Wird ein Besetzungseinwand vom Rechtsmittelgericht als unstatthaft und damit als unzulässig verworfen, weil der Anwendungsbereich des § 222b StPO nicht eröffnet war, wird durch diese Entscheidung die Besetzungsrüge nach § 338 Nr. 1 StPO nicht präkludiert.

Zwar ist nach § 338 Nr. 1 Halbsatz 2 Buchst. b StPO eine Besetzungsrüge unter anderem dann präkludiert, wenn das Rechtsmittelgericht nach § 222b Abs. 3 StPO über einen Besetzungseinwand entschieden hat. Dies gilt aber nur in Fällen, in denen die Mitteilung der Besetzung nach § 222a StPO vorgeschrieben war und soweit – nach der Systematik der Präklusion, an der sich durch die Neuregelungen in §§ 222a und 222b, § 338 Nr. 1 StPO durch das Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens vom 10.12.20191 nichts Grundsätzliches geändert hat2 – die Obliegenheit nach § 222b StPO zur Erhebung einer Besetzungsbeanstandung reicht.
Wie bisher gilt damit, dass bei Mängeln der Besetzung, die erst im Lauf der Hauptverhandlung auftreten, die Präklusionswirkung grundsätzlich nicht eintritt und insoweit ein Besetzungseinwand nicht zu erheben ist3. Ebensowenig ist ein Besetzungseinwand erforderlich, wenn sich der Besetzungsmangel aus in der Person des Richters liegenden Tatsachen ergibt4. Dementsprechend hat das Oberlandesgericht – sich nur auf den ersten Punkt stützend – im Ergebnis zutreffend über den Besetzungseinwand nicht in der Sache entschieden, sondern ihn als unstatthaft angesehen, weil der Anwendungsbereich des § 222b StPO nicht eröffnet war.
Soweit in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs – nicht tragend – für den Fall des Eintritts oder Nichteintritts eines Ergänzungsrichters in das Quorum nach § 192 Abs. 2, 3 GVG erwogen worden ist, ob zum Erhalt der Revisionsrüge in entsprechender Anwendung von § 222b StPO oder in erweiternder Anwendung von § 238 Abs. 2 StPO in der Hauptverhandlung ein Einwand erhoben werden müsse5, braucht der Bundesgerichtshof diese Frage im vorliegenden Fall nicht zu vertiefen, weil vorliegend ein solcher Einwand tatsächlich erhoben worden ist. Selbst wenn ein solcher Einwand für die Zulässigkeit der Besetzungsrüge in der Revision zu fordern wäre, könnte seine Erhebung indes nicht dazu führen, dass auf einen nach §§ 222a und 222b StPO nicht erforderlichen und damit unstatthaften Besetzungseinwand das Vorabentscheidungsverfahren nach § 222b Abs. 3 StPO durchzuführen wäre und das Rechtsmittelgericht auch bei Verwerfung des Einwands als unstatthaft eine Entscheidung im Sinne von § 338 Nr. 1 Halbsatz 2 Buchst. b StPO träfe.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 2. Februar 2022 – 5 StR 153/21
- BGBl. I, S. 2121[↩]
- vgl. BT-Drs.19/14747, S. 36; BeckOK-StPO/Wiedner, § 338 Rn. 9; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 338 Rn. 16[↩]
- BGH, Urteil vom 11.02.1999 – 4 StR 657/98, BGHSt 44, 361, 364; Beschluss vom 08.12.2004 – 3 StR 422/04; jeweils mwN[↩]
- st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 06.08.1987 – 4 StR 319/87, BGHSt 35, 28, 29; vom 17.12.1987 – 4 StR 440/87, BGHSt 35, 164; jeweils mwN[↩]
- vgl. BGH, Beschlüsse vom 10.12.2008 – 1 StR 322/08, BGHSt 53, 99, 100; vom 08.01.2009 – 5 StR 537/08, NJW 2009, 931, 932[↩]