Das gefälschte Urteil – frisch vom Anwalt

Das Anfertigen einer gefälschten einfachen Urteilsabschrift muss keine strafbare Urkundenfälschung sein.

Das gefälschte Urteil – frisch vom Anwalt

In dem hier vom Oberlandesgericht Hamm entschiedenen Fall erhielt ein Rechtsanwalt aus Hamm im Jahr 2011 von einem Mandanten den Auftrag, restlichen Lohn gegenüber dem ehemaligen Arbeitgeber des Mandanten gerichtlich geltend zu machen. Er fertige zunächst ein außergerichtliches Anwaltsschreiben, blieb in der Folgezeit jedoch untätig. Auf Nachfragen seines Mandanten teilte er diesem später jedoch wahrheitswidrig mit, für ihn gegen den Arbeitgeber einen erfolgreichen Prozess vor dem Arbeitsgericht geführt zu haben. Als der Mandant das ergangene Urteil sehen wollte, fertigte der Rechtsanwalt die einfache Abschrift eines vermeintlichen Urteils des Arbeitsgerichts Hamm mit einem entsprechenden Tenor an, die er mit einem Stempelaufdruck ?Abschrift? versah und seinem Mandanten überließ. Der Mandant fragte jedoch beim Arbeitsgericht nach und erfuhr dort, dass die vermeintliche Urteilsabschrift gefälscht war.

Wegen dieser Fälschung verurteilten das Amtsgericht Dortmund und – nach eingelegter Berufung des Rechtsanwalts – auch das Landgericht Dortmund den Rechtsanwalt jeweils wegen Urkundenfälschung zu einer Geldstrafe. Das Landgericht Dortmund erkannte im Berufungsverfahren auf eine Strafe von 130 Tagessätzen zu je 30 €. Der Vorwurf eines (versuchten) Betruges konnte im Strafverfahren nicht festgestellt werden. Es ergaben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Rechtsanwalt vom Mandanten zu Unrecht Honorar erhalten hatte oder beanspruchen wollte. Auch gab es keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die infrage stehenden Lohnansprüche des Mandanten aufgrund der schleppenden Betreibung des Mandats nicht mehr durchsetzbar waren bzw. der Rechtsanwalt einen dahingehenden Vorsatz gefasst hatte. Auf die gegen die Verurteilung wegen Urkundenfälschung eingelegte Revision des Rechtsanwalts sprach ihn nun das Oberlandesgericht Hamm vom Vorwurf der Urkundenfälschung frei:

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Der Rechtsanwalt könne, so das Oberlandesgericht Hamm, nicht wegen Urkundenfälschung gemäß § 267 StGB bestraft werden, weil er keine unechte Urkunde im Sinne der Strafvorschrift hergestellt habe. Die einfache Abschrift eines Urteils sei im Unterschied zu einer Urteilsausfertigung oder einer beglaubigten Urteilsabschrift keine Urkunde im strafrechtlichen Sinne. Die einfache Abschrift verkörpere nicht die Erklärung des Ausstellers des Originals, sondern gebe lediglich wieder, was (vermeintlich) in einem anderen Schriftstück stehe. Zwar würden in der Rechtsprechung einfache Abschriften unter gewissen Umständen als Urkunden im Sinne der strafrechtlichen Vorschrift des § 267 StGB angesehen. Derartige Umstände seien im vorliegenden Fall allerdings nicht feststellbar. Das vom Rechtsanwalt erstellte Schriftstück sei von ihm nicht als ein vom Arbeitsgericht herrührendes Urteil, sondern lediglich als eine – mit einem Stempelaufdruck auch so gekennzeichnete – Abschrift ausgegeben worden. Als einfache Abschrift eines vermeintlichen Urteils habe das Schriftstück auch nicht als Ersatz für die Urschrift dienen können. Einfache Urteilsabschriften träten gerade nicht wie Ausfertigungen oder beglaubigte Abschriften kraft gesetzlicher Bestimmung an die Stelle der bei den Gerichtsakten verbleibenden Urschrift eines gerichtlichen Urteils. Zutreffend sei zwar, dass der Rechtsanwalt mit der gefälschten einfachen Abschrift und deren Vorlage gegenüber seinem Mandanten behauptet habe, dass ein Urteil des aus der Abschrift ersichtlichen Inhalts existiere. Allein dieser Umstand führe aber nicht dazu, dass nunmehr die Abschrift als unechte Urkunde im strafrechtlichen Sinn anzusehen sei.

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An dieser Einschätzung ändert nach Ansicht des Oberlandesgerichts Hamm auch die erhebliche praktische Bedeutung auch einfacher Abschriften von gerichtlichen Entscheidungen für den Rechtsverkehr nichts. Der Umstand, dass im alltäglichen Leben mittlerweile verschiedene Arten von Schriftstücken wie z.B. Fotokopien, Telefaxschreiben oder (ausgedruckten) Emails erhebliche Bedeutung bzw. auch ein erheblicher Beweiswert beigemessen werde, begründe jedoch nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich noch nicht deren Urkundsqualität. Bei gerichtlichen Entscheidungen müsse der Rechtsverkehr im Grundsatz nicht bereits auf einfache Abschriften vertrauen. Für einen Rechtsuchenden bestehe durchaus die Möglichkeit, die Vorlage von beglaubigten Abschriften oder Ausfertigungen zu verlangen. Genüge einem Rechtsuchenden gleichwohl eine einfache Abschrift, könne im Falle einer vorgelegten Fälschung gegebenenfalls eine nach den Betrugsvorschriften strafbare Täuschung vorliegen, bei der dann allerdings keine als Urkundenfälschung strafbare Urkunde verwandt worden sei.

Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 12. Mai 2016 – 1 RVs 18716