Der Schraubendreher – und die besonders schwere räuberische Erpressung

Den Qualifikationstatbestand der besonders schweren räuberischen Erpressung gemäß § 255, § 250 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB kann verwirklichen, wer bei der Tat mit dem Schraubendreher ein gefährliches Werkzeug verwendet.

Der Schraubendreher – und die besonders schwere räuberische Erpressung

Das Tatbestandsmerkmal des Verwendens im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB umfasst jeden zweckgerichteten Gebrauch eines objektiv gefährlichen Tatmittels. Nach der Konzeption der Raubdelikte bezieht sich das Verwenden auf den Einsatz des Nötigungsmittels zur Verwirklichung des Raubtatbestands; es liegt sonach vor, wenn der Täter eine Waffe oder ein gefährliches Werkzeug gerade als Mittel entweder der Ausübung von Gewalt gegen eine Person oder der Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben gebraucht, um die Wegnahme einer fremden beweglichen Sache zu ermöglichen oder – im Fall des § 255 StGB – eine andere Person zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung zu nötigen und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zuzufügen. Im Fall der Drohung muss das Tatopfer das Nötigungsmittel und die Androhung seines Einsatzes wahrnehmen. Denn hierunter ist das ausdrückliche oder schlüssige In-Aussicht-Stellen eines künftigen Übels zu verstehen, auf das der Drohende Einfluss hat oder zu haben vorgibt. Eine Drohung erfordert daher, dass der Bedrohte Kenntnis von ihr erlangt und dadurch in eine Zwangslage gerät1.

Gemessen hieran hat der Angeklagte im hier vom entschiedenen Fall den Schraubendreher bei seiner Drohung gegenüber dem Zeugen G. im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB verwendet. Hierzu genügte, dass er seine verbale Drohung unterstrich, indem er das Werkzeug dabei gut sichtbar in der Hand hielt, und ihm bewusst war, dass der Zeuge dies wahrnahm. Entgegen der Ansicht des Landgerichts hat der Angeklagte den Schraubendreher damit durchaus „als Waffenersatz eingesetzt“. Für die Verwendung bei der Drohung – einem konkludent vollziehbaren Kommunikationsakt – war nicht erforderlich, damit zusätzlich Hieb- oder Stichbewegungen in Richtung des Adressaten der Drohung vorzunehmen oder solche verbal anzukündigen.

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Bei einem Schraubendreher handelt es sich grundsätzlich um ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB, denn ein solcher ist nach seiner objektiven Beschaffenheit geeignet, einem Opfer erhebliche Körperverletzungen zuzufügen, etwa bei einem Einsatz als Stichwerkzeug2. Die genauen Abmessungen des hier verwendeten Schraubendrehers teilt das Urteil zwar nicht mit. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen wird die genannte Eignung durch die nicht näher ausgefüllte Bezeichnung als „handelsüblich“ und den späteren erfolgreichen Einsatz zum Aufhebeln eines Spielautomaten aber noch hinreichend belegt.

Mit der Ablehnung einer besonders schweren räuberischen Erpressung im ersten Handlungsakt hat sich im vorliegenden Fall das Landgericht Berlin3 zudem den Blick dafür verstellt, dass dem Schraubendreher auch für die Bewertung des anschließenden Diebstahlsversuchs Relevanz zukommt. Indem er ihn zum Aufhebeln des Spielautomaten nutzte und so präsent hielt, hat der Angeklagte insoweit einen versuchten Diebstahl in der qualifizierten Form des Diebstahls mit Waffen entsprechend § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB begangen.

Der Schraubendreher stellte auch im Sinne dieser Vorschrift ein gefährliches Werkzeug dar4. Dass er dem Angeklagten bei der Wegnahme aus dem Automaten nur mehr als Aufbruchswerkzeug diente, steht dieser Einordnung nicht entgegen, weil die aus seiner Beschaffenheit resultierende objektive Gefährlichkeit hierdurch nicht reduziert wird. Da für § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB schon die mit dem Beisichführen verbundene latente Gefahr des Gebrauchs eines derartigen Gegenstands genügt5, kommt es außerdem nicht darauf an, dass der Angeklagte die gegebene Eignung des Schraubendrehers als „Waffenersatz“6 hier durch dessen vorangehende Verwendung als Drohmittel sogar schon konkret illustriert hatte.

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Der Angeklagte hat den Schraubendreher zudem (auch) bei dem Diebstahl bei sich geführt. Hierzu genügt bei einem mitgebrachten Werkzeug, dass es sich für den Täter in Griffweite befand oder er sich seiner jederzeit ohne nennenswerten Zeitaufwand bedienen konnte7. Dies wird durch die Urteilsgründe – der Schraubendreher war vom Angeklagten zum Aufbrechen von Spielautomaten mitgenommen worden, wurde hierzu bei der Tat benutzt und verblieb während des gesamten Geschehens am Tatort, wo er später aufgefunden wurde – hinreichend belegt.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 20. Juni 2023 – 5 StR 67/23

  1. vgl. nur BGH, Beschluss vom 08.04.2020 – 3 StR 5/20, BGHR StGB § 250 Abs. 2 Nr. 1 Verwenden 12 mwN; Urteil vom 10.01.2018 – 2 StR 200/17, NStZ 2018, 278; allgemein zur Drohung BT-Drs. 13/8587, S. 44 f.[]
  2. BGH, Urteil vom 18.02.2010 – 3 StR 556/09, BGHR StGB § 250 Abs. 2 Nr. 1 Verwenden 9[]
  3. LG Berlin, Urteil vom 20.10.2022 – (537 KLs) 252 Js 2178/22 (10/22) []
  4. vgl. zur parallelen Norm des § 250 Abs. 1 Nr. 1a StGB: BGH aaO; BGH, Beschluss vom 01.09.2004 – 2 StR 313/04, NJW 2004, 3437[]
  5. vgl. BGH, Beschluss vom 03.06.2008 – 3 StR 246/07, BGHSt 52, 257 Rn. 30 f.[]
  6. vgl. zur Bestimmung der Gefährlichkeit BGH aaO Rn. 23[]
  7. BGH, Beschluss vom 05.10.2016 – 3 StR 328/16[]
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