Der Strafantrag des Dienstvorgesetzten

Ein öffentlich-rechtlicher Widerrufs- und Unterlassungsanspruch hinsichtlich des Inhalts der Strafanzeige eines Dienstvorgesetzten (§ 194 Abs. 3 StGB) ist grundsätzlich ausgeschlossen, sofern die Äußerung gegenüber der Strafverfolgungsbehörde – über die Mitteilung der Anzeigetatsachen hinaus – nicht ehrverletzend oder in sonstiger Weise unangemessen ist.

Der Strafantrag des Dienstvorgesetzten

Widerrufsanspruch

Der öffentlich-rechtliche Widerrufsanspruch wird in der Rechtsprechung aus einer entsprechenden Anwendung des § 1004 BGB, unmittelbar aus Grundrechten oder aus dem Folgenbeseitigungsanspruch abgeleitet1. Er setzt voraus, dass es sich bei der Äußerung, deren Widerruf begehrt wird, um eine unwahre Tatsachenbehauptung handelt, dass diese ehrenrührig und damit rechtswidrig ist und dass die daraus folgende Beeinträchtigung in der Gegenwart noch fortwirkt.

Diese Voraussetzungen liegen im hier vom Verwaltungsgericht Karlsruhe nicht vor. Zwar handelt es sich bei der Mitteilung der Präsidentin des Gerichts an die Generalstaatsanwaltschaft vom 06.07.2010 um eine Tatsachenbehauptung, denn die Frage, ob die Telefax-Mitteilungen des Klägers an das Gericht beleidigenden Inhalt hatten (§ 185 StGB), ist dem Beweis zugänglich. Die Tatsachenbehauptung ist jedoch nicht unwahr. Denn der Kläger stellt – wie sich aus seinem Schreiben vom 29.09.2010 an das Gericht ergibt – nicht in Abrede, die der Strafanzeige zugrundeliegenden Äußerungen getan zu haben; dass sie von ihm stammen, wird auch durch die dem Gericht vorliegenden Telefax-Nachrichten vom 28.06.2010 und vom 30.06.2010 bestätigt. Es liegt ferner auf der Hand, dass diese Äußerungen von der Präsidentin des Gerichts als gegen Richter dieses Gerichts bzw. gegen das Gericht als Ganzes gerichtete Beleidigung aufgefasst werden durften. Daher liegt in ihrer Mitteilung an die Generalstaatsanwaltschaft auch keine falsche Verdächtigung i.S.v. § 164 StGB. Entgegen der Annahme des Klägers ist in der Mitteilung der Präsidentin ferner keine Nötigung zu erkennen, denn es erschließt sich nicht, zu welcher Handlung, Duldung oder Unterlassung die Präsidentin des Gerichts den Kläger mit Hilfe der Strafanzeige in rechtswidriger Weise genötigt haben sollte.

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Die Mitteilung an die Generalstaatanwaltschaft war im Übrigen nicht rechtswidrig und ist vom Kläger daher zu dulden. Denn § 194 Abs. 3 StGB ermächtigt den Dienstvorgesetzten gerade dazu, Strafantrag gegen denjenigen zu stellen, der einen Amtsträger in Beziehung auf seinen Dienst beleidigt. Dies schließt notwendigerweise auch eine Befugnis zur Mitteilung des entsprechenden Sachverhalts an die für die Strafverfolgung zuständige Stelle ein.

Unterlassungsanspruch

Der Kläger kann von dem Beklagten auch nicht die (künftige) Unterlassung der in der Mitteilung der Präsidentin an die Generalstaatsanwaltschaft enthaltenen Äußerung verlangen. Auch ein solcher Unterlassungsanspruch – welcher ebenfalls aus einer entsprechenden Anwendung des § 1004 BGB, unmittelbar aus Grundrechten oder aus dem Folgenbeseitigungsanspruch abgeleitet wird – setzt eine widerrechtliche Beeinträchtigung des Klägers in dessen Rechten voraus, an der es nach dem Ausgeführten fehlt.

Amtsverschwiegenheit des Adressaten

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass sich das Widerrufs- und Unterlassungsbegehren des Klägers auf den Inhalt einer Strafanzeige bezieht, welche ausschließlich gegenüber der Staatsanwaltschaft als einer zur Amtsverschwiegenheit verpflichteten Behörde abgegeben wurde. In solchen Fällen ist in der Zivilrechtsprechung anerkannt, dass zivilrechtliche Widerrufs- und Unterlassungsansprüche grundsätzlich ausgeschlossen sind. Denn die Berechtigung der in einem Strafantrag erhobenen Vorwürfe wird ausschließlich im dafür vorgesehenen Strafverfahren geprüft. Außerdem würde es in unzulässiger Weise in das Ausgangsverfahren, d.h. in das Verfahren, in dem die Äußerung gefallen ist oder in dem die Vorwürfe zu klären sind, eingreifen, wenn die in dem Ausgangsverfahren in irgendeiner Weise beteiligte Person durch ein anderes Verfahren in ihrer Äußerungsfreiheit eingeengt würde oder befürchten müsste, wegen einer derartigen Äußerung mit einer Widerrufs- und Unterlassungsklage überzogen zu werden2. Diese Überlegungen gelten jedenfalls in der vorliegenden Sachverhaltskonstellation, in der es um das Recht eines Dienstvorgesetzten geht, Strafantrag zu stellen (§ 194 Abs. 3 StGB) für den öffentlich-rechtlichen Widerrufs- und Unterlassungsanspruch entsprechend.

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Eine Ausnahme vom grundsätzlichen Ausschluss eines Widerrufs- und Unterlassungsanspruchs wäre allenfalls dann zu machen, wenn die in der Strafanzeige getätigten Äußerungen – über die Mitteilung der Anzeigetatsachen hinaus – ehrverletzend oder in sonstiger Weise unangemessen wären. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die Mitteilung der Präsidentin an die Generalstaatsanwaltschaft beschränke sich auf die kommentarlose Mitteilung des für die Bearbeitung der Strafanzeige notwendigen Sachverhalts.

Verwaltungsgericht Karlsruhe, Urteil vom 19. April 2012 – 3 K 3460/10

  1. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 18.11.1991 – 1 S 1088/90, VBlBW 1992, 305[]
  2. BGH, Urteil vom 10.06.1986 – VI ZR 154/85, NJW 1986, 2502; OLG Hamm, Urteil vom 15.05.1995 – 13 U 16/95, NJW-RR 1995, 1399; auch VG Aachen, Urteil vom 18.02.2011 – 6 K 1223/09[]