Der in der Hauptverhandlung begrenzte Haftbefehl

Die Entscheidung über die Haftfrage ist nicht geeignet, die rechtlichen Grenzen der Hauptverhandlung zu bestimmen1, und konnte deshalb beim Angeklagten auch keinen diesbezüglichen Vertrauenstatbestand begründen (§ 265 Abs. 2 Nr. 2 StPO).

Der in der Hauptverhandlung begrenzte Haftbefehl

Das Gericht ist daher nach einer in der Hauptverhandlung im Anschluss an die Aussage der Nebenklägerin erfolgten Begrenzung des Haftbefehls auf die Taten 2 und 3 nicht verpflichtet, den Angeklagten darauf hinzuweisen, dass weiterhin auch eine Verurteilung wegen Tat 1 der Anklage in Betracht komme. Ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens bzw. § 265 StPO liegt insoweit nicht vor.

Insofern liegt die Sache anders als bei einer Abweichung von den Grundsätzen der Beweiskontinuität2, weil das Landgericht sich zu Inhalt und Ergebnis einzelner Beweiserhebungen nicht erklärt3 und aufgrund der unterschiedlichen Anforderungen, die für den Erlass eines Haftbefehls und eine Verurteilung gelten4, mit seiner Entscheidung über die Haftfrage auch seine Beweiswürdigung nicht offengelegt hat.

Dies gilt im hier entschiedenen Fall umso mehr, als das Landgericht auch im weiteren Fortgang der Hauptverhandlung von seinem Beweisprogramm nicht abgewichen ist. Eine veränderte Sachlage im Sinne von § 265 Abs. 2 Nr. 3 StPO hat der geänderte Haftbefehl nicht herbeigeführt.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 30. Juni 2020 – 6 StR 103/20

  1. st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 20.12.1967 – 4 StR 485/67, BGHSt 22, 29, 31; Beschluss vom 24.01.2019 – 1 StR 298/18[]
  2. vgl. dazu BGH, Beschluss vom 26.09.2018 – 2 StR 283/18, NStZ 2019, 103 m. Anm. Schneider; Ceffinato, JR 2020, 6, 9[]
  3. vgl. dazu BGH, Urteil vom 09.05.2019 – 1 StR 688/18[]
  4. vgl. zu letzterer nur LR-StPO/Sander, 26. Aufl., § 261 Rn. 7 ff., 14[]
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