Der Betreuer ist nur dann zur Stellung eines Strafantrags für den Betreuten befugt im Sinne des § 77 Abs. 3 StGB, wenn ihm dieser Aufgabenkreis entweder ausdrücklich oder im Rahmen einer Betreuungsanordnung für alle persönlichen Angelegenheiten des Betreuten übertragen wurde. Die Übertragung der Aufgabenkreise Vermögenssorge, Sorge für die Gesundheit, Aufenthaltsbestimmung sowie Vertretung gegenüber Körperschaften, Behörden und Rechtsanwälten reicht weder jeweils für sich noch in der Gesamtschau aus.

Auch das Betreuungsgericht ist unter den Voraussetzungen der §§ 1846, 1908i Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 77 Abs. 3 StGB befugt, für den Betroffenen einen Strafantrag zu stellen1. Dies setzt aber voraus, dass sich das Betreuungsgericht bewusst ist, eine einstweilige Maßregel an Stelle des noch nicht bestellten oder verhinderten Betreuers zu treffen.
Die bloße Übertragung der Vermögenssorge berechtigt den Betreuer nicht zur Stellung eines Strafantrags. Die Entscheidung zur Stellung eines Strafantrags gemäß § 247 StGB berührt vorrangig familienrechtliche und nicht vermögensrechtliche Interessen. Als höchstpersönliches Recht betrifft es die Angelegenheit der Personenfürsorge und nicht der Vermögenssorge2. Dass die Stellung eines Strafantrags durchaus auch vermögensrechtliche Auswirkungen z.B. bei der Geltendmachung und Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche haben kann, vermag an der grundsätzlichen Zuordnung des Strafantragsrechts zur Personensorge nichts zu ändern.
Ebenso wenig umfasst der Aufgabenkreis der Vertretung gegenüber Behörden das Strafantragsrecht3. Dieser Aufgabenkreis wiederholt lediglich die bereits in § 1902 BGB normierte allgemeine Vertretungsbefugnis des Betreuers, sagt aber nichts darüber aus, in welchen materiell-rechtlichen Aufgaben diese Befugnis gelten soll.
Ob bei Hinzutreten weiterer Aufgabenkreise aus dem Bereich der persönlichen Sorge der Betreuer zur Strafantragstellung befugt sein soll, wird in der Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet. Das OLG Celle hat ein Strafantragsrecht des Betreuers bei einer Übertragung der Aufgabenkreise Vermögenssorge, Sorge für die Gesundheit, Aufenthaltsbestimmung sowie Vertretung gegenüber Körperschaften, Behörden und Rechtsanwälten verneint4. Dieser Auffassung schließt sich das Oberlandesgericht Karlsruhe auf Grund folgender Erwägungen an:
Im Betreuungsrecht gilt der Erforderlichkeitsgrundsatz sowohl für die Betreuungsbedürftigkeit als auch den Betreuungsbedarf5. Eine Betreuung darf gemäß § 1896 Abs. 2 BGB nur für Aufgabenkreise bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist. Die Aufgabenkreise sind einerseits so zu bestimmen, dass auch alle erforderlich werdenden Angelegenheiten erfasst sind, andererseits sind sie auf das notwendige Maß zu beschränken6. Eine Betreuung zur Besorgung aller Angelegenheiten („Totalbetreuung“) soll die Ausnahme bleiben7. Umgekehrt folgt hieraus, dass die Betreuung strikt auf die vom Betreuungsgericht abschließend festgelegten Bereiche beschränkt ist. Ergibt sich ein darüber hinausgehender Betreuungsbedarf, ist eine Erweiterung der Betreuung durch das Betreuungsgericht zu prüfen.
Für das Recht zur Strafantragstellung bedeutet dies, dass – sofern das Betreuungsgericht die Personensorge nicht umfassend wie z.B. bei eine Betreuung für alle Angelegenheiten geregelt hat – es einer ausdrücklichen Übertragung dieses Aufgabenkreises auf den Betreuer bedarf. Die Aufgabenkreise Gesundheitsfürsorge und Aufenthaltsbestimmung machen zwar einen ganz wesentlichen Bereich der Personensorge aus, umfassen diese aber nicht erschöpfend. Aus dem Umstand, dass sich der Umfang der Betreuung unter Berücksichtigung aller übertragenen Aufgabenkreise dem Gesamtbild einer Totalbetreuung angenähert hat, kann nicht der Schluss gezogen werden, dass der Betreuer den Betroffenen auch in Bereichen vertreten kann, die ihm nicht ausdrücklich zugewiesen wurden.
Da nach dem Ergebnis des vom Betreuungsgericht eingeholten Sachverständigengutachtens die Geschädigte geschäftsunfähig ist, kann der Strafantrag durch die in § 77 Abs. 3 StGB bezeichneten Personen, hier die gesetzliche Betreuerin, gestellt werden. Vorliegend war jedoch weder für die entlassene noch für die derzeitige Betreuerin das Recht zur Strafantragsstellung von den ihnen übertragenen Aufgabenkreisen mit umfasst. Es liegt daher bislang ein rechtliches Hindernis für die Strafantragsstellung vor, weshalb auch die Strafantragsfrist des § 77b StGB – unabhängig vom Zeitpunkt der Kenntnis der jeweiligen Betreuerin von den Straftaten des Angekl. – nicht zu laufen beginnen konnte8. Dieses Hindernis kann aber beispielsweise dadurch behoben werden, dass das Betreuungsgericht die der Betreuerin übertragenen Aufgabenkreise um die Befugnis zur Stellung des Strafantrags erweitert, um sodann klären zu können, ob ein Strafantrag noch gestellt wird9.
Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluss vom 12. Dezember 2012 – 3 Ws 397/12
- S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, StGB, 28. Aufl., Rdn.19 zu § 77[↩]
- OLG Hamm, NJW 1960, 834; LG Hamburg, NStZ 2002, 39; OLG Köln, wistra 2005, 392; OLG Celle, wistra 2012, 242; S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, StGB, 28. Aufl., Rdn. 18 zu § 77; Fischer, StGB, 59. Aufl., Rdn. 14 zu § 77[↩]
- OLG Celle a.a.O.; OLG Köln, a.a.O.; Fischer, a.a.O.[↩]
- OLG Celle, a.a.O.; a.A. LG Ravensburg, FamRZ 2001, 937[↩]
- vgl. Palandt-Diederichsen, BGB, 71. Aufl., Rdn. 8 ff. zu § 1896[↩]
- Erman-Roth, BGB, 13. Aufl., Rdn. 59 zu § 1896[↩]
- Palandt-Diederichsen, BGB, 71. Aufl., Rdn. 16 zu § 1896[↩]
- S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, StGB, 28. Aufl., Rdn.19 zu § 77b[↩]
- KK-Schneider, StPO, 6. Aufl., Rdn. 7 zu § 206a[↩]