Der Internationale Strafgerichtshofs – und die Grenzen seiner Zuständigkeit in Palästina

Die territoriale Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshof in Bezug auf Palästina erstreckt sich auch auf den Gazastreifen, das Westjordanland und Ostjerusalem.

Der Internationale Strafgerichtshofs – und die Grenzen seiner Zuständigkeit in Palästina

So hat die Vorverfahrenskammer I des Internationalen Strafgerichtshof in dem hier vorliegenden Fall entschieden. Dadurch das Palästina dem Rom-Statut zum Internationalen Strafgerichtshof beigetreten ist und zu den Vertragsstaaten zählt, ist in den Geltungsbereich der Zuständigkeit die seit 1967 von Israel besetzten Gebiete, d.h. der Gazastreifen, das Westjordanland und Ostjerusalem, mit einzubeziehen.

Der Staatsanwalt des Internationalen Strafgerichtshof informierte am 20. Dezember 2019 über den Abschluss der vorläufigen Prüfung der Lage in Palästina. Danach sind alle gesetzlichen Kriterien des Rom-Statuts für die Einleitung einer Untersuchung erfüllt. Darüber, ob eine Untersuchung eingeleitet wird, liegt die Entscheidung im Zuständigkeitsbereich des Staatsanwalts. Dieser ist allerdings der Auffassung gewesen, dass vor Beginn einer Untersuchung die Frage geklärt werden sollte, wo – in Bezug auf Palästina – er Untersuchungen durchführen kann. Folglich ersuchte der Staatsanwalt gemäß Artikel 19, Abs. 3 des Rom-Statuts die Vorverfahrenskammer I des Internationalen Strafgerichtshofs mit Schreiben vom 22. Januar 2020 über den Umfang der territorialen Zuständigkeit des Strafgerichtshofs in Bezug auf Palästina zu entscheiden.

In ihrer Entscheidungsbegründung hat die Vorverfahrenskammer deutlich erklärt, dass der Internationale Strafgerichtshof verfassungsrechtlich nicht befugt ist, Staatsangelegenheiten zu bestimmen, die die internationale Gemeinschaft binden würden. Mit dieser Entscheidung über den territorialen Geltungsbereich ihrer Zuständigkeit wird weder über einen völkerrechtlichen Grenzstreit noch über die Frage künftiger Grenzen entschieden. Vielmehr dient diese Entscheidung ausschließlich der Festlegung der territorialen Zuständigkeit des Strafgerichtshofs.

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Nach Auffassung der Vorverfahrenskammer ist der Verweis auf den „Staat, in dessen Hoheitsgebiet das fragliche Verhalten stattgefunden hat“ in Artikel 12 Absatz 2 Buchstabe a des Rom-Statuts als Verweis auf einen Vertragsstaat des Römischen Statuts auszulegen. Außerdem ist festgestellt worden, dass der Beitritt Palästinas zum Statut unabhängig von seinem völkerrechtlichen Status dem korrekten und ordentlichen Verfahren folgte und dass die Vorverfahrenskammer nicht befugt ist, das Ergebnis des von der Versammlung der Vertragsstaaten durchgeführten Beitrittsverfahrens anzufechten und zu überprüfen. Palästina hat sich bereit erklärt, sich den Bestimmungen des Römischen Statuts (und damit auch dem Internationalen Strafgerichtshof) zu unterwerfen, und hat das Recht, in Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Umsetzung des Statuts wie jeder andere Vertragsstaat behandelt zu werden.

Darüber hinaus ist auch in einigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen wie in Resolution 67/19 vom „Recht des palästinensischen Volkes auf Selbstbestimmung und Unabhängigkeit in seinem Staat Palästina auf dem seit 1967 besetzten palästinensischen Gebiet“ die Rede.

Aus diesen Gründen hat die Mehrheit der Vorverfahrenskammer entschieden, dass sich die territoriale Zuständigkeit des Strafgerichtshofs in Bezug auf Palästina auch auf die seit 1967 von Israel besetzten Gebiete erstreckt: dem Gazastreifen, dem Westjordanland und Ostjerusalem. Dagegen sind für die Lösung der Frage der territorialen Zuständigkeit des Gerichtshofs in Palästina die Argumente zu den Oslo-Abkommen und deren Klauseln, die den Umfang der palästinensischen Zuständigkeit einschränken, nicht relevant.

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