Auch eine Betrugstatbestandsverwirklichung durch Unterlassen ist von einer Anklage wegen Betrugs umfasst.

Tat im Sinne von § 264 StPO ist ein einheitlicher geschichtlicher Vorgang, der sich von anderen ähnlichen oder gleichartigen unterscheidet und innerhalb dessen der Angeklagte einen Straftatbestand verwirklicht haben soll. Die Tat als Prozessgegenstand ist dabei nicht nur der in der Anklage umschriebene und dem Angeklagten darin zur Last gelegte Geschehensablauf; vielmehr gehört dazu das gesamte Verhalten des Angeklagten, soweit es mit dem durch die Anklage bezeichneten geschichtlichen Vorgang nach der Auffassung des Lebens ein einheitliches Vorkommnis bildet. Die prozessuale Tat wird in der Regel durch Tatort, Tatzeit und das Tatbild umgrenzt und insbesondere durch das Täterverhalten sowie die ihm innewohnende Angriffsrichtung sowie durch das Tatopfer bestimmt [1]. Derselbe geschichtliche Vorgang kann dabei sowohl aktives Tun wie auch Unterlassen umfassen [2]. Gemessen hieran wäre auch eine Verurteilung unter dem Gesichtspunkt eines Betrugs durch Unterlassen Gegenstand der zugelassenen Anklage.
Eine Aufklärungspflicht des Angeklagten könnte hier aufgrund seines vorangegangenen gefährdenden Tuns (Ingerenz) durch die der Tat zugrundeliegenden Generalmietvertragskonstruktion entstanden sein.
Ein pflichtwidriges Vorverhalten führt allerdings nur dann zu einer Garantenstellung aus Ingerenz, wenn dadurch die naheliegende Gefahr des Eintritts eines konkreten tatbestandsmäßigen Erfolgs verursacht worden ist. Der durch das Vorverhalten herbeigeführte Zustand muss so beschaffen sein, dass es zum Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolgs kommt oder ein bereits eingetrete ner Schaden vertieft wird [3]. Die Verantwortung des Täters für die Aufklärung rührt aus der Veranlassung des vermögensrelevanten Irrtums her. Wegen dieser Verantwortung für die Entstehung des Irrtums darf der Vermögensinhaber auf eine nachträgliche Richtigstellung seitens des zunächst objektiv Täuschenden vertrauen. Der Getäuschte soll durch die nachträgliche Aufklärung über die Unrichtigkeit der für seine Vermögensdisposition bedeutsamen Information in die Lage versetzt werden, nunmehr auf informierter Grundlage über die weitere Verwendung seines Vermögens entscheiden zu können [4].
Bereits das bei Neugestaltung der Mietverhältnisse im Sommer 2004 erfolgte Verschweigen des Hintergrunds der Generalmietvertragskonstruktion, durch die Mietforderungen der w. nachteiligung auf die T. AG zum Zwecke der GläubigerbeGmbH „übertragen“ wurden, barg vorliegend die Gefahr einer späteren Schädigung der Mieter durch deren doppelte Inanspruchnahme durch einen Zwangsverwalter in sich. Diese Gefahr, die der auch vom Angeklagten zur Gläubigerbenachteiligung gestalteten vertraglichen Konstruktion bei Unkenntnis der Mieter von der vorherigen Sicherungsabtretung der Mietzahlungsansprüche innewohnte, realisierte sich mit der im November 2005 erfolgten Beschlagnahme der Mietgrundstücke und Anzeige der Zwangsverwaltung gegenüber den Mietern. Deren Fehlvorstellung über eine aus der Neuvermietung T. resultierende (fortbestehende) Forderungsberechtigung der GmbH wurde auch durch die wiederholten Aufforderungen des Zwangsverwalters, nunmehr die Mieten an ihn zu zahlen, nicht beseitigt. Nach den bisherigen Feststellungen ist nichts dafür ersichtlich, dass dem an den andauernden Mieteinnahmen profitierenden Angeklagten eine Aufklärung der Mieter tatsächlich nicht möglich oder zumutbar gewesen wäre.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 10. Juni 2020 – 5 StR 435/19
- st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 13.02.2019 – 4 StR 555/18, NStZ 2019, 428; und vom 08.01.2020 – 5 StR 366/19, NZWiSt 2020, 195, 198 f., jeweils mwN[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 17.04.1984 – 1 StR 116/84, NStZ 1984, 469, 470[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 08.03.2017 – 1 StR 466/16, BGHSt 62, 72, 80 f. mwN mit Anm. Ceffinato in JR 2017, 544[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 08.03.2017 – 1 StR 466/16, aaO, S. 82[↩]