflichkeiten“ münden, bezieht sich das zum einen nicht auf unbeteiligte Dritte, sondern auf die anwesenden Alkoholkonsumenten. Zum anderen erreichen die beschriebenen „Handgreiflichkeiten“ nicht die Intensität von Körperverletzungen. Sodann fehlt jede nachvollziehbare Darlegung, weshalb eine Verlagerung der geschilderten Ordnungsverstöße tatsächlich in den räumlich weiten Bereich der Verordnung zu besorgen ist.

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Die verfahrensgegenständliche Verordnung ist aber jedenfalls unverhältnismäßig i. S. d. § 4 NdsSOG. Sie beschränkt die Betroffenen unzumutbar in ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit. Denn sie erfasst eine Vielzahl von Straßen im Innenbereich, ohne dass hinsichtlich des gesamten, von der Verordnung betroffenen Bereichs substantiiert eine konkrete Gefahr dargelegt wäre, und gestattet den Konsum von Alkohol im gesamten Innenstadtbereich nicht einmal zeitweise. Dadurch unterscheidet sich die vorliegende Verordnung grundlegend von der Göttinger Verordnung, die das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht gebilligt hat. Jene Verordnung, der nach den Ausführungen des OVG Lüneburg im Übrigen sehr umfangreiche Erhebungen zur drohenden Gefahr vorausgegangenen sind, hat das Gericht erkennbar nur deshalb gebilligt und für verhältnismäßig angesehen, weil sie sich auf lediglich eine Straße (Nikolaistraße) bezog, dort primär dem Schutz der Nachtruhe der Anwohner, also eines hochrangigen Schutzguts, diente und deshalb auf den Zeitraum von 0 Uhr bis 8 Uhr beschränkt war4.

Oberlandesgericht Braunschweig, Beschluss vom 20. März 2013 – Ss (OWiZ) 28/13

  1. Nds. OVG, Urteil vom 30.11.2012 – 11 KN 187/12; ThürOVG, Beschluss vom 21.06.2012 – 3 N 653/09; OLG Saarbrücken, NJW 1998, 251, 252[]
  2. Nds. OVG, a.a.O.[]
  3. Nds. OVG, Urteil vom 30.11.2012 – 11 KN 187/12[]
  4. Nds. OVG , a. a. O.[]