Der Bischof und die Volksverhetzung

Fehlt es bei einem Strafbefehl nach § 130 Absatz 3 StGB („Volksverhetzung“) an der relevanten Schilderung des Verbreitungsweges, so sind „wesentliche gesetzliche Merkmale“ des Straftatbestandes nicht dargestellt. Fehlt es an dieser Grundvoraussetzung, muss das Verfahren gemäß § 206a StPO zwingend – vorläufig – eingestellt werden.

Der Bischof und die Volksverhetzung

So die Entscheidung des Oberlandesgerichts Nürnberg in dem hier vorliegenden Strafverfahren gegen den der Pius-Bruderschaft angehörenden Bischof Williamson wegen Volksverhetzung. Im November 2008 kam es anlässlich einer Diakonatsweihe zu Äußerungen von Bischoff Richard Williamson im Priesterseminar Herz Jesu in Zaitskofen/Oberpfalz, mit denen er den Holocaust leugnete. Das Landgericht Regensburg hat ihn deswegen am 11. Juli 2011 zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 65,00 Euro wegen Volksverhetzung verurteilt.

Als Revisionsgericht stellte das Oberlandesgericht Nürnberg bei Überprüfung dieser Entscheidung – anders als die Vorinstanzen – fest, dass dem Verfahren die Basis eines hinreichend deutlich geschilderten Sachverhaltes fehlt. Der Anklagesachverhalt, hier in der Form eines Strafbefehls, hat zum Einen die Funktion, den Angeklagten über den gegen ihn erhobenen Tatvorwurf zu informieren und zum Anderen muss sich aus dem Sachverhalt klar umgrenztes strafbares Verhalten entnehmen lassen. Denn der Anklagesachverhalt ist die Grundlage für das gesamte weitere Verfahren. Fehlt es an dieser Grundvoraussetzung, muss das Verfahren zwingend – vorläufig – eingestellt werden (§ 206a StPO). Dieser Mangel kann im Revisionsverfahren nicht mehr geheilt werden. Die Staatsanwaltschaft hat nun die Möglichkeit, wegen des gleichen Sachverhaltes erneut umfassend Anklage zu erheben.

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Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Nürnberg schildere der Strafbefehl lediglich eine Vorbereitungshandlung und demnach ein (noch) nicht strafbares Verhalten. Er beschreibe zwar, dass der Angeklagte seine Äußerungen, mit denen er den Holocaust leugnete, anlässlich einer Diakonatsweihe im Priesterseminar in Zaitskofen/Oberpfalz gegenüber dem schwedischen Fernsehsender „SVT 1“ abgegeben und dabei damit gerechnet habe, dass das aufgezeichnete Interview nicht nur in Schweden – dort sind derartige öffentliche Bekundungen nicht strafbar – sondern auch in Deutschland bekannt und Aufsehen erregen wird. Es werde in dem Strafbefehl aber nicht mitgeteilt, dass, und vor allem wie und wo der Inhalt des einem Journalisten im Priesterseminar unter Ausschluss der Öffentlichkeit gegebenen Interviews dann tatsächlich veröffentlicht und auch in Deutschland bekannt wurde. Insbesondere fänden sich keine Ausführungen zu Zeit und Ort der Veröffentlichung, ebenso wenig zum Veröffentlichungsmedium und zum Verbreitungsweg.

Da Voraussetzung der Strafbarkeit nach § 130 Absatz 3 StGB („Volksverhetzung“) ist, dass die Tathandlung „öffentlich oder in einer Versammlung“ begangen wird, also ein Verbreitungsakt hinzukommt, stelle der Strafbefehl „wesentliche gesetzliche Merkmale“ des Straftatbestandes nicht dar.

Im vorliegenden Fall war die Schilderung des Verbreitungsweges von zentraler Bedeutung, weil entsprechende Äußerungen der Volksverhetzung nur in Deutschland strafbar sind, das Interview aber in einem schwedischen Bezahlfernsehsender ausgestrahlt werden sollte. Erst die Veröffentlichung in Deutschland, also nicht schon das Geben des Interviews unter Ausschluss der Öffentlichkeit, kann die Strafbarkeit begründen. Ob über die Ausstrahlung im Fernsehen hinaus eine Veröffentlichung im Internet von vorneherein geplant war und ob der Angeklagte Bischof Williamson mit diesem Verbreitungsweg rechnete lässt sich dem Strafbefehl nicht entnehmen. Dass es hierauf wesentlich ankam, ergibt sich auch aus der Tatsache, dass der Angeklagte, nachdem seine Äußerung auf ungeklärtem Weg vorab bekannt geworden war, vergeblich versucht hatte, eine zivilrechtliche Ausstrahlungsuntersagung in Deutschland zu erreichen.

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